Mit der nahezu obligatorischen sozialen Isolation aufgrund der Corona-Pandemie entdeckten viele Menschen weltweit online ein neues Leben für sich. Physische Gaming-Konferenzen und Game Jams wurden durch Online-Versionen ersetzt, einige experimentierten zum ersten Mal mit ganz neuen Formaten. Die Nachfrage nach digitalen Inhalten stieg, da mehr Menschen als je zuvor auf das Internet angewiesen waren, um mit anderen in Kontakt zu treten. Insbesondere die Spieleindustrie profitierte von diesem Digitalisierungsschub. Unterhaltung von zu Hause aus und Social Gaming erfuhren einen enormen Aufschwung. Ich konnte zudem eine weitere Entwicklung beobachten, bewirkt durch die zunehmende Verlagerung des Lebens ins Internet: die erhöhte Sichtbarkeit afrikanischer Frauen im Gaming-Bereich.
Seit Jahren habe ich ein persönliches Interesse daran, dass mehr afrikanische Frauen in der Gaming-Branche sichtbar werden. Dafür verfolge ich den Fortschritt von Gamerinnen aus Afrika, die als Sprecherinnen auf Konferenzen auftreten, über die in der Presse berichtet wird, deren Aktivitäten in den sozialen Medien und alles an Inhalten, was ich als durchschnittliche Konsumentin irgendwie wahrnehmen kann. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, 1.000 Beiträge afrikanischer Frauen im Gaming-Bereich durch meine Initiative prosearium.net zu dokumentieren. Die Relevanz einer erhöhten Sichtbarkeit dieser Frauen ist also nicht unbemerkt geblieben.
Letztes Jahr beispielsweise war Bahiyya Khan, eine preisgekrönte Spieledesignerin und Autorin aus Johannesburg, als Hauptrednerin bei der digitalen Edition des australischen „Freeplay Independent Games Festival“ zu Gast und hielt eine flammende Rede über die immer noch vorherrschenden Ungerechtigkeiten, denen Frauen in der Gaming-Branche begegnen. Dies war ihr erster Auftritt als Keynote-Speakerin. Anhand eines kurzen Films sowie ihrer Rede gewährte Bahiyya Khan einen Einblick in das Leben in ihrer Heimat Lenasia und sprach über ihre Erfahrung, sich in verschiedenen Gemeinden nicht willkommen zu fühlen. Probleme, die sie bei Events zur Spieleentwicklung erlebt hatte, reichten dabei vom Mangel an nichtalkoholischen Getränken und Catering, das nicht halal ist, bis zur Belästigung der weiblichen Teilnehmerinnen.
„Erhebt eure Stimmen!“, war eine der Hauptaussagen der globalen #Black- LivesMatter-Proteste von 2020. Im Zuge dessen wurden die Diskussionen über Rassismus in der Industrie neu entfacht und die Gaming-Industrie wurde noch stärker auf ausgrenzende Praktiken geprüft, die die Beteiligung schwarzer Spieleentwicklerinnen und -entwickler in der Branche beeinträchtigen. Da das Jahr unter dem Stern einer globalen Pandemie stand, fand der Aktivismus vor allem im digitalen Raum eine Plattform. Dort hat sich ein Ort gebildet, an dem wir direkter und offener über die guten wie auch schlechten Erfahrungen sprechen können, die Schwarze in der Gaming-Branche gemacht haben. Mit der so erhöhten Aufmerksamkeit für bestehende Benachteiligung bildeten sich zudem Initiativen, die gezielt schwarze Spieleentwicklerinnen und -entwickler unterstützen, wie „#POCinPlay und Humble Games’ Black Game Developer Fund“.
Das gesamte Jahr 2020 hat Limpho Moeti, Produzentin und Unternehmensentwicklerin bei Nyamakop, über „The Importance of Being Authentic“ – Wie wichtig es ist, authentisch zu sein – und die „Commodification of Black Pain in Pop Culture“ – Kommodifizierung des Schmerzes Schwarzer in der Popkultur – gesprochen. Ich befürworte ihre Kritik an der allzu oft missgestalteten Darstellung Afrikas, selbst in einer Ära nach Marvel’s „Black Panther“. Limpho sprach davon, wie selbst die scheinbar erhebende „Wakandifizierung“ Afrikas noch immer eine verzerrte Sicht auf den Kontinent fördert. Selbst als großer Black-Panther-Fan bedauert sie, „wie dieser Film all die ungleichen Kulturen und Glaubensrichtungen nimmt und sie zu einer verwebt. Das festigt den Gedanken, dass es einen richtigen Weg gibt, schwarz zu sein. Einen richtigen Weg, unsere Kultur zu zeigen.“ Limpho Moetis Rede ist zumindest online, dank der „Online Game Devs of Color Expo“, für immer verewigt. Sie selbst hat ihre Erkenntnisse über authentische Repräsentation der afrikanischen Kultur und Lektionen zur Unternehmensentwicklung in Afrika außerdem auf Plattformen wie der „Devcom Game Dev Show“, der „Africa Games Week“ sowie „GamesIndustry.biz“ geteilt.
Eine weitere Afrikanerin, der ich gerne bei der Präsentation ihrer Arbeit zugesehen habe, ist Estelle Makhoba. Sie hat ihr Indie-Spiel „Ambi“ auf der „Devcom Game Dev Show“ mit zahlreichen anderen südafrikanischen Gästen vorgestellt. Es war das erste Mal, dass ich eine Afrikanerin gesehen habe, die ihre Arbeit als unabhängige Indie-Spieleentwicklerin in einer Live-Show präsentierte. „Ich konnte den Code zu drei verschiedenen Spielen beisteuern, habe auch ein paar Online-Vorträge gehalten sowie Showcases meiner Arbeit durchgeführt“, sagt Estelle, erfreut über ein für sie produktives Jahr 2020.
Dies ist jedoch bei Weitem nicht die einzige Weise, auf die afrikanische Frauen in der Gaming-Branche im Jahr 2020 sichtbarer wurden. Eine wichtige, oft übersehene Rolle von Frauen in der Gaming-Industrie ist die der Konsumentinnen. Afrikanische Frauen bilden da keine Ausnahme. Ich konnte online einen Aufschwung von Gamerinnen beobachten, seien sie YouTuberinnen, kompetitive Gamerinnen oder Streamerinnen. Malindi Chipenzi aus Sambia beispielsweise nahm das Jahr der Isolation zum Anlass, mehr von ihren Spielerfahrungen mit Freundinnen und Freunden über die sozialen Medien zu teilen und startete sogar einen eigenen YouTube-Kanal namens „Mali-Chan’s Bizarre Adventures“. Mit etwas mehr als 150 Abonnentinnen und Abonnenten und einem eigenen Discord-Server freut sie sich, online auf Gleichgesinnte in der neuen Normalität zu treffen.