Klappe und Action – und Zensur

Im Gespräch mit Manishe Hekmat und Pegah Ahangarani über die iranische Filmindustrie

 

Wenn Sie das Geld für einen Film zusammenbekommen, sind sie mit den heutigen technischen Möglichkeiten nicht mehr auf alte Ausspielwege angewiesen. Welche Auswirkungen hat das?

MH: Zensur greift tatsächlich nicht immer und überall. Filme können heute via Internet überall gezeigt werden. Ein Film ist an sich keine Bedrohung für das Land. Er ist keine politische Bewegung. Wenn ein Film durch die vielen Eingriffe unverständlich geworden ist, könnte ich nachdrehen. Aber ich bin dann oft zermürbt und verzichte darauf. Deshalb werden die Filme unverständlich, holprig. Man fängt mit viel Energie an und bei dem Gremium verliert man den letzten Tropfen Energie, als ob sie mit einer Spritze rausgesogen wird. Hier will man nur den Film beenden und abschließen.

 

Warum sind iranische Filme trotz der vielen Probleme international relativ erfolgreich?

MH: Ich war bisher sehr kritisch. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die iranische Filmindustrie etwas Besonderes ist. Wir dürfen z. B. unsere zahlreichen Regisseurinnen nicht übersehen. Wir haben über 50 Regisseurinnen. Ich glaube nirgendwo gibt es im Verhältnis zur Bevölkerungszahl so viele Regisseurinnen. Sicher nicht in Asien und im Nahen Osten. Auch ihre Präsenz in anderen Feldern der Filmindustrie ist sehr hoch. Iranische Filmemacher haben eine sehr humanistische Weltsicht. Ihre Geschichten beschäftigen sich stark mit gesellschaftlichen, aber auch mit globalen Problemen.

 

Welche Zukunft hat die iranische Filmindustrie?

PA: Ich beobachte eine Antriebslosigkeit – in der Filmindustrie wie auch in der Bevölkerung. Ja, auch in der Regierung. Mit Antriebslosigkeit meine ich fehlende Ambition, den fehlenden Willen zum Handeln. Ich sehe viele junge Menschen, die z. B. in sozialen Medien wie Facebook um sich schlagen. Ich verstehe, wo das herkommt: Sie werden verrückt von diesem fehlenden Handlungswillen. Diese Antriebslosigkeit wandelt sich zu Wut und Aggression. So geht es allen, der Regierung, dem „Haus des Films“, alle sind lethargisch. In einer solchen Stimmung in der Gesellschaft, kann man nicht erwarten, dass sich etwas im iranischen Kino tut.

 

MH: Viele Filme werden hier nicht mehr gezeigt. Sie werden weltweit vertrieben. Früher war es doch nicht möglich, fünf große Filmrollen in die Tasche zu stecken und über die Grenzen zu schaffen. Wir tun nach wie vor unsere Arbeit. Die zustän-digen Herrschaften sollten klug genug sein, sich anzupassen. Ich denke etwas Neues ist im Verzug. Die neuen Mittel, die neue Techno-logie definiert die Begriffe anders und drängt auf neue Strukturen.

 

Dieser Text ist zuerst in der Politik & Kultur 1/17 erschienen.

Reinhard Baumgarten
Reinhard Baumgarten ist Redakteur bei SWR Ausland und Europa. Er war bis 2018 Hörfunkkorrespondent der ARD für die Türkei, Griechenland und den Iran.
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