Der Kunstmarkt, die Galerien und ihr Verband

Rolle und Aufgaben des Bundesverbandes Deutscher Galerien

Der Bundesverband Deutscher Galerien (BVDG) wurde in Köln gegründet – in einer Stadt, die sich mit ihrer Region durch eine große Tradition privaten Kunstsammelns auszeichnet. Dieses breite Interesse an der bildenden Kunst hatte seit den 1960er Jahren dazu geführt, dass sich in der Domstadt viele Galerien ansiedelten, die weit über die Landesgrenzen hinaus Kontakte zur Kunstszene pflegten. Vor allem nach Belgien, Frankreich und in die USA. Die Pop Art und auch die Concept Art der 1970er Jahre haben sich wesentlich durch die Kölner – und Düsseldorfer! – Galerien etabliert.

 

Köln profitierte von dem überragenden Sammler Peter Ludwig und von einer Kommunalpolitik, die einen ausgeprägten Sinn für die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung des Kunstmarktes hatte. Im produktiven Wechselspiel von Galeristen, Museumsleuten, Sammlern und Kulturpolitik bildete sich ein Humus, auf dem schließlich die allererste Kunstmesse gedeihen konnte. Die 1967 von Kölner Galeristen gegründete, heute Art Cologne genannte Veranstaltung, spielte mit ihrer turbulenten Geschichte eine zentrale Rolle in der Entwicklung des deutschen Kunstmarktes und verhalf ihm zu internationalem Ansehen. Aus dem Umfeld der Messeteilnehmer kam 1976 auch der Anstoß zur Gründung einer bundesweiten Galerien-Vereinigung.

 

Vieles hat sich seither geändert. Mit dem Entstehen von Kunstmessen rund um den Globus behielt die Art Cologne zwar ihre Bedeutung, nicht aber ihr Alleinstellungsmerkmal. Der BVDG zog sich als ideeller Träger immer stärker aus dem Messegeschehen zurück und nach der Jahrtausendwende entstand die Idee, den BVDG nach Berlin zu verlegen. 2010 war es schließlich so weit. Neben der längst in Berlin ansässigen Bundespolitik tat der Drift rheinischer Galerien in die Stadt an der Spree sein Übriges. Der BVDG wandelte sich von einem Messeverein zu einer wirklichen Interessenvertretung. Dazu gehörte 2012 auch die Integration des verbandsheimatlosen Kunsthandels.

 

Der Kunsthändler hegt und pflegt Kulturgüter nachhaltig über Jahrhunderte und bringt sie immer wieder in den Kreislauf. Der Sekundärmarkt bildet den einen Teil des Kunstmarktes ab, die andere Seite ist der zeitgenössische Primär- bzw. Galerienmarkt; mitunter gibt es fließende Übergänge. Mit der Aufnahme der Kunsthändler – auch in die Verbandsbezeichnung – stand der BVDG ein paar Jahre später an der Front der Kritiker des Kulturgutschutzgesetzes. Damit schränkte Deutschland den freien Warenverkehr für den Kunsthandel innerhalb der EU massiv ein, überzog ihn mit erdrückender Bürokratie und unterstellte abstruse Verstrickungen in den Raubkunsthandel.

 

Die Verbindung des BVDG zu Köln besteht bis heute. Für die Art Cologne organisieren wir z. B. ein sehr effizientes Künstlerförderprogramm sowie einen renommierten Preis für Kunstvermittlung. Im Corona-Jahr saßen die ausgewählten jungen Künstler erstmals auf dem Trocknen und der fabelhafte Sammler Wilhelm Schürmann erhielt den Preis nur virtuell.

Wir kooperieren außerdem mit der Kölner Industrie- und Handelskammer, wo der jährliche „Praxistag für Galerien“ stattfindet. Wir greifen dabei auf unser breites Netzwerk aus Experten, Praktikern und Juristen zurück, die hier über Essentials zur Logistik, Digitalisierung, Kunstbewertung, Versicherung, Künstlersozialabgabe, Steuern und Urheberrecht etc. referieren. Erkenntnisse aus dieser und weiteren Veranstaltungen steigern das Know-how der Galerien und ihres Verbandes, der all diese Themen in seiner Öffentlichkeitsarbeit vermittelt. Unsere Webseite hält viele Informationen bereit und ist mit ihrem Stellenmarkt, der mittlerweile auch von Institutionen und großen Künstlerateliers zur Mitarbeitersuche genutzt wird, ein echter Renner.

 

Mit dem Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (ZADIK) hat der BVDG 1992 eine Institution gegründet, in der Nachlässe von Galerien, Kunstkritikern und Sammlern erforscht, archiviert und zugänglich gemacht werden. Trotz der Debatten um Erinnerungskultur und Restitution wurde die Bedeutung dieses weltweit einzigartigen Spezialarchivs zur Kunstmarktgeschichte kulturpolitisch weitgehend ignoriert und war über Jahrzehnte chronisch unterfinanziert. Glücklicherweise wurde das ZADIK in diesem Jahr als Forschungsarchiv von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln übernommen. Damit ist seine Zukunft gesichert.

 

Als pragmatische Idealisten sind Galerien die Partner und Gatekeeper für ihre Künstler. Beide gehen in Vorleistung: Künstler schaffen die Werke, die Essenz, die vermittelt werden will. Galerien bieten Ausstellungsräume und Netzwerke, Kontext und Infrastruktur, Öffentlichkeit und Finanzierung. Sie stehen oftmals ganz am Anfang eines langwierigen Prozesses, um ihren Künstlern Anerkennung und Geltung zu verschaffen. Dabei sind alle Anstrengungen vom Vertrauen in das Potenzial der Künstler getragen. Nur dieser Schulterschluss ermöglicht langfristig Anerkennung und wirtschaftlichen Erfolg für beide Seiten. Keine Galerie ohne Künstler, kein Künstler ohne Galerie.

In der Pandemie erhalten Galerien erstmals eine Bundesförderung. 16 Millionen Euro sind im Rahmen von NEUSTART KULTUR für Ausstellungsprojekte mit zeitgenössischen Künstlern vorgesehen. Steilvorlage war ein Konzept des BVDG und seiner Mitstreiter. Die Buch- und Verlagsbranche und insbesondere die deutsche Filmindustrie kommen schon seit Jahren in den Genuss erheblicher Geldsegen aus dem Etat der Beauftragten für Kultur und Medien. Für den Galerienmarkt gibt es also viel Luft nach oben.

 

Das Förderprogramm erlöst die Galerien jedoch nicht von einer Vielzahl gesetzlicher Rahmenbedingungen, die ihr Gedeihen seit Jahren beeinträchtigen. An vorderster Stelle steht das eklatante Missverhältnis der Umsatzbesteuerung von Verkäufen durch den Künstler einerseits (ermäßigt: 7 %) und den Galeristen andererseits (nicht ermäßigt: 19 %). Entgegen einer eindeutigen Aussage in ihrem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung dieses Problem bislang nicht behoben.

 

Weil sie zum Einzelhandel zählen, bleiben Galerien im „Lockdown Vol. 2“ weiterhin geöffnet. Die Präsentationsform einer Ausstellung in meist großzügigen Räumen rückt Galerien in die Nähe von Kunstvereinen und Museen, die in diesem Herbst fatalerweise schließen mussten – obwohl Distanz zum Habitus eines jeden Ausstellerbesuchers schon lange vor Corona gehört. Ausstellungen zu planen, ist keine Ad-hoc-Angelegenheit, sondern ein komplexes Unterfangen, in dem viele Rädchen ineinanderspielen. Aus dem Shutdown im Frühjahr war zu lernen, dass ein Reset ungleich schwieriger ist als das Dichtmachen – das gilt für Restaurants, Sportvereine, Bühnen und eben auch für Kunstinstitutionen.

 

Wenigstens in Galerien können bildende Künstler also weiterhin ausstellen – sofern sie eine haben. Nur ein Bruchteil von ihnen kann sinnvoll von Galerien vertreten werden. Denn Galerien haben kein Sortiment, sondern ein Programm. Der Cut der Ausstellungsmöglichkeiten in Institutionen und auf Kunstmessen hat ein Vakuum hinterlassen, das zwar durch virtuelle Formate wie Viewing Rooms kreativ gefüllt, aber nicht wirklich ersetzt werden kann. Kultur entfaltet ihre Bindungskraft wesentlich in physisch erlebbaren Räumen und durch die hier stattfindende (in)direkte Kommunikation. Kunstmessen sind für den Markt deshalb wichtig, weil Galerien hier – mit hohem finanziellem und persönlichem Einsatz – neue Kontakte zu Kunstinteressenten knüpfen können.

 

Der Sensationshunger der Medien auf Millionenverkäufe, die im deutschen Kunstmarkt eine Ausnahme sind, ist in Corona-Zeiten der Frage nach Insolvenzen gewichen. Glücklicherweise gibt es pandemiebedingt – noch – keine. Wir wünschen uns, dass die Medien und die Politik genauer hinschauen und nicht stets repetieren, was sie über diesen diffizilen Markt zu wissen glauben. Schluss mit den Projektionen, die so viel Schaden angerichtet haben, zuletzt die beispiellose Unterstellung der Anfälligkeit des Kunstmarktes für illegale Transaktionen im neuen Geldwäschegesetz.

 

Das Gegenbild zum Kunstmarkt ist das Museum. Dort ist die Kunst dem Markt entzogen. Aber es gibt kaum ein Werk in einem Museum, das nicht über den Markt dorthin gelangt ist. Auch das interesselose Wohlgefallen der Kunstbetrachtung im Museum bedeutet nicht, dass es außerhalb der Ökonomie steht. Denn jedes Museum in einer zivilen Gesellschaft verdankt sich und seinen Etat der Tatsache, dass es Steuerzahler gibt, die im Wirtschaftsleben eingebunden sind. Gerade die Pandemie hat drastisch vor Augen geführt, dass eine funktionierende Ökonomie die Voraussetzung für das soziale und kulturelle Leben ist.

 

Die größte Ehrerbietung, die man einem Kunstwerk erweisen kann, ist, mit ihm leben zu wollen, es zu kaufen. Aber in Deutschland herrscht traditionell eine diffuse Abwehr gegenüber der Kombination von Kunst und Kommerz. So gilt der Galerist stets als Gewinner, der Künstler per se als schutzbedürftig. Diese Dichotomie hat dazu geführt, dass Regelungen im Urheber- und Sozialrecht und insbesondere im Steuerrecht stets zulasten des Kunstmarktes gehen. Die Kulturpolitik hat bislang keine Anstalten unternommen, die Rahmenbedingungen des deutschen Kunstmarktes zu verbessern. Das sollte sich ändern. Wir lassen nicht locker.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.

Kristian Jarmuschek und Birgit Maria Sturm
Kristian Jarmuschek ist Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler. Birgit Maria Sturm ist Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler.
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