Musiklehrerausbildung in der digitalen Gesellschaft

Trotz dieser allgemein ernüchternden Gesamtlage, ist einiges in Bewegung. In der musikpädagogischen Lehrerinnen- und Lehrerausbildung zeigen einzelne Hochschulstandorte Entwicklungen auf, die neue Akzente setzen. Die folgenden drei Beispiele sind insofern besonders, da sich die Institutionen über einzelne Lehrangebote hinaus mit Digitalisierung und Mediatisierung in musikalisch-künstlerischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Dimensionen befassen.

 

Landeszentrum Musik-Design-Performance an der Hochschule für Musik Trossingen
Die kleine Musikhochschule auf der Baar im Süden Deutschlands erhielt 2016 von der Landesregierung in Baden-Württemberg die Möglichkeit, ein Landeszentrum „Musik-Design-Performance“ zu schaffen, das als Bindeglied zwischen Musiktradition und digitalisierter Welt fungieren soll. Die Hochschule setzt sich mit dem Landeszentrum bewusst das Ziel, für künstlerische Gestaltung in Komposition, Improvisation und Performance neue Räume zu schaffen und zugleich ein musikalisch-künstlerisches Erbe zu erhalten und fortzuschreiben. Dabei stehen Fragen nach den Veränderungen von Verhalten, Wahrnehmung, Kommunikation, Gestaltungsansätze und ästhetische Kategorien im Zuge der Mediatisierung und Digitalisierung im Zentrum. Künstlerische, pädagogische und wissenschaftliche Aspekte des Landeszentrums werden gemeinsam von insgesamt sechs neu eingerichteten Professuren in der Hochschullehre, Performance und Forschung be- und erarbeitet. Von den Veränderungen und neuen Möglichkeiten sollen nicht bestimmte Studierenden profitieren, sondern die Hochschule insgesamt. Für diese strategische Ausrichtung sind die Hochschule Furtwangen University (HFU), die Universität Konstanz, die Tongii Universität Shanghai sowie ein Netzwerk renommierter künstlerisch-medial agierender Institutionen wie das IRCAM in Paris, das ZKM in Karlsruhe und die Filmakademie BW in Ludwigsburg wichtige Partner der Hochschule. Die offizielle Eröffnung des Landeszentrums erfolgt Anfang Dezember 2017 in Trossingen.

 

Forschungsstelle Appmusik, MMM2017, App2music an der Universität der Künste Berlin
Als Institut für digitale Musiktechnologien in Forschung und Praxis ist die Forschungsstelle Appmusik (FAM) seit 2014 eine Einrichtung der Universität der Künste (UdK) Berlin. Zum einen widmet sich das Institut der musikalischen Praxis mit Apps auf mobilen Digitalgeräten wie Smartphones und Tablets und erforscht musikpädagogische sowie ästhetische Fragestellungen musikorientierten Handelns innerhalb diverser Kontexte. Die Gründer und Mitarbeiter verfolgen dabei das Ziel, durch Open Science gewonnene Erkenntnisse unmittelbar in Bildungsangebote zu überführen und umgekehrt diese für Erkenntnisse zu nutzen. Zum anderen bildet das Institut seit vielen Jahren eine zentrale Plattform für verschiedenste musikpraktische und musikpädagogische Projekte, wie beispielsweise »app2music – Appmusik-AGs an Berliner Schulen«, das Schülerinnen und Schülern in wöchentlichen AGs ermöglicht, mit Apps zu musizieren. Die internationale Fachtagung »Mobile Music in the Making 2017« (MMM2017) im Frühjahr 2017 verdeutlichte eindrücklich die regionale und internationale interdisziplinäre Vernetzung des Instituts und zugleich den enormen Entwicklungsbedarf im Bereich der Musiklehrerausbildung an Hochschulen und Universitäten.

 

Fachtagung und Lehre im Bereich Digitalisierung an der Hochschule für Musik Detmold
Bereits im Vorjahr war die Hochschule Treffpunkt für eine Tagung der Musikhochschulen zur Digitalisierung, die mit der Öffnung für alle Institutionen im Bereich der musikbezogenen Studien- und Ausbildungsgänge 2017 ihre Fortsetzung fand. Die Fachtagung für künstlerische Praxis und Wissenschaft zum Thema der Digitalisierung in der musikbezogenen Aus- und Weiterbildung ermöglichte Musik- und Medienpädagogen, Musikwissenschaftlerinnen und Musikwissenschaftlern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschiedener Musikhochschulen, Hochschulen und Universitäten einen intensiven Austausch über Projekte, Lehr- und Lernpraxen, Konzepte und Forschungsvorhaben. Die präsentierten und diskutierten Projekte oder Praxisbeispiele aus unterschiedlichen pädagogischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Bereichen, reichten von digitalen Musikvermittlungskonzepten über Potenztiale von Feedbacksystemen im Musikunterricht undbis zu interaktiven Gehörbildungsprogrammen bis zu Entwicklungen für orts- und zeitunabhängigere Gestaltungs- und Lernsituationen, in denen individuelle Lernvoraussetzungen stärker im Mittelpunkt stehen. Die Beiträge und Diskussionen zeigten ein weites Feld zukünftiger Lernumgebungen und weitreichende Veränderungen für zukünftiges Lehren und Lernen im Zeitalter der musikbezogenen Digitalisierung und Mediatisierung. Für die Hochschule für Musik Detmold war die Tagung Teil eines Entwicklungsprozesses, in dem neue digitale Angebote für Studierende, wie die DetmoldMusicTools, und die dafür erforderlichen Veränderungen in der Hochschule mit Beteiligten aus allen Bereichen diskutiert und verankert werden.

 

Chancen und Risiken der Musiklehrerausbildung in der digitalen Gesellschaft im Sinne neuer Möglichkeiten des musikbezogenen Gestaltens, Lernens, Unterrichtens und Forschens werden an solchen Beispielen deutlicher. Aber die Entwicklungen der Digitalisierung und die Erwartungen an digitale Medien in musikpädagogischen Kontexten für Praxis und Forschung fordern weiterhin intensive Diskussionen, erhebliche Investitionen in Lehrpersonal und Ausstattung sowie eine breite empirische Forschung und Entwicklung im Umfeld der großen Anzahl an künstlerischen und pädagogischen bzw. didaktischen Fragestellungen.

 

Weitere Informationen

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im Juli 2017.

Philipp Ahner
Philipp Ahner ist Professor für Musikpädagogik und Musikdidaktik im Kontext digitaler Medien an der Hochschule für Musik Trossingen.
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