Am Ball bleiben

Fairen Welthandel mitgestalten

In Deutschland wird derzeit eine intensive Debatte über den Freihandel geführt. Das ist wichtig, denn mehr als in vielen anderen Ländern fußt der Wohlstand hierzulande auf unserer internationalen Vernetzung. Mit CETA und TTIP stehen wichtige Abkommen im Fokus. Auch wenn es unserer Wirtschaft auf den ersten Blick so gut wie selten geht, steht die Weltwirtschaft eher auf wackeligen Füßen. Die Zugpferde der letzten Jahre – viele Schwellenländer wie etwa China – lahmen. Im internationalen Handel verdichten sich zudem die Warnzeichen – im ersten Halbjahr 2015 ging er gar zurück; seit dem Mauerfall ist das außer in Rezessionen nicht mehr vorgekommen. Untersuchungen der WTO und der EU-Kommission zeigen, dass die Handelshemmnisse weltweit zunehmen.

 

Der außenwirtschaftliche Erfolg in Deutschland ist also kein Selbstläufer. Als Exportnation sind offene Märkte und der Kampf gegen Protektionismus für weite Teile unserer Wirtschaft und deren Arbeitsplätze hierzulande von herausragender Bedeutung. Unzählige kleine wie große Betriebe und Dienstleister hängen als Zulieferer am Außenhandel – dieser betrifft uns also alle viel mehr, als wir es vielleicht im Alltag wahrnehmen.

 

Und noch eine Feststellung ist für eine Diskussion wichtig: Inzwischen entsteht der Großteil des Weltwirtschaftswachstums außerhalb Europas und Handelsabkommen in anderen Weltregionen verstärken den Wettbewerbsdruck auf die europäischen Unternehmen. Von daher wäre es gerade jetzt wichtig, eine aktive Rolle in der Handelspolitik einzunehmen.

 

CETA und TTIP sind für die EU und für viele ihrer Unternehmen wichtige Abkommen. Gerade nach der Brexitentscheidung sollte es auch darum gehen, Signale für die Handlungsfähigkeit der EU zu senden. Denn nur wenn die EU international wahrgenommen wird, hat sie die Chance, Regeln für den zukünftigen globalen Handel mitzugestalten. Die kanadische Handelsministerin Freeland fragt sich zurecht besorgt: »Mit wem, wenn nicht Kanada, mit dem Europa so viele Werte und Interessen teilt, kann die EU sonst noch Abkommen schließen?«. Besonders der Vertiefung der Kooperation mit den USA, die als wichtigster Handelspartner Deutschlands ein stabiles Wirtschaftswachstum bieten können, kommt so eine erhöhte Bedeutung zu. TTIP und CETA sehen neben Zollsenkungen den Abbau unnötiger Handelshemmnisse und die Stärkung von Regeln vor, die europäische Werte sichern und den Handel fair gestalten sollen. Diese Regeln sind wichtig, um einen globalen Unterbietungswettbewerb bei Sozial- und Umweltstandards zu vermeiden. In vielen Regionen dieser Welt und den dortigen Handelsabkommen spielen diese Regeln zumindest bisher kaum eine Rolle. Immer mehr Abkommen werden mit und zwischen asiatischen Volkswirtschaften geschlossen, der Schwerpunkt der Weltwirtschaft verschiebt sich auch damit zunehmend Richtung Asien. Damit europäische Werte trotzdem weiterhin in der Welt eine Rolle spielen können, ist ein Schulterschluss mit starken Verbündeten wie den USA und Kanada ratsam.

 

Die Wirtschaft und gerade kleine und mittlere Unternehmen haben viele Fragen zu TTIP und wollen keine Absenkung von Schutzstandards oder die Unterminierung demokratischer Prozesse. Zu diesen deutlichen Forderungen bekennt sich auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Nicht zuletzt ist der Bereich der Kultur aus den Freihandelsverhandlungen ausgenommen. Es geht Unternehmen um Bürokratieabbau, nicht um Demokratieabbau: Es gilt Hemmnisse zu reduzieren, die speziell ausländischen Anbietern das Leben erschweren, aber dem Verbraucher keinen Mehrwert bieten. Gesucht ist ein ausgewogenes Abkommen, das Chancen eröffnet, fairen Wettbewerb gestaltet, ohne Bewährtes zu gefährden. Es sollte weiterhin auf die Ängste und Befürchtungen der Kritiker eingegangen werden, um die Vorteile einer offenen Handelspolitik besser herauszustellen. Eine ehrliche Debatte hierüber ist dringend nötig.

 

Verschiedene Freihandelsabkommen der EU zeigen bereits das große Potenzial, das in diesem Ansatz steckt: In den fünf Jahren seit Inkrafttreten des EU-Korea-Abkommens sind die Exporte nach Korea um 55 Prozent und Autoverkäufe sogar um mehr als 200 Prozent gewachsen. TTIP und CETA können noch größere Chancen bieten, die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand Europas zu sichern sowie die Regeln des Welthandels mitzugestalten. Der DIHK bewertet CETA aufgrund der umfangreichen Zoll- und Visaerleichterungen, neuer Marktchancen und der regulatorischen Zusammenarbeit zur Eindämmung neuer nichttarifärer Handelshemmnisse z. B. bürokratischer Doppelzertifizierungen, die Produkte für die Konsumenten unnötig verteuern, als insgesamt positiv. CETA ist ein modernes Vorbild für andere Freihandelsabkommen und der DIHK empfiehlt, dass TTIP ein ebenso ehrgeiziges Abkommen wird. Aus Sicht des DIHK sollten bei allen Handelsabkommen die Bedürfnisse des Mittelstands gemäß dem »think small first«-Prinzip in den Fokus genommen werden. Ein hierfür erstmals in TTIP eingeführtes Kapitel, das etwa für den Mittelstand eine zentrale Anlaufstelle zur Überwindung bürokratischer Hürden vorsieht, ist hierfür ein wichtiges Signal. Die Einbindung nationaler Parlamente in den Ratifizierungsprozess ist eine große Chance, eine breite Diskussion gerade auch über die Vorteile der Abkommen zu führen.

 

Wir brauchen ehrgeizige bilaterale Abkommen, die wegweisend für das Welthandelssystem sind. Die WTO sollte zwar der Königsweg für alle Länder sein, die dort versammelt sind. Allerdings stockt der WTO-Prozess. Die Chance, durch Abkommen wie TTIP und CETA lange bestehende Blockaden auf multilateraler Ebene endlich zu lösen, um Fortschritte für einen freien und fairen Welthandel zu ermöglichen, ist da.

Eric Schweitzer
Eric Schweitzer ist Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).
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