Globalisierung braucht Gestaltung

CETA könnte ein gutes Beispiel werden

In den letzten Jahren hat sich die Globalisierung der Weltwirtschaft rasant dynamisiert. Dabei gab es Wachstumseffekte, aber auch deutlichen Druck auf Sozialsysteme. Globalisierung ist schlecht gemanagt. Als größter integrierter Wirtschaftsraum der Welt, der auf das Engste in die globalen Handelsbeziehungen eingebunden ist, müssen wir ein elementares Interesse daran haben, fortschrittliche Regeln und Standards zu vereinbaren, um die Globalisierung fair zu gestalten. Die beste Option dafür wäre ein multilaterales Abkommen unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO). Aufgrund der Schwerfälligkeit dort bieten bilaterale Handelsabkommen eine Chance, Bausteine für eine progressive multilaterale Ordnung zu vereinbaren.

 

Kanada zählt zu den ältesten und engsten Partnern der Europäischen Union. So war das 1976 zwischen der EU und Kanada geschlossene Handelsabkommen das erste Abkommen dieser Art, das die EU mit einem Industrieland unterzeichnet hat und gilt ja heute noch. Die Beziehungen wurden seitdem ausgeweitet. Inzwischen bestehen über 30 bilaterale Abkommen EU – Kanada und die EU ist mit Kanada in insgesamt 110 bi- und multilateralen Abkommen verbunden. Die neue kanadische Regierung hat zudem deutlich gemacht, dass sie für eine faire Gestaltung der Globalisierung und einen fairen Handel eintritt. Dies hat sich z. B. in einer sehr guten Zusammenarbeit während der WTO-Ministerkonferenz in Nairobi im Dezember 2015 gezeigt und führte letztendlich zum Erfolg der Konferenz.

 

CETA integriert die bestehenden Abkommen EU – Kanada und erweitert die Beziehungen. Insgesamt ist es bei CETA gelungen, in vielen Bereichen fortschrittlichere Regeln und Standards zu vereinbaren, als dies in bisherigen europäischen und nationalen Handelsabkommen der Fall war. CETA kann zu einem Beispiel für eine faire Gestaltung von Globalisierung werden.

 

Z. B. sind der Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt ein gemeinsames Anliegen von Kanada und der EU. Kanada und die EU sind Initiatoren der UNESCO-Konvention über den Schutz kultureller Vielfalt und diese wird in CETA betont. Der Markt für kulturelle Dienstleistungen soll daher nicht weiter geöffnet werden. Fördermaßnahmen im Kultursektor, etwa für Theater, Oper oder Kleinkunst, sind weiterhin uneingeschränkt möglich. Die EU behält sich zudem das Recht vor, Maßnahmen in Bezug auf Bibliotheken, Archive, Museen und andere kulturelle Einrichtungen beizubehalten oder weiter zu erlassen. Audiovisuelle Dienstleistungen sind von den Marktöffnungsverpflichtungen generell ausgenommen.

 

Allerdings gibt es auch bei CETA noch offene Punkte und Fragen, die weiterer Prüfung und Klärung im Rahmen der folgenden Beratungen bedürfen. Dabei sind für mich drei Punkte besonders wichtig:

Zentrales Element für einen modernen Handelsvertrag muss die Sicherung und Stärkung der Arbeitnehmerrechte sein, damit Sozialdumping verhindert, Handelsbeziehung mitgestaltet und Reichtumsverteilung angepackt werden kann. Deswegen ist der Ansatz im CETA-Abkommen richtig und ein Fortschritt. Der Anspruch der Ratifizierung der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, das Arbeitnehmergrundgesetz, findet sich ebenfalls. Kanada hatte 2015 erst sechs dieser Normen ratifiziert. Die neue kanadische Regierung hat zwischenzeitlich erklärt, die beiden ausstehenden ILO-Normen zu ratifizieren. Am 9. Juni 2016 hat Kanada die Konvention 138 ratifiziert. Die Ratifizierung der ILO-Konvention 98 soll im Herbst 2016 folgen. Im weiteren Prozess wird es darauf ankommen, genau zu prüfen und sicherzustellen, dass die Umsetzung der Arbeitnehmerrechte wirkungsvoll ist. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die Verfahren, Möglichkeiten und finanziellen Ressourcen der Beratungsgruppen für Arbeit und nachhaltige Entwicklung geklärt sind und dass die Schiedssprüche des „Panel of Experts“ bei Streitfällen verbindlich anerkannt werden. Darüber hinaus ist die Möglichkeit auszugestalten, einen verbindlichen Sanktionsmechanismus als mögliche dritte Stufe der Streitschlichtung zu entwickeln und einzuführen.
Aufgrund des sozialdemokratischen Drucks ist es gelungen, den eigentlich bereits ausverhandelten CETA-Vertragstext von 2014 im Investitionskapitel substantiell zu verändern und zu verbessern: CETA hat nun ein neues Modell für einen rechtsstaatlichen und öffentlich legitimierten Mechanismus bei Investitionsstreitigkeiten mit Investitionsgerichten. Damit wird das alte ISDS-System mit privaten Schiedsgerichten überwunden. Gemeinsames Ziel ist die Einrichtung eines internationalen Investitionsgerichtshofs. Trotz der klaren erreichten Fortschritte brauchen wir hieb- und stichfest Klarheit über die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter, dazu müssen wir z. B. die Gehaltsfragen für die Richterinnen und Richter noch klären. Die materiellen Rechtsstandards des Investitionsschutzes sind bereits eng und deutlich präziser und strikter gefasst als dies bisher der Fall war. Gleichwohl ist auch dies ein Punkt, der genauer weiterer Prüfung und nötigenfalls Klarstellung und Präzisierung bedarf.

 

Unsere SPD-Position ist für den Marktzugang bei Dienstleistungen, für die Nutzung eines Positivlistenansatzes, der mehr Vertrauen schafft als der Ansatz der Negativlisten. Bei CETA wurde ein anderer Weg gewählt. Deshalb wird nun in der weiteren Beratung des Abkommens zu prüfen sein, wie im Detail die Negativliste in CETA ausgestaltet ist und welche allgemeinen und speziellen Schutzvorbehalte greifen. In jedem Fall ist sicherzustellen, dass der Schutz der Daseinsvorsorge ohne Schlupflöcher für alle Bereiche gilt. Es muss eine Absicherung jeglichen Handlungsspielraums für kommunale Körperschaften und zur Rekommunalisierung geben. Wir werden diese Punkte auch bei den Beratungen im Europäischen Parlament aufrufen und wo nötig Klarstellungen einfordern.

 

Bis zur Ratifizierung des Abkommens durch das Europäische Parlament ist kein Abkommen fertig und es sind Ergänzungen und Klarstellungen möglich. Das werden wir anpacken.

Bernd Lange
Bernd Lange ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel (INTA)
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