Einigkeit

Der Deutsche Computerspielpreis 2018

Ein Fördersystem wie in Kanada bräuchte es, um diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Und tatsächlich reift die Hoffnung – nicht zuletzt wegen des noch jungen Koalitionsvertrages –, dass ein ähnliches Fördersystem bald in Deutschland installiert werden könnte. So ist auf Seite 18 dieses Vertrages zwischen Union und SPD von der „Einführung von Games-Förderung auf international wettbewerbsfähigem Niveau“ die Rede, auf Seite 44 dann detaillierter von einem „level playing field (…), um den Entwicklerstandort Deutschland zu stärken und international wettbewerbsfähig zu machen“. Die Erwähnung einer solchen Förderung im Koalitionsvertrag gab und gibt der Branche – auch am Abend der Preisverleihung – Rückenwind.

 

Was aus dieser Förderung schlussendlich wird, muss sich zeigen, doch das Signal ist klar. Der Preis nahm in diesem Jahr den Ball auf und spielte ihn weiter. So ist die Auszeichnung von „Witch It!“ vor allem auch als Signal zu verstehen. Der Kampf um die Anerkennung der Computerspiele in Deutschland scheint zumindest vorläufig gewonnen. Jetzt kann der Blick auf die Märkte dieser Welt gerichtet werden. Und „Witch It!“ soll nun zeigen: „Wir können da mithalten!“

 

Ob diese Selbsteinschätzung auch der Realität entspricht, muss zumindest zum jetzigen Zeitpunkt bezweifelt werden. „Shadow Tactics: Blades of the Shogun“, dessen Entwickler den Preis im letzten Jahr ablehnten, ist sicherlich ein Spiel von internationalem Format. „Witch It!“ ist möglicherweise noch nicht so weit, doch ist die Entwicklung dieses Spiels auch noch nicht abgeschlossen. Zumindest begibt sich „Witch It!“ als Multiplayerspiel auf für deutsche Entwicklerinnen und Entwickler eher ungewohntes Terrain und ist wohl auch gerade deshalb als Bestes Deutsches Spiel ausgezeichnet worden.

 

Dem breiten Publikum bleiben die – von mir vermuteten – Nuancen dieser Auszeichnung im Kontext allgemeiner Aufbruchstimmung verborgen. Viele sprechen Produktionen wie „Witch It!“ ab, ein ernsthaftes Spiel zu sein, nur weil da am Horizont irgendwo ein Milliardenprojekt wie „Overwatch“ steht. Diese Einschätzung ist natürlich absolut verfehlt, doch könnten die Jurys des Computerspielpreises gewiss mehr dafür tun, ihre Entscheidungen verständlicher zu machen, indem sie beispielsweise ganz besonderen Wert auf aussagekräftige Begründungstexte legen. Der Computerspielpreis fühlt sich seit jeher und auch in diesem Jahr wie ein Preis der Branche für die Branche an, bei dem Spielerinnen und Spieler nur zugucken dürfen. Natürlich ist der Preis auch als Förderpreis für die Branche angelegt, doch Akzeptanzprobleme in der breiten Öffentlichkeit bleiben auch bei dieser zehnten Verleihung bestehen und müssen angegangen werden.

 

Dabei haben genau diese kritischen Spielerinnen und Spieler in diesem Jahr auch erstmals ein deutsches Spiel mit dem Publikumspreis ausgezeichnet: das von Piranha Bytes entwickelte „Elex“. Es gibt also gewiss keine unüberwindbare Feindschaft zwischen den Spieler­innen und Spielern in diesem Land, die zu den Milliardenumsätzen beitragen, und den Entwicklerinnen und Entwicklern. Die Spiele werden gespielt und Qualität wird – siehe „Elex“ – durchaus auch wertgeschätzt. Vielfach gehen vielversprechende Spiele aus Deutschland aber an dieser Zielgruppe vorbei, die dann beim Computerspielpreis nur ungläubig vor dem Livestream sitzt. Es geht also auch darum, Vorurteile gegenüber deutschen Produktionen abzubauen und die Stärken der Spiele transparenter zu machen. Dazu kann und muss der Computerspielpreis beitragen.

 

Der Kampf um die politische Führungsriege dieses Landes mag vielleicht gewonnen sein, jetzt gilt es, die Millionen Menschen zu überzeugen, die in Deutschland spielen. Dann glaubt nicht nur die Branche selbst daran, dass deutsche Entwicklerstudios zu Global Playern werden können, sondern bald vielleicht auch das ganze Land.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2018.

Felix Zimmermann
Felix Zimmermann promoviert in Köln zu Atmosphären im Computerspiel.
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