Bei dem zu erwartenden Verlust von Handel und Gewerbe in Innenstädten, welcher durch Corona wohl noch beschleunigt wird, kommt der attraktiven Gestaltung des öffentlichen Raums eine verstärkte Bedeutung zu. Denn die Bürgerschaft einer Stadt will sich trotzdem mit der Innenstadt identifizieren und gern dort aufhalten. Landschaftsarchitektur kann durch Aufgreifen historischer und aktueller Bezüge unverwechselbare Orte schaffen, wie z. B. den Marienplatz in Görlitz, die dies ermöglichen und so zur Stadtkultur beitragen.
Mit der Ausdehnung der Städte und der Verarmung von monokulturellen Agrarlandschaften wuchs der Anspruch, Natur stärker in die Stadt zu integrieren. Inzwischen ist die Biodiversität in vielen Stadtbereichen größer als in der freien Landschaft. Mit animal-aided design werden Lebensräume gestalterisch in Grünflächen und Gebäude integriert, die die entsprechenden Arten unterstützen.
Auch die Begeisterung für Urban Gardening beruht auf dem Trend, früher Ländliches in die Stadt zu integrieren. Immer schon gab es Nutzgärten in der Stadt, die jedoch mit zunehmender Verdichtung weichen mussten. Als Gegenbewegung entstand Ende des 19. Jahrhunderts die Kleingartenbewegung, sicherlich die bedeutendste Form des städtischen Gärtners heute. Sie sollten die Nahrungspalette der Mietskasernenbewohner erweitern und für Bewegung im Freien sorgen. Über USA und England gelangten dann in den 2000er Jahren neue Formen des urbanen Gärtners in unsere Städte. Gemeinschaften verschiedener Art suchten sich Brachflächen und kultivierten sie, schufen so sozialen Zusammenhalt und führten zurück zur Gartenarbeit. Inzwischen werden sie auch in Parkanlagen eingefügt, wie z. B. im Park auf dem Gleisdreieck in Berlin, ebenso Kleingärten, wie auch bereits in den Rehbergen in den 1920er Jahren. So werden Kulturflächen im ursprünglichen Sinne des Wortes in städtische Räume integriert.
Das Gestalten mit und am Wasser leistet einen wertvollen Beitrag zum städtischen Leben, aber auch zum Schutz vor Hochwasser, Überschwemmungen, Trockenheit und zur Verbesserung des Mikroklimas. So schützt die linksrheinische Rheinuferpromenade in Köln vor Hochwasser – weswegen dort keine Bäume sein dürfen –, vor allem aber bietet sie eine gut gestaltete Bühne für städtisches Leben und eröffnet ein großartiges Panorama auf die Altstadt.
Die Schwammstadt ist das Motto für die Zukunft, eine Stadt, die Wasser aufnimmt und bei Bedarf wieder abgibt. Dach- und Fassadenbegrünung verlangsamen den Abfluss von Regenwasser bei heftigen Regenfällen, Regengärten speichern Wasser, geben es bei Trockenheit wieder ab, Rigolensysteme reichern das Grundwasser an. Das alles verbessert das Mikroklima und mildert die Folgen des Klimawandels. Man kann solche Einrichtungen technokratisch, aber auch ansprechend gestalten, ebenso wie andere ökologisch sinnvolle Maßnahmen, und sie so auch zu kulturell wertvollen Elementen der Stadt formen.
In Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen den Klimawandel zu gestalten, die blaugrüne Infrastruktur von Städten zu verbessern und auszubauen, die Städte trotz Verdichtung grüner zu machen, darüber aber die Nutzbarkeit und die Gestaltung nicht zu vernachlässigen – das ist die Herausforderung für die Landschaftsarchitektur in den kommenden Jahren. Hierfür zu werben und dabei zu unterstützen, darin sieht der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) eine wichtige Aufgabe. Seine Mitglieder sind hauptsächlich freischaffende Landschaftsarchitekten und -architektinnen, kommen aber auch aus der Verwaltung und anderen Bereichen.
Das Europäische Bauhaus hat sich zum Ziel gesetzt, die für den Klimawandel erforderlichen Nachhaltigkeitsprozesse kulturell hochstehend zu formen. „Den Klimawandel gestalten“ ist auch das Motto des bdla für die kommenden Jahre. Städtische Räume und städtisches Leben werden davon profitieren.
Es wird also viel Neues entstehen sowie Vorhandenes zu verbessern und zu erhalten sein. Dafür ist allerdings eine Trendumkehr bei der städtischen Grünpflege erforderlich. In den letzten Jahrzehnten war dieser Bereich das Sparschwein der Kommunen, obwohl die Grünflächen die am meisten und von den meisten genutzten öffentlichen (Kultur-)Einrichtungen der Städte sind. Gerade schien sich dies zu ändern. Doch steht zu befürchten, dass durch Corona-Folgen bedrängte Haushalte hier wieder sparen werden. Auch deshalb müssen die Kommunen dringend entlastet werden.
Wenn Grünflächen nicht gepflegt werden, verlieren sie drastisch an Benutzbarkeit, an Klimawirkung und an Qualität, somit an Wert. Bäumen gehen bei Trockenheit ein, frisch gepflanzte wachsen erst gar nicht an. Da kann man das Geld dafür dann auch gleich zum Fenster rauswerfen. Für städtische Lebensqualität und -kultur werden die Grünflächen immer unverzichtbarer, deswegen muss die Pflege gesichert werden. Wie schon Altmeister Peter Josef Lenné wusste: „Nichts gedeiht ohne Pflege, und die vortrefflichsten Dinge verlieren durch unzweckmäßige Behandlung ihren Wert.“
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2021.