Zwischen Lebenswirklichkeiten und Allmachtsfantasien

Die Staatssicherheit in Film und Fernsehen

Darstellungen der Staatssicherheit sind aus Filmen über die DDR nicht wegzudenken. Allzu schnell entsteht dabei aber das Bild eines scheinbar allmächtigen Geheimdienstes, das sich auf historische Aufarbeitung und Geschichtsvermittlung auswirken kann. Andreas Kötzing ist Herausgeber des Sammelbandes „Bilder der Allmacht. Die Staatssicherheit in Film und Fernsehen“. Theresa Brüheim spricht mit ihm über stereotype Darstellungen und differenzierte Alternativen.

 

Theresa Brüheim: Wenn man über die Darstellung der Staatssicherheit in Film und Fernsehen spricht, spricht man meist über den Film „Das Leben der Anderen“ von Florian Henckel von Donnersmarck. Es gibt natürlich noch viele andere Spielfilme, die die Staatssicherheit zeigen und thematisieren. Welche sind das, Herr Kötzing?
Andreas Kötzing: Tatsächlich hat die Staatssicherheit eine sehr lange filmische Tradition. Erste Filme gab es bereits in den frühen 1950er Jahren, kurz nachdem das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gegründet wurde, und die filmische Inszenierung des MfS zieht sich durch die Jahrzehnte. Im Rahmen meiner Recherchen bin ich auf ca. 300 Dokumentar- und Spielfilme gestoßen, in denen die Staatssicherheit eine signifikante Rolle spielt. Und seit „Das Leben der Anderen“ im Jahr 2006 gibt es überhaupt nur noch sehr wenige Filme, die sich mit der DDR-Vergangenheit beschäftigen und in denen die Staatssicherheit nicht vorkommt. Sie ist fast immer auf irgendeine Art und Weise präsent – mal mehr, mal weniger dominant.

 

Wie wurde die Staatssicherheit in westlichen Spielfilmen vor der Wende in der Regel dargestellt?
Der Kalte Krieg und der mediale Wettstreit zwischen beiden politischen Systemen führte zu vielen eindimensionalen Darstellungen. Während man auf ostdeutscher Seite natürlich ein sehr positives Bild von der Staatssicherheit in Dokumentarfilmen, Wochenschauberichten und später in Spielfilmen gezeichnet hat, war es auf der westlichen Seite genau umgekehrt. Die Staatssicherheit wurde in der Regel als besonders niederträchtige Geheimpolizei inszeniert, um so die Unterdrückung der DDR-Bevölkerung zeigen zu können. Manchmal erinnern mich die Stasi-Bilder in diesen Filmen an ähnliche Darstellungen der Gestapo in Filmen über die NS-Zeit, z. B. in Alfred Hitchcocks „Der zerrissene Vorhang“. Es gab auf westlicher Seite aber auch damals schon differenziertere Filme, die versucht haben, Geheimdienste – unabhängig davon, ob sie auf westlicher oder östlicher Seite agierten – in ein kritisches Licht zu rücken. „Der Spion, der aus der Kälte kam“ war z. B. ein Film, in dem die Staatssicherheit eine prominente Rolle spielt, sich aber kaum von den westlichen Geheimdiensten unterscheidet. Geheimdiensttätigkeit erscheint darin per se als unmoralisches und skrupelloses Geschäft, bei dem es keine Gewinner gibt. Solche ambivalenten Darstellungen hat es auf ostdeutscher Seite in Stasi-Filmen nicht gegeben.

 

Wie wurde die Staatssicherheit in Filmen der DDR dargestellt?
Die ersten Dokumentarfilme waren eine Reaktion auf den 17. Juni 1953, als die SED gemerkt hat, dass nach dem niedergeschlagenen Volksaufstand das Image des Staates, und insbesondere des Geheimdienstes, sehr schlecht war. Mit Dokumentationen und Wochenschauberichten, in denen es meist um die Enttarnung westlicher Agenten in der DDR ging, wurde versucht, ein positives Image vom MfS zu erzeugen. Diese Form der „Öffentlichkeitsarbeit“ wurde ab Ende der 1950er Jahre durch Spielfilme erweitert. Vor dem Hintergrund der damals sehr populären Agentenfilme erfüllten die Filme eine Doppelfunktion: Sie sollten spannende Genregeschichten erzählen und gleichzeitig das Vertrauen in den Geheimdienst erhöhen. Das kam beim Publikum aber nur selten gut an. Nur wenige dieser Stasi-Filme – bei der DEFA waren es ein gutes Dutzend – waren an den Kinokassen erfolgreich, wie z. B. „For Eyes Only“, der zu einem großen Erfolg für die DEFA wurde. Alfred Müller spielt darin einen Kundschafter, der im Westen eingesetzt wird, um den amerikanischen Geheimdienst zu unterwandern und die DDR vor einem Angriffskrieg aus dem Westen zu bewahren. Andere Filme konnten an diesen Erfolg jedoch nicht anknüpfen. Wahrscheinlich auch, weil die Mehrheit der DDR-Bevölkerung diese Bilder sehr wohl zu hinterfragen wusste. Ab Ende der 1960er Jahre hat sich die Staatssicherheit dann zunehmend auf das Fernsehen konzentriert. Das neue Massenmedium versprach eine größere Reichweite für die politische Agitation. Es wurden große und mehrteilige Serienprojekte initiiert. Ganz prominent war „Das unsichtbare Visier“ mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle. Auch Mueller-Stahl war als Stasi-Kundschafter im Ausland unterwegs, wie übrigens bei nahezu allen Produktionen aus der DDR-Zeit: Es geht fast ausschließlich um die Auslandseinsätze der Staatssicherheit zur Abwehr von Feinden. Die Überwachung der Bevölkerung im eigenen Land war ein Tabu und spielte in den Filmen grundsätzlich keine Rolle. Das hat erst nach der Wiedervereinigung 1990 eingesetzt.

Andreas Kötzing und Theresa Brüheim
Andreas Kötzing ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung und Herausgeber des Buches "Bilder der Allmacht. Die Staatssicherheit in Film und Fernsehen". Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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