Fair Trade für Kultur

Strukturelle Schwächen des transatlantischen Abkommens TTIP

Für alle künstlerischen Sparten und Kultursektoren zentral ist die Erleichterung von Künstlermobilität sowie dafür verfügbare Ressourcen: Mit „Touring Artist“ hat Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) seit 2013 ein innovatives Online-Informationsportal initiiert, das vom deutschen Zentrum des Internationalen Theaterinstituts und der Internationalen Gesellschaft für Bildende Künste entwickelt wird. Es vernetzt Informationsquellen von einschlägigen Ministerien und Institutionen digital. Die professionellen Nutzer aktualisieren es laufend. Pro Monat verzeichnete das Portal im Jahr 2015 19.300 Besuche.
Die Mobilitätsfonds Moving Mena und der Fonds Ukraine, Belarus, Georgien, Republik Moldau der regionalen Goethe-Institute ermöglichen mit Mitteln des Auswärtigen Amtes nachfrageorientierte Arbeitsbesuche von jüngeren Kulturschaffenden, Produzenten und Partnern aus der arabischen Region und der ost-europäischen Nachbarschaft. Sie nehmen an Festivals, Messen, Tagungen, Ausstellungen und weiteren kulturellen Projekten teil. Moving Mena hat seit 2012 über 400 Reisen bezuschusst. Der osteuropäische Mobilitätsfond hat seit 2014 136 „Learning journeys“ und Hospitationen ermöglicht.

 

Für die Stärkung und Professionalisierung des Kunst- und Kultursektors sowie von Medienangeboten bieten deutsche Akteure eine Bandbreite von öffentlich finanziertem Capacity Building und Vernetzung auf individueller, institutioneller und sektoraler Ebene: Brandneu gibt es seit 2015 Mentored Open Online Kurse zu „Managing the Arts“, ein 14-tägiges kostenloses Weiterbildungsangebot, vom Goethe Institut gemeinsam mit der Digital School der Leuphana Universität Lüneburg entwickelt. Den ersten Durchgang haben 17.000 Teilnehmende aus 170 Ländern genutzt, 70 Prozent davon sind Frauen. Ein intensiveres weltweites Qualifizierungsprogramm, das sechs bis acht Wochen dauert und sowohl Seminare als auch Hospitationsphasen umfasst, wird seit 2009 für Kulturmanager, -Journalisten und -Politiker angeboten. Seit 2011/2012 gibt es dies auch in arabischen Transformationsländern, 200 Teilnehmer haben dies bereits genutzt. Das Connexxions-Programm und das Cultural Innovators Network stärken die Zivilgesellschaft des Kulturbereichs in den Ländern des südlichen Mittelmeerraums.
Öffentliche Mediendienste haben eine Schlüsselrolle für die Umsetzung der 2005er UNESCO Konvention, sofern sie Produzenten, Auftraggeber und Vermittler hochwertiger kultureller Inhalte sind. Diese Mediendienste stehen derzeit lediglich der Hälfte der Weltbevölkerung zur Verfügung, wie der UNESCO Weltbericht 2015 zum ersten Jahrzehnt der Umsetzung feststellt. In diesem Bereich besteht also großer Nachholbedarf.

 

Innovative Einzelprojekte sind z. B. die arabischsprachige, interaktive Jugend-Talkshow „Shababtalk“ der Deutschen Welle, das Frauenradio Tunesien des Goethe-Instituts und der internationale Online-Wettbewerb „The Bobs-Best of Online Activism“ der Deutschen Welle in 14 Sprachen.

 

Die Staatengemeinschaft ist schon jetzt noch weit von gleichgewichtigeren oder gar fairen Kulturhandelsbeziehungen entfernt. Bei den weltweit exportierten kulturellen Dienstleistungen hat sich die Schlagseite sogar verstärkt: Ihr Gesamtwert betrug 2012 128,5 Milliarden US-Dollar. Der Löwenanteil von 98 Prozent entfiel auf die Industrieländer, darunter Deutschland. Dies ist Folge des Anstiegs des Handels mit elektronisch übermittelten Dienstleistungen in audiovisuellen und künstlerischen Bereichen. Die nächste Generation von Handelspolitik muss Strategien der Vorzugsbehandlung von kulturellen Gütern und Dienstleistungen entwickeln. Sieben der seit 2005 abgeschlossenen Handelsverträge berücksichtigen dies ausdrücklich. TTIP wäre kein Kandidat für diese Positiv-Liste. Hier sind dringend effektivere Maßnahmen nötig.

Christine M. Merkel
Christine M. Merkel leitet den Fachbereich Kultur, Kommunikation, Memory of the World der Deutschen UNESCO-Kommission und ist Autorin des Kapitels »Medienvielfalt« in den UNESCO-Weltberichten zur Vielfalt Kultureller Ausdrucksformen 2015 und 2017.
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