Erhöhte Sichtbarkeit

Wie 2020 für Frauen in der Gaming-Branche in Afrika aussah

Aufgrund der Pandemie konnte Sylvia Gathoni, eine kenianische Profi-Gamerin, besser bekannt unter ihrem Gamertag „QueenArrow“, nicht zur „Tekken World Tour 2020“ reisen. Obwohl dies ihre Karriere beeinträchtigte, nutzte Sylvia die Gelegenheit, um mehr digitale Inhalte zu erstellen. So streamt sie auf Twitch und YouTube über ihren Kanal „TheQueenArrow98“, Woche für Woche, sofern ihr Jurastudium es zulässt. Sylvia hatte zudem die Möglichkeit, als digitale Influencerin mit lokalen kenianischen Marken zusammenzuarbeiten. Sie ermutigt andere afrikanische Frauen, sich selbst offensiver zu vermarkten und für neue Möglichkeiten einzusetzen. „Ich glaube, dass wir aufgrund unserer Erziehung (als afrikanische Frauen) dazu neigen, ein wenig zurückhaltend zu sein, wenn es darum geht, unsere Ziele zu erreichen. Deshalb sind uns die Männer einen Schritt voraus. Sie bemühen sich um das, was sie wollen, und wenn es so sein soll, dann wird es so sein. Wir brauchen die gleiche Einstellung, um das zu erreichen, was wir wollen!“

 

Auf der anderen Seite des Kontinents in Burkina Faso erklärt Evelia Gadegbeku, Präsidentin von „Enter Africa“, einer Initiative des Goethe-Instituts zur Vernetzung von Gamerinnen und Gamern, inwiefern 2020 für sie und ihre Kollegen ein Jahr der Neuausrichtung war. Da geplante Aktivitäten verschoben wurden und ihr Entwicklerteam plötzlich die gesamte Zusammenarbeit online bewerkstelligen musste, waren die Pläne für den kommenden Spielprototyp kurz davor, sich in Luft aufzulösen. Die Absage von Konferenzen und Messen sowie die plötzliche Unterbrechung der Finanzierung brachten das Team in eine sehr schwierige Lage, die sie alle zum Umdenken zwang.

 

„Es schien uns offensichtlich, dass andere Möglichkeiten erkundet werden mussten. Wir spürten die Begeisterung der Öffentlichkeit für Online-Spiele und gingen dazu über, E-Sport-Wettbewerbe zu organisieren, um unsere übliche Game Night zu ersetzen und die Gemeinden zusammenzuhalten.“ Der Start der kontinentübergreifenden E-Sports-Serie von Evelia und ihren Partnern ist für Mitte Januar 2021 geplant. „Wenn man mein Jahr 2020 in einem Wort zusammenfassen würde, wäre es Widerstandsfähigkeit“, fährt Evelia fort. Ich weiß, dass viele Vorreiterinnen und Unternehmer auf dem Kontinent dieses Gefühl kennen. Der Druck, seine Ziele zu erreichen und davon zu leben, hat sich durch die Pandemie vervielfacht.

 

Einen weiteren Aspekt, den diese Pandemie mit sich brachte und der auch ein paar mehr Türen für Frauen auf dem Kontinent geöffnet hat, ist die Verfügbarkeit von Homeoffice-Arbeitsplätzen. Adoné Kitching kam letztes Jahr als Produzentin zum Indie-Game-Publisher „Devolver Digital“ und arbeitet im Homeoffice von ihrem Wohnsitz in Kapstadt aus. Im selben Jahr kam Kirsten Lee Naidoo als Projektassistentin zur Videospielberatungsagentur „Robot Teddy“. Kirsten berichtet, dass ihre Position bei Robot Teddy es ihr erstmals ermöglicht hat, Teil von Gesprächen zu sein, an denen sie sonst nie teilgenommen hätte. Sie bestätigt den Mehrwert, den sie durch ihre Arbeitsposition von zu Hause aus erfährt. „Es gibt ohnehin nur noch wenige südafrikanische Spielestudios und viele von ihnen haben weder die Zeit noch die Ressourcen, Personal aus- und weiterzubilden. Daher ist es wirklich großartig, dass ich bei einer Firma wie Robot Teddy Erfahrungen sammeln darf.“ Obwohl wir oft nicht in die Einstellungsentscheidungen von Gaming-Firmen eingeweiht sind, sollte die zunehmende Sichtbarkeit afrikanischer Frauen in Schlüsselpositionen der Branche weiter verfolgt werden.

 

Ich bin mir bewusst, dass die Berichte einer Handvoll Frauen nicht vollständig aufzeigen, wie es ist, eine afrikanische Frau in der Gaming-Branche zu sein. Als Panafrikanistin glaube ich jedoch, dass der Fortschritt einer steigenden Anzahl afrikanischer Frauen in einflussreichen Positionen der Branche und die Entwicklung, ihnen mehr Plattformen zur Kommunikation ihrer Ideen zu geben, Mittel sind, die uns alle, die wir gemeinsam von systematischen Problemen in unserer Region betroffen sind, bestärken. Das gilt auch für die Sichtbarkeit von farbigen Frauen im Gaming-Bereich weltweit. Wenn es mehr Möglichkeiten gäbe, dann könnten die Herausforderungen, mit denen sich Frauen in der Gaming-Industrie konfrontiert sehen, direkter angegangen werden. Und so könnten die Hindernisse für Frauen aus aller Welt Stück für Stück aus dem Weg geräumt werden. Sogar die junge Frau aus Sambia in mir hätte sich nie eine Zukunft vorstellen können, in der sie vertraute Gesichter weltweit ausgestrahlt sieht. Das bedeutet, dass die Gaming-Industrie mehr für uns tun kann.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2021.

Sithe Ncube
Sithe Ncube ist seit 2013 ein aktives Mitglied der afrikanischen Spieleentwickler-Community. Derzeit leitet sie das Projekt prosearium.net, das darauf abzielt, 1.000 Beiträge afrikanischer Frauen im Gaming-Bereich zu dokumentieren.
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