Must-haves aus Lagos, Accra und Johannesburg

Die Plattform Fashion Africa Now fördert die afrikanische Modewirtschaft in Deutschland

Beatrace Angut Oola kennt die afrikanische Modeszene und -wirtschaft wie keine andere in Deutschland. 2012 gründete sie die Agentur APYA Productions. Ein  Jahr später, Anfang 2013, organisierte sie den ersten „Africa Fashion Day Berlin“, eine Plattform für afrikanische Designer in Deutschland im Rahmen der Berliner Fashion Week. Heute sind diese Bestrebungen in ihrer Plattform Fashion Africa Now gebündelt. Theresa Brüheim spricht mit ihr über einen enorm wichtigen Zweig der afrikanischen Kreativwirtschaft, der in Deutschland bisher nicht die gebührende Beachtung findet. Das soll sich ändern, wenn es nach Oola geht.

 

Theresa Brüheim: Was ist Fashion Africa Now?

Beatrace Angut Oola: Fashion Africa Now ist die einzige Plattform in Deutschland, die über zeitgenössische afrikanische Mode informiert. Es ist eine Vernetzungsplattform, die Kreative aus der Diaspora und afrikanischen Ländern zusammenführt. Wir erzählen aus einer afrikanischen Perspektive, und das in Form von Beiträgen, Fotoshootings, Edutainment Events, Ausstellungen und Pop-up-Shops. Bei Fashion Africa Now geht es um Identitäten und Wissenstransfer. Mode ist inzwischen für die Kreativwirtschaft ein Must-have und auf unserer Plattform gibt es dazu Updates.

 

Wie sieht der typische Beitrag auf Fashion Africa Now aus? Worum geht es?

Wir stellen z. B. Designer oder andere Kreative vor, die derzeit herausragende Arbeiten oder Kollektionen kreieren. Es geht auch um Fashionistas und Stylisten, die herausragende Arbeit leisten. Es sind Persönlichkeiten unterschiedlichen Alters, mit Schwerpunkt auf Mode, die in der „African Fashion“-Szene einen Namen haben.

 

Sie suchen die Leute, die sie selbst inspirieren?

Ja, ich arbeite gerne mit Designern, die mich inspirieren, und die Szene ist so groß und vor allem besitzt sie sehr viel Potenzial, sodass ich aus ihr schöpfen kann. Ich finde es wichtig, dass im deutschen Raum Menschen erfahren, was in Ghana, Ruanda und anderenorts passiert. Aus Ruanda kennt man eher die Technologie und Digitalisierung, aber es gibt dort auch Modedesigner, die durchaus in den deutschen Einzelhandel gehören.

 

Des Weiteren schreiben uns Initiativen an, z. B. die Initiative „Falling Whistles“. Das ist eine Non-Profit-Organisation, die sich für Frieden im Kongo einsetzt. Dort gab es Kindersoldaten. Besonders kleine und junge, die keine Waffen tragen konnten, waren dort nur mit „Whistles“, also Trillerpfeifen, im Kampf. Heute hat die Organisation mit ihrer Plattform auch eine Art „Whistle“ gefunden, um dieses zu dokumentieren. Sie haben auch eine solche „Whistle“ als Schmuckstück kreiert, die ich für ein Fotoshooting verwendet habe. Das ist ein Beispiel von vielen, wie auch politische Botschaften in meine Arbeit eingebunden werden.

 

Mit Fashion Africa Now wollen Sie das Wachstum der afrikanischen Kreativindustrie fördern. Was ist Ihre Vision für die Zukunft der Kreativindustrie, insbesondere für die Modeszene, in Afrika?

Es ist an der Zeit, dass der deutsche Einzelhandel und die Einkäufer die Courage zeigen, denn die Nachfrage ist da. Aber diese Courage fehlt mir manchmal in Deutschland – vor allem, wenn ich nach Paris oder London schaue.

 

In großen Häusern gibt es natürlich Strukturen, die zum Teil für junge Designer afrikanischer Herkunft nicht funktionieren. Aber kleinere Boutiquen, die eine durchaus einfachere Handhabe haben, könnten afrikanische Designer anbieten. Die Mode sollte selbstverständlicher werden. Momentan führen wir ja immer noch den Titel „African Fashion“. Zum Glück sind wir immerhin weg vom Begriff „Ethnomode“. Aber Mode afrikanischer Designer ist alles, auch High-End, Luxus, Premium. Dementsprechend ist die Vision, dass es selbstverständlich wird, dass ein Made-in-Africa-Produkt eine Qualität besitzt und zugleich tragbar ist, und dass nicht nur für Menschen afrikanischer Herkunft. Das bekomme ich immer wieder zu hören: „Die Mode ist nur für Menschen mit dunkler Haut“. Davon muss man sich freimachen. Es gibt verschiedene Textilien, Strukturen, Muster, die durchaus für jegliche Nationalität funktionieren. Die Vision ist auch, dass die Manufakturen in afrikanischen Ländern einen Schwung erhalten. Damit meine ich eine Finanzierung, um die Beschäftigung zu steigern und Equipment nachzurüsten. So kann eine Infrastruktur entstehen, sodass in den afrikanischen Ländern die Modewirtschaft stabil und in Takt bleibt.

 

Beschäftigung ist sowieso ein wichtiger Punkt. Meines Erachtens gäbe es so viele Möglichkeiten, auch Geflüchtete in Deutschland in diesen Kontext einzubinden. In vielen afrikanischen Ländern fehlt es an Know-how und an Wissenstransfer. Viele Geflüchtete, die auch aus afrikanischen Ländern kommen, haben durchaus das Potenzial, den Willen, die Motivation, etwas zu lernen. Die Überlegungen, wie man Geflüchtete und Kreativwirtschaft zusammenführen kann, müssen intensiviert werden. Für die Modewirtschaft gäbe es verschiedene Konzepte, zu denen ich mich gern austauschen würde. Auf Bundesebene muss diese Expertise stärker zusammengebracht werden. Denn wir haben hier die Möglichkeit, Menschen eine Ausbildung zu geben. Und an dieser Ausbildung fehlt es in vielen afrikanischen Ländern. Bildet man hier die Menschen aus, bringen sie bei der Rückkehr ihre Expertise wieder zurück in ihre Heimat. Das ist eine Win-win-Situation. Da sehe ich aktuell noch Defizite in Deutschland, die nicht existieren müssten. Ich bin gern zum Austausch bereit.

Beatrace Angut Oola und Theresa Brüheim
Beatrace Angut Oola ist Gründerin und Inhaberin von APYA Productions und der Plattform Fashion Africa Now. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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