„Im Kölschen entsteht eine Leichtigkeit“

Kölschpop von Cat Ballou

Geht es darum, dass auch Sprache nicht immer alles sagen kann?
Auf jeden Fall. Und warum soll ich versuchen, das in Worte zu fassen? Dann müsste ich sagen, wie schön der Blick auf den Dom ist oder wie nett die Menschen sind. Aber kein Wort zu haben, enthält ja selbst eine Fragestellung: Warum finde ich die Stadt denn so toll? Außerdem ist es so: Leute, die mit Köln nicht viel zu tun haben, aber uns als Band mögen und zum Konzert kommen, sagen oft: Wenn ihr über Kölle singt, dann denke ich sofort an die Namen meiner Kinder oder an meinen Vater oder sie nehmen ihren Ort oder setzen für Kölle irgendwas anderes ein. Und schon hat das Lied noch mal eine andere Ebene. Die hat zwar auch mit einem heimischen Gefühl zu tun, muss aber gar nicht zwingend mit einem Ort verbunden sein. Klar: In unserem Lied geht es um Köln – aber jeder, der es hört, kann es zu seinem Lied werden lassen. Dann benutzt man Köln einfach nur als Metapher für das Gefühl.

 

In der letzten Ausgabe 9/20 von Politik & Kultur hat der Maler David Schnell – wie Sie in Bergisch Gladbach aufgewachsen – auf die Frage nach seiner Heimat gesagt, dass man ihn überallhin verpflanzen könne. Bei einem Stipendien-Aufenthalt in Rom habe er nach drei Tagen kaum noch an Leipzig gedacht, immerhin seine Wahlheimat seit 25 Jahren. Das könnte Ihnen nicht passieren, oder?
Also, ich bin schon ein Mensch, der sich nicht so schnell auf neue Sachen einlässt. Ich habe z. B. nur einen sehr kleinen, stabilen Freundeskreis und könnte mir nicht vorstellen, mal eben woanders hinzuziehen und da eine neue Existenz aufzubauen. Es würde mir schwerfallen, hier wegzugehen. Aber das ist eben nicht an diesen Dom gekettet, wie das oft formuliert wird, und ich habe auch nicht das kölsche Wappen irgendwo tätowiert.

 

In diesen Tagen begehen wir den 30. Jahrestag der Wiedervereinigung. Sie waren im Herbst 1990 fünf Jahre alt – nehmen Sie den anderen Teil Deutschlands überhaupt als Ostdeutschland wahr?
Ich nehme das nicht wirklich wahr, bin aber auch noch nicht wirklich dort gewesen. Ich finde grundsätzlich spannend, was Geschichte in Leuten hinterlässt. Allerdings geht es dabei oft um Grenzen, auch im zwischenmenschlichen Sinne, und die will ich gar nicht so an mich rankommen lassen – oder jedenfalls nur bis zu einem gewissen Grad.

 

Mit Cat Ballou wären Sie jetzt eigentlich unterwegs, auch in Leipzig und Berlin aufgetreten. Die Tour wurde wegen Corona abgesagt. Mehr als ein finanzieller Verlust?
Gerade auf Leipzig hatte ich mich total gefreut. Die Stadt kenne ich bisher nur von Bildern, sehr schönen Bildern. Das hätte ich gern in echt gesehen – auch wenn man auf Tour selten wirklich was von der jeweiligen Stadt sieht. Es wäre eines der kleinsten Konzerte gewesen, und mit ganz wenig Leuten im Saal eine neue Stadt zu erleben, das hätte mich sehr gereizt. Wirklich blöd, dass es nicht stattfindet.

 

Unterscheiden sich die verschiedenen Regionen Deutschlands vom Publikum her – ist es für eine kölsche Mundartband in Berlin anders als in Hessen, München oder an der Nordsee?
Wir merken krasse Unterschiede: Münster ist eine Studentenstadt, das Publikum sehr jung, sehr ausgelassen. In Frankfurt haben wir letztes Jahr das erste Mal gespielt, da war das Publikum älter, in Stuttgart sehr gemischt. In München geht es immer sehr herzlich und emotional zu – Wahnsinn, was da passiert. In Hamburg waren bis jetzt unsere größten Konzerte, vielleicht sind da besonders viele Exil-Rheinländer. Und in Berlin wird immer am meisten geheult, da haben viele Leute Tränen in den Augen. Jede Stadt hat ein ganz eigenes Publikum – ohne dass ich mir anmaßen würde, zu sagen, ich wüsste deshalb auch, wie die Leute da ticken.

 

Eins ist ja auffällig: Köln ist die einzige deutsche Stadt, die seit fast 50 Jahren national erfolgreiche Musiker hervorbringt, die Dialekt singen. Das reicht von den Bläck Fööss über BAP und die Höhner bis zu Ihnen und Cat Ballou. Woran liegt das?
Ich glaube, der Karneval bietet einfach viele Bühnen, deshalb haben viele Bands die Motivation, sich da zu präsentieren. Im einzigen Lied, das wir zurzeit auf Hochdeutsch singen – es heißt „König“ – singe ich „Selbstverliebt und tolerant, reich ich dir meine Hand“. Dieses Selbstverliebte bläuen wir uns hier permanent ein: Die eine Band singt davon, dann fühlen das Tausende vor der Bühne. Das spornt wiederum andere Bands an, Ähnliches zu schaffen, die wollen ja auch erfolgreich sein. Deshalb gibt es eine starke Motivation, das in der Mundart zu tun. Dazu gehört, dass die hiesige Sprache, auch wenn sie auf der Straße kaum noch gesprochen wird, den Leuten wichtig ist. Das merkt man ja, dass junge Leute, die auf unsere Konzerte oder die anderer Bands gehen, die Kölsch singen, das selbst nicht sprechen. Sie finden es aber trotzdem cool oder schön oder haben einen persönlichen Bezug dazu – warum auch immer.

 

Ist es vielleicht ein unsichtbares Band, gerade in einer Großstadt, die immer ein wenig unübersichtlich und kaum greifbar ist?
Es gibt Halt, eine Art geistige Verwurzelung, und über Musik kann man so was transportieren. „Ich bin mit den Bläck Fööss groß geworden“, das höre ich immer wieder und denke mir: Dann wird das jetzt von uns wieder weitergegeben. So wird es zu einer Tradition.

 

Letzte Frage: Was ist – jenseits der Sprache und des Doms – so Köln- und kölschtypisch, dass man es woanders als hier nicht antreffen und erleben kann?
Ich glaube, das gibt es nicht. Dass man einfach mag, wie man ist und wo man ist, das gibt es in anderen Städten genauso. New York ist auch eine sehr stolze Stadt, da gibt es auch viele, die die Skyline tätowiert haben oder ihre Liebe so formulieren, wie es der Kölner tut. In der Hinsicht gibt es in Köln nichts, was es woanders nicht gibt.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2020.

Oliver Niesen & Peter Grabowski
Oliver Niesen ist Sänger der Kölner Band Cat Ballou. Peter Grabowski ist kulturpolitischer Reporter.
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