„Im Kölschen entsteht eine Leichtigkeit“

Kölschpop von Cat Ballou

Die Kölner Band Cat Ballou wurde 1999 als Schülergruppe gegründet und ist in den vergangenen zehn Jahren auch weit über die Grenzen der Domstadt hinaus bekannt geworden. 2016 hatte sie zusammen mit dem Kölner Fußballidol Lukas Podolski den bundesweiten Charterfolg „Liebe Deine Stadt“. 2019 hat die Band in der Kölner Lanxess-Arena vor mehr als 15.000 Zuschauern ihr 20-jähriges Band-Jubiläum gefeiert. Peter Grabowski spricht mit dem Sänger und Songschreiber von Cat Ballou, Oliver Niesen, über Dialekt in der Popmusik, die Bedeutung von Heimat und die Vielfalt des deutschen Publikums.

 

Peter Grabowski: Cat Ballou ist eine Mundartband, die Kölschpop macht. Kann man davon eigentlich leben?
Oliver Niesen: Also wir leben davon, aber das war ein langer Weg. Es ist wie mit allem im Leben: Wenn man erfolgreich sein will, muss man viel dafür tun, viel geben, vor allem viel Zeit investieren. Dann ist es auf jeden Fall möglich, aber es ist nicht leicht.

 

Haben Sie auf dieses Leben als professionelle Musiker gezielt hingearbeitet?
Es hat sich ergeben, dass es ein Ziel wurde, sagen wir so. Unsere Väter hatten auch ’ne Band, aber das war bei denen immer ein Hobby. Unser früherer Schlagzeuger Michi hat sich irgendwann ein Schlagzeug gekauft, ich habe Gitarre gespielt. Wir haben aber mehr so getan, als ob. Unseren ersten Auftritt hatten wir dann 1999 auf einer Pfarrsitzung, als Tuschkapelle und mit ein paar nachgespielten Liedern. Irgendwann hat man dann zwar sein Instrument besser beherrscht, aber die Band lief nur so als Hobby mit. Wir haben alle eine Ausbildung gemacht: Ich bin gelernter Physiotherapeut, war auch drei Jahre in der Praxis.

 

Cat Ballou ist als Kölner Band bekannt, aber eigentlich kommen alle aus Bergisch Gladbach …
Also, ich bin direkt an der Stadtgrenze zu Köln-Dellbrück aufgewachsen, und die Kölner Grenzen verschwimmen da sehr. Auch im Bergischen Land gibt es jede Menge Leute, die sich damit identifizieren, weil man mit kölscher Musik, dem Karneval, diesem Lebensgefühl immer konfrontiert wurde.

 

War der entscheidende Punkt, selber Songs zu schreiben?
Ja, das war so. Es gab irgendwann ein Bedürfnis, selbst etwas zu erzählen, und wenn es bloß um gebrochene Herzen ging. Man wollte mitteilen, was in einem vor sich geht. So machen wir das immer noch. Wir schreiben Lieder aus dem heraus, was wir fühlen. Dann kam das Kölsche dazu, und da haben wir gesagt: Wir präsentieren uns mal im Karneval und gucken, was passiert. Das war ungefähr 2010 und seitdem machen wir das ausschließlich.

 

Was kann das Kölsche für Sie als Songwriter und Sänger, was das Hochdeutsche nicht kann?
Im Kölschen entsteht bei mir so eine Leichtigkeit, ich kann vieles einfacher auf den Punkt bringen. Ich würde nicht sagen, dass es das Hochdeutsche nicht kann, aber ich finde, dass Kölsch in bestimmten Formulierungen sehr schön klingt. Andererseits ist es für manche ungewohnt, man hört also hin und denkt: „Was singt der überhaupt?“ Könnte ein Stolperstein sein, hat aber auch einen gewissen Reiz. Dazu kommt: Als Band verständigt man sich nach 20 Jahren fast blind. Manchmal reichen einzelne Silben und jeder weiß Bescheid. So ist das auch ein bisschen mit einem Dialekt: Dadurch entsteht ein Zugehörigkeitsgefühl, das kann vereinen.

 

Besteht nicht gleichzeitig die Gefahr des Ausgrenzens?
Natürlich, aber es geht darum, was man draus macht. Versucht man mit den Inhalten Leute in den Arm zu nehmen? Uns ist sehr daran gelegen, wirklich für jeden eine Geschichte zu erzählen. Zwar aus uns heraus, aber doch so, dass sie für jeden zugänglich wird und nicht nur für einen, der in Köln lebt oder sogar noch in Köln geboren ist.

 

Was spricht Leute aus anderen Gegenden Deutschlands wohl an bei Songs in einem bestimmten Dialekt?
Vielleicht ist es gerade der Reiz am Nicht-Verstehen. Wenn wir auf Tour sind und in Hamburg oder Berlin spielen, dann kommt man mit den Leuten ins Gespräch. Es gibt natürlich viele Exil-Rheinländer, die einfach irgendwie Bezug zur Heimat suchen, und die ihre neuen Freunde mitbringen. Die sagen hinterher oft: „Ich habe eigentlich erst mal nichts verstanden, aber ich fand’s irgendwie cool.“ Wobei … gar nichts zu verstehen, das passiert in den seltensten Fällen. Außerdem hat Musik ja eine Magie, die in jeder Sprache funktioniert. Es gibt immer ein Wort im Lied, das hast du verstanden. Dazu die Stimmung des Sounds, die Melodie, und dann weißt du eben doch, worum es geht.

 

Ein Song von Ihnen heißt passend „Ett jitt kei Wood“  – hochdeutsch: Es gibt kein Wort. War das der Durchbruch auch jenseits von Köln?
Ich persönlich nehme an, dass es unser bekanntestes Lied ist. Aber ich glaube auch, dass mehr Leute das Lied kennen als uns als Band – jedenfalls gab es eine Zeit, wo das so war. Wir haben es Ende 2012 rausgebracht. Es ist sehr schnell ein großer Erfolg geworden …

 

 … immerhin war es in den Top 30 der Deutschen Charts.
… und ein Jahr danach gab es immer noch viele Leute, die uns nicht kannten oder dachten, das Lied sei von jemand anderem.

 

Im Refrain von „Ett jitt kei Wood“ singen Sie, es gebe kein Wort, das sagen könnte, was Sie fühlen, wenn Sie an Köln denken. Ist es also sinnlos, Sie nach Ihrer Beziehung zur Stadt zu fragen?
Genialer Gedanke – dann brauchen wir nicht weiter drüber reden. Nein, im Ernst: Wir haben schon viel über diesen Satz philosophiert. Der ist spontan entstanden, also jedenfalls nicht konstruiert. Er stammt von unserem Keyboarder Dominik Schönenborn, und das ganze Lied unterstreicht diesen einen Satz durch verschiedene andere Aussagen. Ein Lied wie „En unserem Veedel“ beispielsweise ist im Vergleich dazu sehr konkret. Da geht es um Nachbarschaftshilfe und dass man sich vertraut; gleichzeitig ist es sehr kritisch, thematisiert Zukunftsfragen. In „Ett jitt kei Wood“ wollten wir aber dieses Heimatgefühl noch mal umfassender, grundsätzlicher ausdrücken.

Oliver Niesen & Peter Grabowski
Oliver Niesen ist Sänger der Kölner Band Cat Ballou. Peter Grabowski ist kulturpolitischer Reporter.
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