Sollte das TTIP-Abkommen tatsächlich kommen, gefährden seine strukturellen Schwächen weit mehr als nur den Verbraucherschutz, die Marktchancen europäischer Firmen, die Kulturhoheit der Länder und den Gestaltungsraum für Kultur- und Medienpolitik im digitalen Kontext. Der europäische Kultursektor hat sich zwar zu CETA und TTIP hörbar zu Wort gemeldet. Der wichtige Aspekt des Welthandels mit Kulturgütern und -Dienstleistungen sowie die möglichen Folgen für das Entstehen eines dynamischen Kultursektors in Entwicklungs- und Schwellenländern spielt dabei bislang noch so gut wie keine Rolle.
Der Kultur- und Mediensektor wird von den TTIP-Verhandlungen grundsätzlich erfasst. Betroffen sind insbesondere die Dienstleistungen, Zukunftsbranchen und öffentlichen Infrastrukturen. Der Anteil von Dienstleistungen als Vorleistungen zur Güterproduktion steigt spürbar an. Das wichtige TTIP-Positionspapier der Bundesregierung vom 8. Oktober 2015 belegt dies präzise und im Detail: Die Wertschöpfungsketten haben sich grundlegend geändert. Wo endet Kultur, wo beginnt Telekommunikation? Dies fordert zukunftsfeste Kultur- und Medienpolitik substantiell heraus.
Der Welthandel mit kulturellen Gütern und Dienstleistungen hat sich zwischen 2002 und 2011 gemäß dem United Nations Creative Economy Report mehr als verdoppelt. Entwicklungsländer verzeichneten beim Export von Kulturgütern eine statistisch durchschnittliche Wachstumsrate von 12,1 Prozent. Grund dafür ist die starke Position von China und Indien, die als einzige Entwicklungsländer im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft ernsthaft mit den Industrieländern konkurrieren.
Die UNESCO-Konvention 2005 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen nennt klar das Ziel, dass die internationale Kulturkooperation fairer werden muss und kann: Sie soll die kreative Arbeit in Entwicklungsländern unterstützen, Mobilität von Künstlern und Kulturproduzenten erleichtern, Kulturmanagementkapazitäten aufbauen, funktionsfähige lokale und regionale Märkte schaffen und damit insgesamt die Produktionskapazitäten stärken. Musik und Film sind dabei Schlüsselsektoren. Dies betrifft die Kulturkooperation mit derzeit gut 150 Ländern, die Gelder der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit nutzen können, sofern sie Vertragsstaaten der 2005er UNESCO Konvention sind.
145 Länder haben diese langfristigen strategischen Ziele unterschrieben. Für Deutschland und alle weiteren EU-Mitgliedsstaaten sowie für die EU selbst bedeutet dies insbesondere, einen besseren Zugang zum Weltmarkt und zu relevanten Vertriebsnetzen für kulturelle Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen aus Entwicklungsländern des Südens und Ostens zu ermöglichen. Öffentliche Mediendienste spielen dabei eine Schlüsselrolle. Dies muss grundsätzlich auch bei Zeichnung bi- und multilateraler Handels- und Investitionsabkommen langfristig und dauerhaft möglich sein und bleiben.
Dies bedeutet de facto, erstens Vorzugsbehandlungen mithilfe öffentlicher Maßnahmen anzubieten, da die Marktstrukturen aus sich heraus hier keinen Ausgleich schaffen. Und zweitens neue handelspolitische Strate-gien und Abkommen zu entwickeln, die auf diesen nötigen ausgewogeneren Austausch an kulturellen Gütern und Dienstleistungen abzielen und z. B. Niedrigzinsdarlehen miteinschließen. Bekanntermaßen sind die Vereinigten Staaten diese Verpflichtungen nicht eingegangen.
Ein Blick in den Zweiten deutschen Umsetzungsbericht von 2016 zur 2005er UNESCO Konvention zeigt, dass Deutschland hier schon ganz gut unterwegs ist. Im Rahmen der auswärtigen Kultur- und Medienpolitik gibt es zahlreiche sinnvolle Einzelansätze, auch wenn diese nicht immer in ihrem strukturellen Gesamtzusammenhang gesehen werden.
So fördern die Berlinale-Initiativen „World Cinema Fund“ und „Berlinale Talents“ den kreativen Filmnachwuchs weltweit: Jährlich 1,1 Millionen Euro, davon 90 Prozent aus öffentlichen Mitteln, ermöglichen die Weiterbildung und Vernetzung von gut 300 Nachwuchstalenten im Filmbereich, vor allem aus Ländern des globalen Südens und Ostens. 2016 bewarben sich 2648 Teilnehmer. Das Beispiel macht weltweit Schule. Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln vernetzt und stärkt Frauen im Film in allen Profi- und Technikbereichen und trägt so dazu bei, die Filmszene vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern aufzubauen und zu stärken.
Das Einladungsprogramm der Frankfurter Buchmesse (Litprom) für Verleger aus sich entwickelnden Ländern erleichtert den Zugang zum deutschen, europäischen und weltweiten Buchmarkt. 2012 bis 2015 konnten dies insgesamt 88 Verleger aus durchschnittlich 20 Ländern nutzen. Die Süd-Süd und Süd-Ost-Kooperationen im Bereich Lizenzaustausch, Vertrieb, Druck und e-Books haben sich in diesem Zeitraum deutlich verstärkt. Das Programm wird je zur Hälfte von der Frankfurter Buchmesse und vom Auswärtigen Amt finanziert.