Potenziale eines kreativen Umgangs mit Computerspielen

Auf diesen beschriebenen Grundlagen, in denen schon Ansätze der Vermittlung beschrieben sind, bauen alle Vermittlungsprojekte der Initiative Creative Gaming auf. Zentral ist dabei, dass hier mit einem Medium gearbeitet wird, welches in seinen Erzählformen und Genres schon sehr bekannt ist. Angewendet werden die Grundsätze in Projekten (das können Tagesworkshops, Probierworkshops, Projektwochen, Neigungskurse, offene Werkstätten sein) und im Unterricht. Hierzu im Folgenden einige weiterführende Beispiele:

 

Theater – das Game auf die Bühne
Digitale Spiele setzen sich aus Spielerinnen und Spielern, Spielfiguren und Welten zusammen, so auch das Theater. Die Übertragung von Helden und Genres eines Games in ein neues Medium ist ein spannendes Experiment, mit dem sich viele Geschichten erzählen lassen. Zugleich lassen sich für die Darstellerinnen und Darsteller und jugendlichen Theaterschaffenden neue Perspektiven auf digitale Spiele sichtbar machen.

 

Fotografie – unentdeckte Welten
In der Fotografie geht es um die Objekte, die Geschichten, die mit einem Bild erzählt werden. Auch in digitalen Spielen finden sich Bilder, die oft „überspielt“ werden und am Rande der Spielhandlung liegen bleiben. Schöne Landschaften, erschreckende Fratzen, ungewöhnliche Bauten. All das würden wir bei einem Ausflug oder einer Reise fotografieren, warum nicht auch in einem Game. Daran anschließen lassen sich Bildbeschreibungen oder -interpretationen, mit denen auch an den Inhalten eines Spiels gearbeitet wird.

 

Streetgame – die Komplexität
Auf der Straße, einer Wiese oder im Wald zu spielen, verbinden wir meist mit Kindheit und Freiheit. Auch in den Spielen der Kindheit gibt es ein Regelwerk, welches entweder vorher feststeht oder im Spiel erst entwickelt wird. Im Regelwerk ähnlich sind sich Straßenspiele und digitale Spiele (Verstecken, Jagen, Suchen…). Die Übertragung von Spielmechanismen aus der digitalen in die analoge Welt, oder die Idee für ein digitales Spiel zunächst mit Menschen auf der Straße nachzuspielen ist der Hintergrund von Streetgames. Besonders interessant sind dabei die Prozesse, die komplexen Regeln von Gewinn und Verlust zu verhandeln und zu verstehen.

 

Gamedesign digital
Die technischen Möglichkeiten, kleine Spiele einfach und schnell am Computer umzusetzen, haben sich stetig erweitert. Mit den heutigen Tools können Spielideen ausprobiert und die Seite der Programmierung kennen gelernt werden. Regelwerk und Design sind hier zwei zentrale Elemente, die in Projekten immer wieder angesprochen werden können. Die Kreativität bei Jugendlichen in diesem Bereich ist sehr groß, die Bezugspunkte zu bekannten Spielen liegen oft auf der Hand.

 

Gamedesign analog
Ein digitales Spiel besteht meist aus einer funktionierenden Geschichte und ähnlich dem Drama verschiedenen Handlungslinien, die an Entscheidungspunkten miteinander verknüpft sind. Ein klassisches Drama in ein Game zu überführen, kann eine spannende Übertagung sein. Dazu sind keine Programmierkenntnisse nötig, die Wege und Entscheidungspunkte können mit Stift, Papier, Fäden, Kreide, Lego, usw. nachempfunden und neu interpretiert werden.

 

Machinimas – Das Game wird zum Studio
Wenn die digitalen Soldatinnen und Soldaten tanzen oder miteinander sprechen, wenn die SIMS-Figuren in Soaps auftauchen oder tausende Autos nebeneinander fahren, dann ist das ein Machinima. Filme, die die Figuren und Hintergründe von Games nutzen, sind eine gute Möglichkeit, sich mit Games, Stilmitteln und Macharten des Filmemachens auseinanderzusetzen und diese auszuprobieren.

 

Gamesbauen – Papppixel als Identifikation
Wenn Schülerinnen und Schüler ihre Lieblingsgegenstände oder -figuren nachbauen und sich damit in Szene setzen können, schafft dies eine unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Medium, aber natürlich auch mit Möglichkeiten, diese Dinge analog mit Holz, Farbe, Kleber herzustellen. Die Inszenierung mit den eigens produzierten Gegenständen bietet nachfolgend Anlass zu notwendigen Identifikationsprozessen in der Welt der Heranwachsenden.

 

Aus den hier kurz angerissenen Beispielen (ausgelassen wurden noch Formen wie die Produktion von Gamevideos oder Let’s Plays) aus der pädagogischen Arbeit sollte deutlich geworden sein, dass es zu den verschiedensten inhaltlichen und pädagogischen Bereichen in der kulturellen Bildung Anknüpfungspunkte gibt, die dazu führen, dass die Teilnehmenden einen Zugang vielleicht auch zu ihnen bis dahin nicht bekannten kulturellen Formen finden. Das Wissen und die Lust an der Gestaltung ist bei Jugendlichen im Zusammenhang mit digitalen Spielen sehr groß, das Potenzial, zugleich medienpädagogisch zu arbeiten, ist groß und die Ergebnisse oftmals auch für eine breitere Öffentlichkeit interessant. Beim Festival für kreatives Computerspielen PLAY werden in jedem Jahr Ergebnisse und praktische Beteiligungsmöglichkeiten in Ausstellungen, Theaterstücken, Workshops, Talks und Vorträgen in den Stadtraum gebracht. Ein Besuch lohnt sich, um die Methoden kennenzulernen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im März 2015.

Andreas Hedrich
Andreas Hedrich ist Vorstand bei der Initiative Creative Gaming e.V., Inhaber der Frische Medien GbR und Hochschullehrer an der Fakultät Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg.
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