Musikpädagogische Weiterbildung in der digitalen Gesellschaft

Zwischen Chancen und Risiken – Wie die Digitalisierung die Musikpädagogik verändert
Wer in der Weiterbildung selbst die Erfahrung macht, wie digitale Plattformen das Selbstlernen unterstützen, wird die Qualität des digitalen Lernens neu einschätzen – und vielleicht darüber Bedenken überwinden und persönliche Grenzen überschreiten können. Gerade in Bezug auf das inklusive Lernen birgt die Digitalisierung, die ermöglicht, dass jeder seinen und jede ihren Bedarf selbst steuern kann, große Chancen. Auch in struktureller Hinsicht: Digitalisierung hilft dabei, Grenzen zu überwinden, Communities zu bilden, gemeinsam an Projekten zu arbeiten, womöglich gar zu komponieren und zu musizieren, wo früher Hunderte von Kilometern überwunden werden mussten. Ein schönes Beispiel dafür, ist der Skype-Unterricht der Minifiddlers, „Virtual Colourstrings Lessons“. Das ist einer der klassischen Bereiche, in denen diese digital unterstützten Formate schon seit Jahren erfolgreich funktionieren. Eine grundlegende Voraussetzung für eine gute musikpädagogische Arbeit ist das Verständnis für die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Insofern werden Musikpädagoginnen und Musikpädagogen nicht umhinkommen, sich mit deren digitaler Kommunikation und Kompetenz auseinanderzusetzen. Einerseits um zu verstehen, was hier geschieht, andererseits, um eine genuin pädagogische Aufgabe zu erfüllen: die Jugendlichen im kompetenten Umgang mit Medien, mit ihren Chancen, aber auch Risiken zu unterstützen und sie zu einem eigenständigen kreativen, aber auch kritischen Umgang zu befähigen. In der Musikpädagogik geht es darum, Jugendliche mit Hilfe der Musik zu einer selbstbewussten und kritischen Haltung in der Gesellschaft zu befähigen. Diesen Prozess unterstützt die Weiterbildung.

 

Vom Lernen zum Konzept – Wie Digitalisierung zur Führungsaufgabe wird
Die Zeit der Medienbeauftragten ist vorbei. Das kann ein Fazit aus der Beobachtung sein, dass digitale Medien aus der musikpädagogischen Arbeit nicht mehr wegzudenken sind. Die Lebenswelt der Jugendlichen muss den Lehrenden präsent sein und sie muss selbstverständlich in den Schülerunterricht einfließen. Das bedeutet zum Beispiel für Musikschulen, dass sie ihre Konzeptionen ganz grundlegend unter diese Lupe legen müssen. Nicht einer oder eine im Team wird zuständig sein für den digitalen Umbau, alle müssen – in je eigener Weise – diesen Weg mitgehen.

 

Es wird auch zukünftig Kolleginnen und Kollegen in einem Team geben, die mehr oder eben weniger technikaffin sind. Es wird die Lehrenden geben, die mit ihrem Instrument, den Noten, einem analogen Stimmgerät und der Schülerin oder dem Schüler arbeiten. Aber auch sie müssen eine Ahnung davon haben, was möglich sein kann, was der Schülerin oder dem Schüler – digital unterstützt – das Üben zuhause erleichtern könnte. Wird Lernen als Dialog verstanden, dann ist es ein spannender Prozess mit und von den Digital Natives zu lernen. Das stellt nicht die Qualität der analogen Vermittlung in Frage, ganz im Gegenteil. Wir gewinnen in dieser notwendigen Auseinandersetzung eine noch klarere Vorstellung davon, was die besondere Qualität der Mensch-zu-Mensch-Beziehung und die konkrete Arbeit mit einem Instrument ausmachen.

 

Die Digitalisierung ist eine Zukunftsaufgabe von Musikschulen – und allen anderen Einrichtungen, die musikpädagogisch arbeiten. Erforderlich ist eine Konzeption, die die technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten vor Ort, Bedarfe und Bedürfnisse der Lernenden und der Lehrenden miteinander verzahnt. Von den Vorteilen der Vernetzung profitieren alle auch in organisatorischer Hinsicht, wenn das Unterrichts- und Kursmanagement digital verwaltet und Abläufe vereinfacht werden. Jede Einrichtung muss für sich diese Ausrichtung auf die Zukunft leisten.

 

Digitalisierung braucht Denkfabriken – Wie sich Weiterbildung in der Musikpädagogik weiterentwickelt
Musikpädagogik hat noch viel Aufholbedarf im digitalen Wandel. Weiterbildungseinrichtungen brauchen Mut, um Neues auszuprobieren und in neue Wege zu investieren. Dafür brauchen die Einrichtungen Freiräume, Dialogräume, die entsprechende Ausstattung und eine gute Fehlerkultur.
Der digitale Wandel verläuft so rasant, dass immer wieder auch Wege eingeschlagen werden, die sich als nicht zielführend erweisen werden. Und das bedeutet Mut auf vielen Seiten: Die Weiterbildungs-einrichtungen müssen mutig Angebote kreieren, die Neues wagen, aber auch auf Voreingenommen-heit und (technisches) Unverständnis eingehen. Mittelgeber müssen Investitionen in ein noch lebendiges, unklares Ziel zulassen und das Risiko mittragen, Wege zu ändern, wenn es notwendig scheint. Des Weiteren brauchen wir eine begleitende Forschung, wo die Musikpädagogik in diesem Feld grundsätzlich hingeht. Die Digitalisierung fordert die Weiterbildungseinrichtungen heraus – dazu die Perspektive zu wechseln, sich selbst in die Rolle der Lernenden zu begeben und sich immer wieder auch verunsichern zu lassen. Wir brauchen viele unterschiedliche Dialogpartner – die jungen Digital Natives gehören dazu.

 

Weitere Informationen

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im Juli 2017.

René Schuh
René Schuh ist Direktor der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen.
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