Wahlprüfsteine zur Europawahl

Was wollen die Parteien im Europäischen Parlament bewegen?

Was wollen die Parteien in den kommenden fünf Jahren im Europäischen Parlament bewegen? Welche Akzente wollen sie setzen? Planen sie Reformen im Steuerrecht oder im Urheberrecht? Welche Bedeutung messen sie der Kunst- und Meinungsfreiheit zu? Welche Rolle soll der gemeinsamen Auswärtigen Kulturpolitik im Auswärtigen Dienst der Europäischen Union zukommen? Diese Fragen hat der Deutsche Kulturrat den sieben im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien (CDU, CSU, SPD, AfD, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen) gestellt. Alle Parteien haben erfreulicherweise geantwortet. CDU und CSU haben zu dieser Wahl ein gemeinsames Wahlprogramm und antworteten daher zusammen.

 

Wie immer lohnt es sich, vor der Wahl genau zu schauen, was die verschiedenen Parteien im neuen Parlament anstreben. Im Folgenden werden einige besonders prägnante Aspekte kursorisch dargestellt. Alle Antworten können hier nachgelesen werden. Eine Synopse der Antworten finden Sie hier.

 

Stärkung der Europäischen Union
Mit Ausnahme einer Partei wollen alle befragten Parteien ein starkes Europa. Die Union setzt auf ein Europa, das allen dient. Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke wollen insbesondere das Initiativrecht des Europäischen Parlaments stärken. Die SPD will ein starkes und nachhaltiges Europa. Die FDP unterstreicht, dass die Einheit Europas das Beste ist, was allen passieren konnte. Hieraus entstehen Freiheit, Frieden und Wohlstand. Allein die AfD vertritt eine andere Position. Sie will ein Europa der Vaterländer und sich für die Abschaffung des Europäischen Parlaments stark machen. Sollte dies nicht in einem angemessenen Zeitraum möglich sein, soll Deutschland aus der EU austreten oder sich für eine Auflösung der EU stark machen.

 

Kulturpolitische Initiativen
Die Union will ein besonderes Augenmerk auf die Kultur- und Kreativwirtschaft richten und deren Rahmenbedingungen verbessern, demgegenüber setzt die SPD auf die Zugänglichkeit von Kunst und Kultur für alle EU-Bürger. Hierzu soll ein Europäischer Kulturscheck für Jugendliche eingeführt werden. Weiter sollen die Programmmittel für „Kreatives Europa“ mindestens verdoppelt und eine europaweite Mindestsicherung für Künstler eingeführt werden. Die Verbesserung des Zugangs zu Kunst und Kultur ist auch ein wichtiges Anliegen von Bündnis 90/Die Grünen. Für den Ausbau der Kulturförderung will sich ebenfalls Die Linke einsetzen. Sie plant ferner ein Fair-Work-Siegel für europäische Kulturunternehmen. Die FDP will ein stärkeres Engagement im internationalen Kulturaustausch und bei der europäischen Kulturförderung Bürokratie abbauen. Ferner soll ein europaweiter Kulturfonds zum Schutz des europäischen Kulturerbes nach dem Beispiel des britischen „National Trust“ geschaffen werden. Die AfD hat sich zum Ziel gesetzt, die bestehende aus ihrer Sicht ideologische EU Kulturpolitik zu demaskieren. Bei finanziellen Förderungen soll der europäische Gedanke nicht mehr erforderlich sein.

 

Kunst- und Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit liegt allen befragten Parteien am Herzen. Für die Union ist die Meinungsfreiheit Grundlage für einen freiheitlich demokratischen Staat. CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen sich für einen Expertenrat einsetzen, der in allen EU-Mitgliedstaaten die Einhaltung der Meinungsfreiheit prüfen soll. Bei Verstößen sollen Sanktionen verhängt werden können. Zusätzlich wollen SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit einem Fonds unabhängigen Journalismus in jenen Ländern stärken, in denen die Meinungsfreiheit unter Druck ist. Die FDP hält die Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit für essenziell für eine freiheitliche Gesellschaft. Die Gewährung finanzieller Mittel soll künftig an die Einhaltung der EU-Grundrechtecharta gebunden werden. Die Agentur der EU für Grundrechte soll Mandat zur Bewertung der Menschenrechtslage in den Mitgliedstaaten erhalten. Die Linke lobt „Die Vielen“ als wichtige Initiative, die Einschränkungen der Kunstfreiheit sichtbar macht. Ansonsten sieht sie die Kunst- und Meinungsfreiheit in erster Linie durch die EU-Urheberrechtsreform bedroht. Die AfD wendet sich klar gegen Bestrebungen Hassreden im Internet zu bekämpfen, da sie dies als Einschränkung der freien Meinungsäußerung sieht. Ebenfalls skeptisch ist sie mit Blick auf Maßnahmen gegen Mitgliedstaaten, die gegen die EU-Urheberrechtsrichtlinie verstoßen. Sie dürfen nur bei zweifelsfreien, gravierenden Fällen in Erwägung gezogen werden.

 

Förderfonds für bedrängte Kulturakteure
Ein Förderfonds für Kulturakteure, denen aus politischen Gründen die Förderung entzogen wurde, wird mehrheitlich skeptisch beurteilt. Bündnis 90/Die Grünen und die SPD verweisen auf die begrenzten Kompetenzen der EU. CDU/ CSU unterstreichen, dass Vorschriften von Zuwendungsnehmern eingehalten werden müssen. Die AfD befürchtet, dass ein solcher Fonds bestehende EU-Eliten unterstützen würde, dies liefe ihren Zielen zuwider. Einzig die FDP will im Rahmen von „Kreatives Europa“ ein Förderinstrument zur Unterstützung politisch bedrängter Künstler schaffen.

 

Medienpluralismus
Medienpluralismus wird bei CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen ganz großgeschrieben. CDU/CSU wollen europäische Medienangebote gezielt voranbringen und planen hierfür gemeinsame Medienplattformen der öffentlich-rechtlichen Sender. Weiter wollen sie die Rahmenbedingungen für guten Journalismus ebenso stärken wie die europäische digitale Bibliothek. Die SPD will sich besonders für Netzneutralität einsetzen sowie technologieneutrale und interoperable Standards für Medienplattformen. Bündnis 90/ Die Grünen wollen einen europäischen Fonds für investigativen Journalismus. Weiter setzen sie sich für eine nachhaltige Digitalökonomie ein. Die FDP spricht sich klar für Medienpluralismus in allen Mitgliedstaaten aus. Weiter soll eine europäische Medienöffentlichkeit geschaffen werden. Die Linke sieht ebenso wie die AfD in der EU-Urheberrechtsrichtlinie die größte Gefahr für Medienpluralismus. Weiter will sich Die Linke für Plattformregulierung und eine strenge Anwendung des Kartellrechts stark machen. Auch die AfD hat die Plattformregulierung im Blick. Ferner will sie die Diskriminierung politisch missliebiger Positionen durch Plattformen beenden.

Gabriele Schulz
Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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