Theater spielen mit Kopf, Herz und Hand – vom Display war bisher nicht die Rede!

Das Digitale in der Ausbildung von Theaterlehrkräften

Die Berliner sind seit September 2016 in der glücklichen Lage, das Weiterbildungszentrum Studienzentrum für Erziehung, pädagogisches Personal und Schule (StEPS) zur Verfügung zu haben mit neuesten technischen Möglichkeiten (interaktive Whiteboards, PC, Dokumentenkamera, Beamer, Audiozugänge, Leinwand, Internet usw.). Sabine Kündiger, Koordinatorin der berufsbegleitenden Weiterbildungslehrgänge Theater/Darstellendes Spiel in der Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Familie berichtet, dass viele ihrer Teilnehmenden diese Geräte nutzen, sofern die Möglichkeiten dort vorhanden sind. Daher befinde sich die Nutzung digitaler Medien seit September 2017 (?) ganz offiziell im Berliner Weiterbildungs-Programm und werde in der Ausschreibung für die kommenden Lehrgänge in allen Modulen festgeschrieben. Die Bedeutung für den Theaterunterricht bestehe ja allein schon in der Tatsache, dass durch die Nutzung digitaler Medien die soziokulturelle Kompetenz, die kulturelle Teilhabe der jungen Menschen erweitert wird. Blogs, Youtube, soziale Plattformen, Netzwerke sind schnell zugänglich, ein breites Angebot an Bild- und Videomaterial kann so den Theaterunterricht unterstützen. Aber auch sie betont, dass diese Möglichkeiten keinesfalls die praktischen Erfahrungen ersetzen können, die in den klassischen Workshops gemacht werden. Kein Ausbildungsteil werde durch digitale Medien ersetzt, sondern eher durch sie erweitert. Die Präsenz digitaler Kommunikation in den Schülergruppen ist selbst häufig Bestandteil von Projektarbeit und wird in dieser Hinsicht didaktisch, methodisch und ästhetisch von allen Beteiligten ausgeleuchtet und in Aufführungen künstlerisch gestaltet.

 

Weitere neue Impulse für den Studiengang Darstellendes Spiel könnten vom neuen Lehrstuhlinhaber für Pädagogik an der Universität Nürnberg-Erlangen, Prof. Benjamin Jörissen ausgehen, dessen Forschungsschwerpunkt digital-kulturelle Transformationsdynamiken sind. Der Leiter des Studiengangs Theater/DS, Dr. Leopold Klepacki, weist auf Überlegungen hin, diesen Studiengang künftig stärker als einen Ort der performativen Kulturreflexion zu konzipieren, d.h. Theater als eine kulturell-ästhetische Artikulationsform zu behandeln, die es Schulen ermöglichen soll, sich in Theaterprojekten mit kulturellen Transformationsdynamiken wie Globalisierung, Transkulturalisierung und Digitalisierung auseinanderzusetzen. Zum Beispiel soll der Studiengang die Relation zwischen Mensch und technischem Medium wie etwa die kulturelle Praktik von Selfies und Schnittstellen zwischen Mensch und Technik thematisieren und auch auf ihre ästhetischen Potenziale hin performativ befragen. In Erlangen wird auch nicht ausgeschlossen, Vorbereitungskurse auf das theoretische Staatsexamen zukünftig als blended-learning-Angebote zu konzipieren. Dies habe den Vorteil, dass die berufstätigen Lehrkräfte, die den Studiengang absolvieren, die Inhalte individualisierter und räumlich und zeitlich flexibler bearbeiten können.

 

Es könnte eine Aufgabe des Bundesverbandes Theater in Schulen sein, neue Impulse zum Thema Digitalisierung zu geben. Ein starker Impuls könnte von einem „Schultheater der Länder“ ausgehen. Dies ist das jährliche bundesweite Festival, in dem Schultheatergruppen aus allen Bundesländern Stücke zu einem Thema präsentieren und zur Diskussion stellen, begleitet von einer Fachtagung, die Theaterlehrkräfte aus ganz Deutschland anzieht. Das aktuelle Festival hat das Thema „Theater.Film“, es gab bereits ein Festival „Theater und Neue Medien“, eines zum Thema Digitalisierung könnte vielleicht „Digitale Welten“ heißen, wie der Ausbilder Maximilian Weig aus dem Vorstand des BVTS vorschlägt, denn das Phänomen der Digitalisierung berühre nicht nur den Einsatz von Videoprojektionen im Theater. Eine viel größere Rolle spielen der gesamte Bereich der Sozialen Medien, die Art (dort) zu kommunizieren, Youtube, Instagram etc., und natürlich auch der Gaming-Bereich. Sicherlich wird es im Schultheater vorwiegend um eine theatrale Reflexion (post-) digitaler Kulturen gehen, aber nicht darum, theatrale Kommunikation grundsätzlich zu ändern: Menschen spielen/handeln vor und für zuschauend Menschen. Dabei betrachten die meisten Lehrerinnen und Lehrer, die sich im Theaterunterricht in besonderer Weise auf ihre Schülerinnen und Schüler einlassen, die digitale Kommunikation zunächst einmal als eine etablierte Normalform von Kommunikation, die in einem hohen Maße kommunikative Praktiken und kommunikative Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen strukturiert und formt. Die Theaterlehrkraftausbildung orientiert sich also weiterhin am Grundsatz: Theater findet auf der Bühne statt – egal welcher konkrete Raum zum Theaterraum gemacht wird – und nicht auf der Leinwand oder im Display!

 

Weitere Informationen

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im Juli 2017.

Joachim Reiss
Joachim Reiss ist ehemaliger Vorsitzender des Bundesverbandes Theater in Schulen (BVTS), Stellvertretender Sprecher des Rats für darstellende Kunst und Tanz im Sprecherrat des Deutschen Kulturrates und Mitglied im Fachausschuss Bildung des Deutschen Kulturrates.
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