Mein letzter Besuch im Museum Brandhorst liegt leider schon ein paar Jahre zurück. Aber das hat dem eindrücklichen Bild des eigens für die Werke von Cy Twombly konzipierten Raumes in meiner Erinnerung keinen Abbruch getan. Was macht die Kunstsammlung von Anette und Udo Brandhorst über dieses Highlight hinaus noch aus?
Neben Cy Twombly sind natürlich die Werke von Andy Warhol Highlights der Sammlung. Von beiden Künstlern haben wir mit Abstand die umfangreichsten Bestände in ganz Europa. Anette und Udo Brandhorst haben seit den frühen 1970er Jahren immer zeitgenössisch gesammelt haben. Das ist eine Tradition, die wir auch heute konsequent fortsetzen. Deshalb sind wir in der glücklichen Situation, dass wir Hauptwerke der Kunstentwicklung seit den 1960er Jahren bei uns haben: von Pop-Art, Minimal Art, Arte Povera; von Sigmar Polke über Louise Lawler, Cady Noland, Damian Hirst bis hin zu aktuellen Positionen wie Charline von Heyl, Monika Baer oder Lucy McKenzie, die gerade eine beeindruckende Ausstellung im Museum Brandhorst hat.
Aber wie die meisten Museen in Europa und in den USA – da sind wir kein Einzelfall – haben wir eine westlich geprägte Sammlung, die im Zuge der Globalisierung und zunehmenden Diversität unserer Gesellschaft jetzt in Frage steht. Zu Recht wird der kunstgeschichtliche Kanon, mit dem wir seit Jahrzehnten arbeiten, auf allen Ebenen durchleuchtet. Wir müssen uns diesen Fragen stellen. Das wird den Kanon nicht zerstören. Aber ich bin überzeugt, dass derzeit ein neues Kapitel in der Sammlungs- und Institutionsgeschichte von Museen aufgeschlagen wird.
Wie gehen Sie bei der weiteren Diversifizierung der Sammlung vor?
Wir stehen am Anfang einer Entwicklung. Wir üben Selbstkritik, hören zu und versuchen, neue Perspektiven einzunehmen. Die Situation fühlt sich gerade überwältigend an, weil man ja nicht gleichzeitig in alle Richtungen gehen kann. Ausgehend von unseren Beständen werden wir Cluster bilden und neue Wege finden.
Intensiv ist auch Ihr Austausch mit Udo Brandhorst. Können Sie einen Einblick geben, wie die Zusammenarbeit zwischen Ihnen als Museumsdirektor und Udo Brandhorst als Sammler aussieht?
Es ist eine wunderbare Konstellation. Ich bin immer wieder erstaunt, wie neugierig und begeisterungsfähig Udo Brandhorst mit 82 Jahren ist. Wir tauschen uns ständig aus, diskutieren Ankäufe auch mit dem Team von Kuratorinnen und Kuratoren des Museums Brandhorst. Wir unternehmen, natürlich gerade unterbrochen durch Corona, gemeinsame Reisen, besuchen Künstlerinnen und Künstler. Das ist der Fun Part des Jobs als Museumsdirektor.
Was war der letzte Neuankauf?
Vor Kurzem haben wir eine tolle, historische Inkunabel von Richard Artschwager von 1964 angekauft. Das ist wirklich eine Besonderheit, denn nur in seltenen Fällen sammeln wir zurück in die vergangenen Jahrzehnte. Außerdem haben wir auch ein Bild von Thomas Eggerer erworben. Es ist ein Wimmelbild mit lauter Protestierenden, die einem Protestzug bilden und durch das Bild von oben nach unten hindurchlaufen. Das Bild ist interessanterweise kurz vor Corona und den Black-Lives-Matter-Demonstrationen entstanden – und gerade deshalb so hochaktuell.
Das Museum Brandhorst ist kein Privatmuseum, sondern Teil der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Welche Besonderheiten bringt dies mit sich: privater Sammler – öffentliches Museum?
Udo und Anette Brandhorst haben schon 1993 eine Stiftung gegründet. Diese Entscheidung war ein Signal dafür, dass sie ihre Privatsammlung institutionalisieren wollten. Gleich danach begannen die ersten Gespräche mit verschiedenen Museen in unterschiedlichen Städten. München hat am Ende das Rennen gemacht. Die gemeinnützige Stiftung hat 1999 einen Kooperationsvertrag mit dem Freistaat Bayern unterzeichnet, mit dem Inhalt, dass der Staat das Museum baut und unterhält und dafür in einem unbegrenzten Dauerleihvertrag die Sammlung Brandhorst an München gebunden wird. Das Tolle daran ist, dass die Stiftung über ein Stiftungsvermögen verfügt, aus dem Neuankäufe getätigt werden. So ist das Museum Brandhorst ein noch im Entstehen begriffenes Museum – und, wenn man so will, die am schnellsten wachsende öffentliche Sammlung in Deutschland.
Vielen Dank.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.