Wahlprüfsteine zur Europawahl

Was wollen die Parteien im Europäischen Parlament bewegen?

Digitalsteuer
Für die Einführung einer Digitalsteuer sprechen sich Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke aus. Die CDU/CSU will allgemein Lücken in der Besteuerung von Internetunternehmen schließen. Die AfD will sich auf Maßnahmen gegen Gewinnverlagerung von US-Internetkonzernen konzentrieren. Die FDP lehnt eine Digitalsteuer klar ab. Sie will die Diskussion um eine angemessene Besteuerung der digitalen Wirtschaft auf OECD-/G20-Ebene fortführen. Die SPD will ebenfalls internationale Diskussionen befördern, zugleich aber auch Lösungen auf EU-Ebene vorbereiten.

 

Urheberrechtsinitiativen
CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen gehen davon aus, dass es angesichts
der in diesem Jahr verabschiedeten EU-Urheberrechtsrichtlinie kein Bedarf an europäischen Initiativen besteht. Bei der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie sprechen sich beide gegen Upload-Filter aus. SPD, FDP, Die Linke und die AfD sind ebenfalls gegen Upload-Filter bei der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie. Als neue Initiativen will die SPD Verbesserungen im Vertragsrecht für Künstler in das Europäische Parlament einbringen. Die FDP setzt langfristig zur Durchsetzung von Urheberrechten im digitalen Zeitalter auf neue Technologien. Die Linke hat vor allem Kultur- und Gedächtniseinrichtungen im Blick. Sie will sich für weitergehende Schrankenregeln und Ausnahmen stark machen, um das kulturelle Erbe den Bürgern zugänglich zu machen. Aus Sicht der AfD wurde die EU-Urheberrechtsreform genutzt, um die Meinungsfreiheit einzuschränken. Diese Position wird von Die Linke geteilt.

 

Sicherung der kulturellen Vielfalt in internationalen Handelsverträgen
CDU/CSU sichern zu, dass bei Abschluss von internationalen Handelsverträgen wie TTIP oder CETA Kulturstrukturen keinen Schaden nehmen werden. Die SPD befürwortet breit gefasste Ausnahmen bei internationalen Handelsabkommen für die Kulturindustrien und Kulturdienstleistungen. Weiter sollen die Mitgliedstaaten vollständige Regulierungsfreiheit haben und Subventionen aus dem Anwendungsbereich ausgeklammert werden. Die AfD will Bildung und Kultur bei internationalen Handelsverträgen weitgehend ausklammern, da sie in den nationalen Verantwortungsbereich gehören. Bündnis 90/Die Grünen erinnern an den Doppelcharakter von Kulturgütern als Wirtschafts- und Kulturgut. Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung kultureller Ausdrucksformen muss daher bei internationalen Handelsverträgen angewandt werden. Weiter sollen audiovisuelle Dienste von Handelsverträgen aus geschlossen werden. Die Linke will darüber hinaus öffentliche Angebote aus Handelsverträgen ausnehmen. Die FDP strebt einen schonenden Ausgleich der Interessen an und unterstreicht den Doppelcharakter von Kulturgütern.

 

Auswärtige Kulturpolitik beim Auswärtigen Dienst der EU
Die SPD unterstützt die Bestrebungen des Rates die internationalen kulturellen Beziehungen verstärkt in die Außenpolitik der EU einzubeziehen. Weiter soll die Auswärtige Kulturpolitik der EU europäische Werte wie Menschenrechte, Toleranz und Anti-Diskriminierung in der Welt verbreiten. Bündnis 90/Die Grünen wollen sich ebenfalls für eine stärkere Auswärtige Kulturpolitik in den auswärtigen Beziehungen der EU einsetzen. Sie haben
darum das Pilotprojekt „European Houses of Cultures“ initiiert. Die FDP will eine Kulturabteilung für den europäischen Auswärtigen Dienst schaffen, dies soll auch der Entwicklung einer europäischen Auswärtigen Kulturpolitik gegenüber Drittstaaten dienen. Die Linke setzt auf eine stärkere Förderung der Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Rahmen von „Kreatives Europa“. Ferner wollen sie die Debatte um das koloniale Erbe europäisieren. CDU/CSU wollen die europäische Dimension der Auswärtigen Kulturpolitik im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 auf die Agenda setzen. Die AfD spricht sich gegen die Vermittlung einer „europäischen Einheitskultur“ aus, vielmehr soll ein positives Deutschlandbild vermittelt werden. Weiter bekennt sich die AfD zur besonderen Fürsorgepflicht für deutsche Minderheiten im Ausland.

 

Einbeziehung der Zivilgesellschaft in Beratungs- und Entscheidungsprozesse
Die SPD will sowohl nationale als auch europäische Akteure stärker in die Beratungs- und Entscheidungsprozesse zur europäischen Kulturpolitik einbinden. Hierbei wird an Zusammenkünfte ähnlich dem Stakeholder-Ausschuss des Europäischen Kulturerbejahres 2018 gedacht. Bündnis 90/Die Grünen verweisen darauf, dass zivilgesellschaftliche Organisationen bei der Implementierung des Arbeitsprogramms konsultiert werden, auch werden sie bei der Auswertung der Programme beteiligt. Dies soll fortgesetzt werden. Die Linke wünscht sich ein stärkeres Lobbying des Deutschen Museumsbundes auf der europäischen Ebene, damit entsprechende Änderungen im Urheberrecht zur Ausweitung der Schrankenregelungen angegangen werden können. Darüber hinaus will Die Linke den Austausch mit Kulturakteuren, auch mit denen, deren Auffassungen sie nicht teilt, fortführen. Die FDP plant ein europäisches Vereins-, Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht sowie einen Stiftungsdialog auf europäischer Ebene. CDU/CSU unterstreichen, dass in erster Linie die Mitgliedstaaten für Kulturpolitik und Gestaltung des kulturellen Lebens verantwortlich sind. Gleichwohl wollen sie sich für einen Ausbau der kulturellen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten verwenden. Die AfD lehnt den Begriff der Zivilgesellschaft ab und wertet ihn als Agitationsbegriff. Sie sieht einen wachsenden Einfluss nicht legitimierter zivilgesellschaftlicher Organisationen unter Umgehung nationaler Parlamente. Eine weitere Einbeziehung solcher Organisationen in Beratungs- und Entscheidungsprozesse wird kritisch bis ablehnend gesehen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2019.

 


 

  • Hier können Sie die Synopse der Antworten der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien auf die 10 Fragen des Deutschen Kulturrates
    zur Europawahl 2019 abrufen.

 

 

Gabriele Schulz
Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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