Must-haves aus Lagos, Accra und Johannesburg

Die Plattform Fashion Africa Now fördert die afrikanische Modewirtschaft in Deutschland

Wenn wir über die afrikanische Modeszene reden, sprechen wir natürlich über einen ganzen Kontinent. Vielleicht können Sie dennoch versuchen zu beschreiben, was die Modeszene in Afrika ausmacht.

Das ist richtig, denn „African Fashion“ heißt nicht, dass die Modeszene auf dem ganzen Kontinent gleichermaßen ausgeprägt ist. Es gibt Fashion Hubs wie Dakar, Abidjan, Lagos, Kapstadt, Johannesburg oder Accra. Auch die sind alle unterschiedlich ausgeprägt, das heißt, sie haben unterschiedliche Strukturen und Kaufkraft. Die Elite und Mittelschicht in diesen Städten leistet sich Kleidung, die den lokalen Markt fördern. Sie sind finanziell unabhängig und möchten internationale Lifestyle Brands konsumieren. Oft ist die Tendenz, in internationale Brands zu investieren größer. Lagos ist ein gutes Beispiel, wenn es um den Support lokaler Brands geht, außerdem gibt es diverse Fashion-Plattformen, die ein Aufstreben sichtbar machen.

 

Äthiopien ist ein anderes Beispiel. Das ist ein Vorzeigeland für Manufakturen. Internationale Modemarken produzieren in Äthiopien. Einige Fashion Hubs werden für die internationale Modeproduktion immer interessanter.

 

Wie schätzen Sie die internationale Relevanz dieser Fashion Hubs ein?

Lagos, aber auch Kapstadt und Johannesburg sind inzwischen aus der internationalen Fashion-Landschaft nicht mehr wegzudenken. Einkäufer aus New York, L.A. und asiatischen Ländern fliegen dorthin, um sich Design bzw. Designerinnen und Desig­ner anzuschauen. Die Internationale Luxury Conference des Medienunternehmens Condé Nast wurde 2012 im Zeichen Afrikas gesetzt. Für die Luxushäuser ist Afrika „the next big Thing“ für Textilien und Kreativität.

 

Sie befassen sich bei Fashion Africa Now aber nicht nur mit Designern, die heute in Afrika leben und produzieren, sondern auch mit der afrikanischen Diaspora. Kann man bei den Modedesigns Unterschiede feststellen?

Das kann man schon. Die Designer, die in der Diaspora leben, haben oft nicht den Zugang zu lokalen Textilien. Das ist natürlich ein großer sicht-barer Unterschied. Aber es gibt auch Unter­schiede in der Form. Bei einigen fließen europäische und afrikanische Einflüsse zusammen. Gerade wenn man hier aufgewachsen ist und beide Kulturen in sich trägt. Manchmal wird es an den Schnitten deutlich. Aber es gibt auch Unterschiede zwischen den west- und ostafrikanischen Designern, da geht es um Schnitte und vor allem Muster. Es werden auch landestypische traditionelle Kleider in neue, moderne, hochwertige Mode transformiert – da werden Unterschiede durch lokale Traditionen bedingt sichtbar.

 

2013 war der „Africa Fashion Day“ bei der Berliner Modewoche eine Neuerung. Hat die Präsenz afrikanischer Mode auf dem deutschen Markt seitdem zugenommen?

Als ich angefangen habe, gab es zu zeitgenössischer Mode aus Afrika in Deutschland keine Quelle, geschweige denn eine Plattform. Es war wirklich schwierig, überhaupt Gehör zu finden. Die Mercedes-Benz Fashion Week Berlin und die Modemesse Premium waren damals mutig genug, etwas Neues auszuprobieren. Die Bundesregierung hingegen hat zum damaligen Zeitpunkt das Thema Kreativwirtschaft in Afrika nicht ernst genug genommen und keine finanzielle Förderung zur Verfügung gestellt. Schon damals habe ich mich gefragt: Warum wird nicht gesehen, um was für eine boomende Kreativwirtschaft es sich bei der afrikanischen Modeindustrie handelt? Was ist da los in Deutschland? Diese Industrie hat einen Billion-Dollar-Wert! Gerade bei Menschen afrikanischer Herkunft in der Mittelschicht und in den Eliten spielen Mode- und Lifestyle-Produkte eine immer größere Rolle. Jetzt, sechs, sieben Jahre später, ist es ein Thema. Hätte man es eher registriert, hätte Deutschland sehr stark profitieren können.

 

Damals war es eher so, dass man Ethnomode kannte, aber High-End-Fashion aus Afrika war überhaupt nicht angekommen. Meine Initiative gab den Startschuss dafür. Seitdem ist sehr viel passiert: Viele Modemagazine befassen sich mit dem Thema. Das KaDeWe und das Alsterhaus hatten zwischenzeitlich eine Designerin aus Uganda im Sortiment. Galerie Lafayette hat ebenfalls afrikanische Designer mit ins Sortiment aufgenommen. Auch der internationale Markt widmet sich mehr diesem Thema. In der Mode im Allgemeinen sieht man verstärkt den afrikanischen Einfluss. Das ist schon nah an kultureller Aneignung – eine Fragestellung, die natürlich mitschwingt und in den letzten sechs Jahren zugenommen hat. Man muss überlegen, wo da die Grenzen sind. Ein Paradebeispiel sind die einzigartigen Muster eines südafrikanischen Designers, die ihm eindeutig zuschreibbar sind. Das Modehaus Zara hat in seiner Kollektion ein solches eins zu eins übernommen. Mittlerweile haben afrikanische Designer aber eine Power, auch eine finanzielle, sodass ein solches Vorgehen nicht mehr toleriert wird. Insofern bin ich wirklich froh, dass sich auch in der Diaspora vieles getan hat. Es haben sich einige neue Blogs entwickelt. Auch in zeitgenössischer Kunst und im Design sieht man zunehmend Künstler afrikanischer Herkunft.

 

Inwiefern ist Deutschland überhaupt ein interessanter Markt für Designer afrikanischer Herkunft?

Die Kaufkraft in Deutschland ist natürlich attraktiv, aber mit den ganzen Regularien und dem dazugehörenden Papierkram hat sich Deutschland selbst ins Aus geschossen. Schickt man Produkte, Kleider aus afrikanischen Ländern nach Deutschland, hängen sie oftmals im Zoll fest und der Käufer zahlt horrende Zollgebühren. Was soll das? Deutschland verliert da ein Business. In den USA werden die Sachen umsonst eingeflogen. Deswegen boomt der Markt für afrikanische Designs dort.

 

Das ist auch ein Grund, weshalb Deutschland für viele afrikanische Designer gar nicht relevant ist. Unsere Events zeigen immer wieder, wie viele Leute in Deutschland gern diese Mode kaufen möchten. Ein gutes Beispiel ist auch Beyoncé, die verschiedene afrikanische Designer trägt. Die Fans wollen das dann auch tragen – auch in Deutschland, aber es ist schwer verfügbar. Es müssen einfachere Wege gefunden werden.

 

Welche afrikanischen Designer sollte man denn unbedingt kennen?

Heute trage ich z. B. Rich Mnisi, ein südafrikanisches Label. Seine Kleidung ist ein Must-have. Ein Label aus Uganda ist Mercy Me, aus Ghana dann Mimi Plange. Andere sind WearYourMask, Ashes and Soil. Für Männer ist Orange Culture ein tolles Label. Sawa Shoes sind die ersten internationalen Sneaker Shoes made in Äthiopien. Das sind nur einige.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.

Beatrace Angut Oola und Theresa Brüheim
Beatrace Angut Oola ist Gründerin und Inhaberin von APYA Productions und der Plattform Fashion Africa Now. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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