Beatrace Angut Oola und Theresa Brüheim - 25. September 2019 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kultur- & Kreativwirtschaft in Afrika

Must-haves aus Lagos, Accra und Johannesburg


Die Plattform Fashion Africa Now fördert die afrikanische Modewirtschaft in Deutschland

Beatrace Angut Oola kennt die afrikanische Modeszene und -wirtschaft wie keine andere in Deutschland. 2012 gründete sie die Agentur APYA Productions. Ein  Jahr später, Anfang 2013, organisierte sie den ersten „Africa Fashion Day Berlin“, eine Plattform für afrikanische Designer in Deutschland im Rahmen der Berliner Fashion Week. Heute sind diese Bestrebungen in ihrer Plattform Fashion Africa Now gebündelt. Theresa Brüheim spricht mit ihr über einen enorm wichtigen Zweig der afrikanischen Kreativwirtschaft, der in Deutschland bisher nicht die gebührende Beachtung findet. Das soll sich ändern, wenn es nach Oola geht.

 

Theresa Brüheim: Was ist Fashion Africa Now?

Beatrace Angut Oola: Fashion Africa Now ist die einzige Plattform in Deutschland, die über zeitgenössische afrikanische Mode informiert. Es ist eine Vernetzungsplattform, die Kreative aus der Diaspora und afrikanischen Ländern zusammenführt. Wir erzählen aus einer afrikanischen Perspektive, und das in Form von Beiträgen, Fotoshootings, Edutainment Events, Ausstellungen und Pop-up-Shops. Bei Fashion Africa Now geht es um Identitäten und Wissenstransfer. Mode ist inzwischen für die Kreativwirtschaft ein Must-have und auf unserer Plattform gibt es dazu Updates.

 

Wie sieht der typische Beitrag auf Fashion Africa Now aus? Worum geht es?

Wir stellen z. B. Designer oder andere Kreative vor, die derzeit herausragende Arbeiten oder Kollektionen kreieren. Es geht auch um Fashionistas und Stylisten, die herausragende Arbeit leisten. Es sind Persönlichkeiten unterschiedlichen Alters, mit Schwerpunkt auf Mode, die in der „African Fashion“-Szene einen Namen haben.

 

Sie suchen die Leute, die sie selbst inspirieren?

Ja, ich arbeite gerne mit Designern, die mich inspirieren, und die Szene ist so groß und vor allem besitzt sie sehr viel Potenzial, sodass ich aus ihr schöpfen kann. Ich finde es wichtig, dass im deutschen Raum Menschen erfahren, was in Ghana, Ruanda und anderenorts passiert. Aus Ruanda kennt man eher die Technologie und Digitalisierung, aber es gibt dort auch Modedesigner, die durchaus in den deutschen Einzelhandel gehören.

 

Des Weiteren schreiben uns Initiativen an, z. B. die Initiative „Falling Whistles“. Das ist eine Non-Profit-Organisation, die sich für Frieden im Kongo einsetzt. Dort gab es Kindersoldaten. Besonders kleine und junge, die keine Waffen tragen konnten, waren dort nur mit „Whistles“, also Trillerpfeifen, im Kampf. Heute hat die Organisation mit ihrer Plattform auch eine Art „Whistle“ gefunden, um dieses zu dokumentieren. Sie haben auch eine solche „Whistle“ als Schmuckstück kreiert, die ich für ein Fotoshooting verwendet habe. Das ist ein Beispiel von vielen, wie auch politische Botschaften in meine Arbeit eingebunden werden.

 

Mit Fashion Africa Now wollen Sie das Wachstum der afrikanischen Kreativindustrie fördern. Was ist Ihre Vision für die Zukunft der Kreativindustrie, insbesondere für die Modeszene, in Afrika?

Es ist an der Zeit, dass der deutsche Einzelhandel und die Einkäufer die Courage zeigen, denn die Nachfrage ist da. Aber diese Courage fehlt mir manchmal in Deutschland – vor allem, wenn ich nach Paris oder London schaue.

 

In großen Häusern gibt es natürlich Strukturen, die zum Teil für junge Designer afrikanischer Herkunft nicht funktionieren. Aber kleinere Boutiquen, die eine durchaus einfachere Handhabe haben, könnten afrikanische Designer anbieten. Die Mode sollte selbstverständlicher werden. Momentan führen wir ja immer noch den Titel „African Fashion“. Zum Glück sind wir immerhin weg vom Begriff „Ethnomode“. Aber Mode afrikanischer Designer ist alles, auch High-End, Luxus, Premium. Dementsprechend ist die Vision, dass es selbstverständlich wird, dass ein Made-in-Africa-Produkt eine Qualität besitzt und zugleich tragbar ist, und dass nicht nur für Menschen afrikanischer Herkunft. Das bekomme ich immer wieder zu hören: „Die Mode ist nur für Menschen mit dunkler Haut“. Davon muss man sich freimachen. Es gibt verschiedene Textilien, Strukturen, Muster, die durchaus für jegliche Nationalität funktionieren. Die Vision ist auch, dass die Manufakturen in afrikanischen Ländern einen Schwung erhalten. Damit meine ich eine Finanzierung, um die Beschäftigung zu steigern und Equipment nachzurüsten. So kann eine Infrastruktur entstehen, sodass in den afrikanischen Ländern die Modewirtschaft stabil und in Takt bleibt.

 

Beschäftigung ist sowieso ein wichtiger Punkt. Meines Erachtens gäbe es so viele Möglichkeiten, auch Geflüchtete in Deutschland in diesen Kontext einzubinden. In vielen afrikanischen Ländern fehlt es an Know-how und an Wissenstransfer. Viele Geflüchtete, die auch aus afrikanischen Ländern kommen, haben durchaus das Potenzial, den Willen, die Motivation, etwas zu lernen. Die Überlegungen, wie man Geflüchtete und Kreativwirtschaft zusammenführen kann, müssen intensiviert werden. Für die Modewirtschaft gäbe es verschiedene Konzepte, zu denen ich mich gern austauschen würde. Auf Bundesebene muss diese Expertise stärker zusammengebracht werden. Denn wir haben hier die Möglichkeit, Menschen eine Ausbildung zu geben. Und an dieser Ausbildung fehlt es in vielen afrikanischen Ländern. Bildet man hier die Menschen aus, bringen sie bei der Rückkehr ihre Expertise wieder zurück in ihre Heimat. Das ist eine Win-win-Situation. Da sehe ich aktuell noch Defizite in Deutschland, die nicht existieren müssten. Ich bin gern zum Austausch bereit.

Wenn wir über die afrikanische Modeszene reden, sprechen wir natürlich über einen ganzen Kontinent. Vielleicht können Sie dennoch versuchen zu beschreiben, was die Modeszene in Afrika ausmacht.

Das ist richtig, denn „African Fashion“ heißt nicht, dass die Modeszene auf dem ganzen Kontinent gleichermaßen ausgeprägt ist. Es gibt Fashion Hubs wie Dakar, Abidjan, Lagos, Kapstadt, Johannesburg oder Accra. Auch die sind alle unterschiedlich ausgeprägt, das heißt, sie haben unterschiedliche Strukturen und Kaufkraft. Die Elite und Mittelschicht in diesen Städten leistet sich Kleidung, die den lokalen Markt fördern. Sie sind finanziell unabhängig und möchten internationale Lifestyle Brands konsumieren. Oft ist die Tendenz, in internationale Brands zu investieren größer. Lagos ist ein gutes Beispiel, wenn es um den Support lokaler Brands geht, außerdem gibt es diverse Fashion-Plattformen, die ein Aufstreben sichtbar machen.

 

Äthiopien ist ein anderes Beispiel. Das ist ein Vorzeigeland für Manufakturen. Internationale Modemarken produzieren in Äthiopien. Einige Fashion Hubs werden für die internationale Modeproduktion immer interessanter.

 

Wie schätzen Sie die internationale Relevanz dieser Fashion Hubs ein?

Lagos, aber auch Kapstadt und Johannesburg sind inzwischen aus der internationalen Fashion-Landschaft nicht mehr wegzudenken. Einkäufer aus New York, L.A. und asiatischen Ländern fliegen dorthin, um sich Design bzw. Designerinnen und Desig­ner anzuschauen. Die Internationale Luxury Conference des Medienunternehmens Condé Nast wurde 2012 im Zeichen Afrikas gesetzt. Für die Luxushäuser ist Afrika „the next big Thing“ für Textilien und Kreativität.

 

Sie befassen sich bei Fashion Africa Now aber nicht nur mit Designern, die heute in Afrika leben und produzieren, sondern auch mit der afrikanischen Diaspora. Kann man bei den Modedesigns Unterschiede feststellen?

Das kann man schon. Die Designer, die in der Diaspora leben, haben oft nicht den Zugang zu lokalen Textilien. Das ist natürlich ein großer sicht-barer Unterschied. Aber es gibt auch Unter­schiede in der Form. Bei einigen fließen europäische und afrikanische Einflüsse zusammen. Gerade wenn man hier aufgewachsen ist und beide Kulturen in sich trägt. Manchmal wird es an den Schnitten deutlich. Aber es gibt auch Unterschiede zwischen den west- und ostafrikanischen Designern, da geht es um Schnitte und vor allem Muster. Es werden auch landestypische traditionelle Kleider in neue, moderne, hochwertige Mode transformiert – da werden Unterschiede durch lokale Traditionen bedingt sichtbar.

 

2013 war der „Africa Fashion Day“ bei der Berliner Modewoche eine Neuerung. Hat die Präsenz afrikanischer Mode auf dem deutschen Markt seitdem zugenommen?

Als ich angefangen habe, gab es zu zeitgenössischer Mode aus Afrika in Deutschland keine Quelle, geschweige denn eine Plattform. Es war wirklich schwierig, überhaupt Gehör zu finden. Die Mercedes-Benz Fashion Week Berlin und die Modemesse Premium waren damals mutig genug, etwas Neues auszuprobieren. Die Bundesregierung hingegen hat zum damaligen Zeitpunkt das Thema Kreativwirtschaft in Afrika nicht ernst genug genommen und keine finanzielle Förderung zur Verfügung gestellt. Schon damals habe ich mich gefragt: Warum wird nicht gesehen, um was für eine boomende Kreativwirtschaft es sich bei der afrikanischen Modeindustrie handelt? Was ist da los in Deutschland? Diese Industrie hat einen Billion-Dollar-Wert! Gerade bei Menschen afrikanischer Herkunft in der Mittelschicht und in den Eliten spielen Mode- und Lifestyle-Produkte eine immer größere Rolle. Jetzt, sechs, sieben Jahre später, ist es ein Thema. Hätte man es eher registriert, hätte Deutschland sehr stark profitieren können.

 

Damals war es eher so, dass man Ethnomode kannte, aber High-End-Fashion aus Afrika war überhaupt nicht angekommen. Meine Initiative gab den Startschuss dafür. Seitdem ist sehr viel passiert: Viele Modemagazine befassen sich mit dem Thema. Das KaDeWe und das Alsterhaus hatten zwischenzeitlich eine Designerin aus Uganda im Sortiment. Galerie Lafayette hat ebenfalls afrikanische Designer mit ins Sortiment aufgenommen. Auch der internationale Markt widmet sich mehr diesem Thema. In der Mode im Allgemeinen sieht man verstärkt den afrikanischen Einfluss. Das ist schon nah an kultureller Aneignung – eine Fragestellung, die natürlich mitschwingt und in den letzten sechs Jahren zugenommen hat. Man muss überlegen, wo da die Grenzen sind. Ein Paradebeispiel sind die einzigartigen Muster eines südafrikanischen Designers, die ihm eindeutig zuschreibbar sind. Das Modehaus Zara hat in seiner Kollektion ein solches eins zu eins übernommen. Mittlerweile haben afrikanische Designer aber eine Power, auch eine finanzielle, sodass ein solches Vorgehen nicht mehr toleriert wird. Insofern bin ich wirklich froh, dass sich auch in der Diaspora vieles getan hat. Es haben sich einige neue Blogs entwickelt. Auch in zeitgenössischer Kunst und im Design sieht man zunehmend Künstler afrikanischer Herkunft.

 

Inwiefern ist Deutschland überhaupt ein interessanter Markt für Designer afrikanischer Herkunft?

Die Kaufkraft in Deutschland ist natürlich attraktiv, aber mit den ganzen Regularien und dem dazugehörenden Papierkram hat sich Deutschland selbst ins Aus geschossen. Schickt man Produkte, Kleider aus afrikanischen Ländern nach Deutschland, hängen sie oftmals im Zoll fest und der Käufer zahlt horrende Zollgebühren. Was soll das? Deutschland verliert da ein Business. In den USA werden die Sachen umsonst eingeflogen. Deswegen boomt der Markt für afrikanische Designs dort.

 

Das ist auch ein Grund, weshalb Deutschland für viele afrikanische Designer gar nicht relevant ist. Unsere Events zeigen immer wieder, wie viele Leute in Deutschland gern diese Mode kaufen möchten. Ein gutes Beispiel ist auch Beyoncé, die verschiedene afrikanische Designer trägt. Die Fans wollen das dann auch tragen – auch in Deutschland, aber es ist schwer verfügbar. Es müssen einfachere Wege gefunden werden.

 

Welche afrikanischen Designer sollte man denn unbedingt kennen?

Heute trage ich z. B. Rich Mnisi, ein südafrikanisches Label. Seine Kleidung ist ein Must-have. Ein Label aus Uganda ist Mercy Me, aus Ghana dann Mimi Plange. Andere sind WearYourMask, Ashes and Soil. Für Männer ist Orange Culture ein tolles Label. Sawa Shoes sind die ersten internationalen Sneaker Shoes made in Äthiopien. Das sind nur einige.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.


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