„Kunst ist ein lebenslanger Weg“

Die Künstlerin Leiko Ikemura im Gespräch

Mit wie vielen Galeristen arbeiten Sie derzeit zusammen?

Also, ich würde sagen, sechs, sieben, je nach Lage und Situation der Nachfrage.

 

In wie vielen Ländern?

Meist in Deutschland. Schweiz. Frankreich. Italien. Ich hatte auch mal Galerieausstellungen in Dänemark, Belgien, Holland. Japan natürlich, Amerika ist noch offen. Diese Internationalität ist ein großer Wunsch von mir.

 

Wie lang ist Ihr längstes Galerieverhältnis?

Mit der Galerie Karsten Greve in Köln, Paris und St. Moritz bin ich schon über 30 Jahre verbunden. Andere Zusammenarbeiten dauern meistens lange, oft mehrere Jahre.

 

Das klingt spannend und dynamisch. Und wie viele Ihrer Sammler kennen Sie?

Ich bin da eher zurückhaltend, weil ich diese Arbeiten den Galeristen überlasse. Aber es entstehen immer wieder tolle Freundschaften über die Jahre – vor allem im Rheinland. Dort sind die Menschen sehr, ich sage mal, warmherzig – sie sind Genussmenschen. Sie leben mit der Kunst und laden Künstler ein. Dieses lebendige Gespräch, das mag ich schon sehr.

 

Wie hat sich in Ihrer Wahrnehmung der Kunstmarkt seit den 1980er Jahren entwickelt?

Enorm. In den 1980er Jahren war der Kunstmarkt noch so jungfräulich. An sich ist dieser Markt ja schon uralt, aber in den 1980er Jahren hat sich eine Art neue Landschaft eröffnet, das Bürgertum war nicht mehr so dominant. Jeder Interessierte konnte im Prinzip mitmachen. Es entwickelte sich eine spezielle Atmosphäre, offen und lebendig. Künstler wurden Teil der gesellschaftlichen Struktur. Ende der 1980er Jahre kam dann eine eher postmoderne Atmosphäre von „Anything Goes“ auf. Und immer mal wieder gab es Finanzkrisen.

Also, ich habe mindestens dreimal so ein Auf und Ab erlebt. Insbesondere für Künstler ist dies schwer zu überleben. Ja, und derzeit ist der Kunstmarkt zwar aktiv, aber zu viele kaufen mit den Ohren und nicht mit dem Herzen. Es ist ein bisschen kalt geworden. In den 1980er Jahren war zwar auch das Geld ein aktiver Motor, aber es gab mehr Wärme und Prinzipien des Zusammenkommens.

 

Haben Sie grundsätzlich das Gefühl, dass Frauen eine andere Rolle als Künstlerinnen und entsprechend auf dem Kunstmarkt spielen?

Das ist eine sehr heikle Frage – immer wieder gestellt, immer wieder schwer zu beantworten. Ja, Frauen haben es schwerer, aber das ist auch generationenabhängig. In den 1970er Jahren war Feminismus fast ein „Must“. Die damaligen Künstlerinnen haben Pionierarbeiten gemacht, die Wege geebnet und sehr viel Hohn bekommen. Meine Generation stand ein bisschen besser da, aber noch immer ohne Kooperation zwischen den Geschlechtern. Für mich als Professorin war es deshalb wichtig, dass ich den Studentinnen Selbstbewusstsein vermittle, mehr an sich zu glauben und an den eigenen Zweifeln nicht kaputtzugehen. Auch ich kenne das bei mir, aber ich kämpfe dagegen und versuche es nicht immer zu thematisieren, nach dem Motto: Ach, die Gesellschaft ist schlecht und die Männer sind blöd, sondern lieber: Was kann ich da machen?

 

Haben Sie es als besondere Auszeichnung empfunden, mit 40 eine Professur angeboten zu bekommen? Damals waren ja noch sehr wenige Frauen als Lehrende tätig.

Tatsächlich war es sehr hart. Beinahe sollte es sogar verhindert werden. Ich war die erste ausländische Professorin für die Männerdomäne Malerei und sehr, sehr jung. Lange hat es gedauert, bis meine Haltung akzeptiert wurde. Ich musste sehr kämpfen, denn ich musste neben der Lehre ja auch noch meine eigene Arbeit vorantreiben. Das war das wichtigste Ziel.

 

Haben Sie Wünsche an die Zukunft, vielleicht auch in Hinsicht auf den Kunstmarkt?

Ich wünschte, dass die Kunst in der Gesellschaft eine andere Wertigkeit hätte. Die Kunstmarktobrigkeit und -hörigkeit finde ich einseitig und übertrieben. Natürlich ist der Markt ein wichtiger Faktor, aber nicht das einzige Kriterium für Wertigkeit. Weniger dotierte und bekannte Künstler sollten mehr Aufmerksamkeit bekommen – einfach für deren Qualität. Natürlich ist die Qualitätsfrage sehr schwierig, weil sie immer subjektiv ist und mit der eigenen Weltanschauung zu tun hat. Wichtig wäre mir, dass auch Performances und interdisziplinäre Gattungen mehr honoriert werden. Ich finde, die Arbeit von Kunstvereinen und Kunst-Biennalen einerseits und der Kunstmarkt andererseits driften oft zu stark auseinander. Sie sollten aber nicht gespalten sein und die Künstler viel autonomer werden. Das ist der Punkt. Die Kunstmarktgläubigkeit hat die Künstlerinnen und Künstler stark dividiert. Wir alle sind irgendwie Einzelkämpfer, wenn man ganz ehrlich ist. Und das finde ich sehr schade.

 

Gibt es gar keine Lichtblicke?

Doch, neulich hat mich ein junger Künstler gefragt, ob ich bei einer von ihm kuratierten Ausstellung teilnehmen möchte. Es müsse kein Werk, sondern könne auch ein Prozess sein. Das finde ich total schön. Solche kollegialen Aktivitäten, die inhaltlich motiviert sind, mit dem Leben und der Suche zu tun haben. Die braucht es unter Künstlern.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.

Leiko Ikemura & Cornelie Kunkat
Leiko Ikemura ist Künstlerin. Cornelie Kunkat ist Referentin für Frauen in Kultur und Medien beim Deutschen Kulturrat.
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