Antworten der FDP auf die Wahlprüfsteine zur Wahl des Europäischen Parlaments 2019

1. Wollen Sie sich für eine weitere Stärkung der Europäischen Union einsetzen? Wenn ja, welche Maßnahmen planen Sie hierzu? Wenn nein, warum nicht? Teilen Sie den Eindruck des Deutschen Kulturrates, dass die Durchsetzung von Partikularinteressen in der Europäischen Union an Bedeutung gewinnt? Wie soll Europa hierauf reagieren? Was wollen Sie unternehmen, um der gemeinsamen ldee von Europa mehr Schlagkraft zu geben und den Zusammenhalt in der Europäischen Union zu verbessern?

 

Wir Freie Demokraten sind davon überzeugt, dass die Einheit Europas das Beste ist, was uns allen passieren konnte. Sie hat Freiheit, Frieden, Wohlstand und Chancen für jede Einzelne und jeden Einzelnen von uns geschaffen. Doch in der Tat driftet die Europäische Union heute zunehmend auseinander: Nord und Süd, Ost und West, Klein und Groß. Und wie der Brexit zeigt, ist sie längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Populisten von rechts wie links versuchen sowohl in den Mitgliedstaaten als auch immer stärker im Europäischen Parlament selbst, unser gemeinsames Europa zu bekämpfen.

 

Um der weit verbreiteten Skepsis zu begegnen, wollen wir Freie Demokraten die Europäische Union grundlegend reformieren und wieder handlungsfähiger machen – durch mehr Bürgerbeteiligung, institutionelle Reformen und Bürokratieabbau. Wir fordern insbesondere das volle Initiativrecht für das Europäische Parlament, die Konzentration auf Aufgaben mit europäischen Mehrwert, mehr Mehrheitsentscheidungen im Rat und eine Verkleinerung der EU-Kommission. Bis spätestens 2022 soll ein Europäischer Konvent einberufen werden, der den Weg zu einer gemeinsamen Verfassung ebnet.

 

Ein besonderes Anliegen ist es uns, die europäische Idee wieder mit Leben zu füllen. Menschen aller Bevölkerungsgruppen sollen unmittelbar in ihrem Alltag erfahren können, warum Europa ihre Zukunft ist. Durch mehr digitale Beteiligung und die Förderung von Sprachkompetenz wollen wir Europa nahbarer und verständlicher machen. Durch mehr kulturellen Dialog, den Ausbau von Austauschprogrammen in der Bildung (Erasmus +) und gemeinsame europäische Bildungsinhalte wollen wir das Verständnis füreinander stärken.

 

2. Welche kulturpolitischen lnitiativen planen Sie im neuen Europäischen Parlament?

 

Wir Freie Demokraten fordern in der Kulturpolitik der Europäischen Union insbesondere ein stärkeres Engagement im internationalen Kulturaustausch. Kunst und Kultur sind für Europa identitätsstiftend. Sie schaffen Brücken zwischen den Menschen verschiedener Länder. Intakte Kulturbeziehungen sind dementsprechend wesentlicher Teil des bilateralen Beziehungsgeflechts zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Gerade in Zeiten neuer gemeinsamer politischer und wirtschaftlicher Herausforderungen ist und bleibt der Kulturaustausch das Sprachrohr zur Verständigung. Dies ist insbesondere bei einem Nachfolgeprogramm zu „Kreatives Europa“ zu berücksichtigen, das den innereuropäischen Austausch von Künstlerinnen und Künstlern sowie Kulturgütern in den Mittelpunkt stellen sollte. Wir wollen hier dafür sorgen, dass Bürokratie abgebaut wird, indem die Antragsformalitäten vereinfacht werden.

 

Wir Freie Demokraten treten außerdem für die Einführung eines europaweiten Kulturfonds nach dem Vorbild des „National Trust“ in Großbritannien zum Schutz des europäischen Kulturerbes ein. Dieser Fonds soll als Dachorganisation die Gründung und Weiterentwicklung von sich für den Denkmalschutz engagierenden Organisationen fördern und diese europaweit miteinander vernetzen. Die Gewinnung von privaten und institutionellen Mitgliedern soll dabei in ganz Europa mit besonderem Nachdruck verfolgt werden. Langfristiges Ziel soll es sein, mit dem „National Trust“ eine sich zu großen Teilen über Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus Eintritten und gewerblichen Betrieb selbst finanzierende Institution zu schaffen. Eine gesamteuropäische Dachorganisation stärkt die gesamteuropäische Identität und erhöht die Wertschätzung für unser gemeinsames kulturelles Erbe.

 

Die Kultur ist der Schlüssel zum Verständnis der europäischen Seele. Sie öffnet uns den Reichtum der Traditionen, des Alltags, der Literatur, der Kunst unserer Partner in der Europäischen Union. Sie ist die Basis des europäischen Kontinents. Wir brauchen eine europäische Medien-Öffentlichkeit. Vorbild dafür ist der deutsch-französische TV-Sender ARTE. Wir Freie Demokraten möchten diesen auf ganz Europa ausdehnen. Mit Reportagen und Dokumentationen aus der EU der 27, von Tallin bis Faro, von Dublin bis Bukarest – um auch im Alltag ein Gefühl dafür zu bekommen, dass die Einigung Europas selbst Kultur ist.

3. Welche Bedeutung messen Sie der Sicherung der Kunst-, Meinungs- und lnformationsfreiheit zu? Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, wenn die Kunst-, Meinungs- und lnformationsfreiheit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingeschränkt werden?

 

Wir Freie Demokraten wollen ein Europa der Vielfalt. Die Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit sind für unsere freiheitliche Gesellschaft und unsere Kultur von essentieller Bedeutung. Grundrechte stehen nicht zur beliebigen Disposition von Mehrheiten, auch nicht von demokratisch gewählten Mehrheiten. Wir setzen dabei gegenüber den europäischen Partnerländern auf Dialog und Überzeugungskraft. Dort, wo Freiheits- und Bürgerrechte entgegen der EU-Grundrechtecharta systematisch eingeschränkt oder die Werte der Europäischen Union (EU) schwerwiegend gefährdet werden, müssen der EU wirksame Sanktionsmechanismen zur Verfügung stehen.

 

Es ist für uns Freie Demokraten selbstverständlich, dass unter anderem die Gewährung finanzieller Mittel an einen Mitgliedstaat an die Einhaltung der gemeinsamen Werte, die Wahrung von Bürgerrechten und die Existenz einer rechtsstaatlichen Ordnung mit unabhängiger Justiz geknüpft sein müssen. Wir treten deshalb dafür ein, dass neben dem EU-Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips mit seinen Dialogmechanismen und dem Entzug von Stimmrechten nach Art. 7 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) ein drittes Vorgehen ermöglicht wird, nach dem die Verteilung von Mitteln an die europäischen Mitgliedstaaten von der Beachtung dieser Werte abhängig gemacht werden kann (Konditionalitätsklauseln).

 

Wir Freie Demokraten treten zudem für eine Aufwertung der europäischen Grundrechteagentur ein. Dazu fordern wir, dass die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) ein Mandat zur politischen Bewertung der Menschenrechtslage in den Mitgliedstaaten der EU erhält. Dies soll nach dem Vorbild des UN Universal Periodic Review in regelmäßigen Abständen für jeden Mitgliedstaat erfolgen. Mit dieser Aufwertung der Agentur wollen wir eine neue Grundwerteinitiative starten, die eine Verteidigung europäischer Grundwerte in den Mitgliedstaaten durch rechtzeitige Diskussionen ermöglicht.

 

Die EU-Kommission soll darüber hinaus die Möglichkeit erhalten, „systemische Vertragsverletzungsverfahren“ einzuleiten, indem sie eine Reihe spezifischer Vertragsverletzungsverfahren gegenüber einem Mitgliedstaat bündeln kann, die zusammen ein Muster erkennen lassen, das eine schwerwiegende Verletzung der Werte der EU, wie Demokratie, die Existenz unabhängiger Medien und einer rechtsstaatlichen Ordnung, nahelegt. Auf diese Weise könnten der Europäische Gerichtshof und die EU-Kommission schneller und wirksamer gegen hartnäckig vertragsverletzende Mitgliedstaaten vorgehen.

 

4. Befürworten Sie einen europäischen Förderfonds für Akteure aus Kunst, Kultur und kultureller Bildung, denen auf nationaler Ebene aus politischen Gründen die Förderung entzogen wurde oder verweigert wird?

 

Wir Freie Demokraten befürworten, dass die EU aus politischen Gründen bedrängten Künstlerinnen und Künstlern hilft und sehen das Programm „Kreatives Europa (2021 – 2027)“ als möglichen Topf für eine derartige Förderung. Bei der Umsetzung soll es unserer Auffassung nach nicht in erster Linie um die materielle Absicherung der Betroffenen gehen, vielmehr sollen sie in die Lage versetzt werden, weiterhin kulturell bzw. künstlerisch zu wirken. Dazu bedarf es etwa proaktiv aufnehmender bzw. unterstützender Institutionen, die dazu gezielt und bezogen auf den jeweiligen Einzelfall gefördert werden können.

 

5. Planen Sie Maßnahmen zur Sicherung des Medienpluralismus? Planen Sie Maßnahmen, um gegen die Gatekeeper-Position von Plattformen vorzugehen?

 

Wie Freie Demokraten fordern, dass EU-Mitgliedstaaten die Einhaltung der gemeinsamen Werte, die Wahrung von Bürgerrechten und die Existenz einer rechtsstaatlichen Ordnung mit unabhängiger Justiz gewährleisten. Die Freie Presse und Berichterstattung muss gewährleistet sein, eine medienplurale Ordnung hat die demokratische Willensbildung zu ermöglichen. Dort, wo Mitgliedstaaten gegen diese Grundlagen verstoßen, müssen der EU wirksame Sanktionsmechanismen zur Verfügung stehen.

 

Wir Freie Demokraten streben zudem mehr Medien-Öffentlichkeit für Europa an. Damit europäische Themen nicht durch die nationale Brille sortiert und gefiltert werden, bedarf es verstärkt europäisch aufgestellter Medien, die mehrsprachig senden. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, mit welchen Medien junge Europäerinnen und Europäer gezielt für Informationen erreicht werden können. Ziel sollte es sein, ARTE über die deutsch-französische Kooperation hinaus inklusive einer starken Nachrichtenkomponente auszubauen, ohne einen kostenintensiven öffentlich-rechtlichen Sendeapparat aufzubauen.

 

Gleichzeitig sollten die öffentlich-rechtlichen Sender der Mitgliedstaaten ihren Rundfunkauftrag dadurch erfüllen, dass verstärkt über europäische Themen berichtet und europäischen Politikern mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Grundlage hierfür sind ständige Korrespondenten vor Ort in Brüssel und Straßburg. Die EU-Wettbewerbsbehörde wird aufgefordert zu prüfen, inwieweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Mitgliedstaaten private EU-weite Rundfunkangebote behindert.

 

Wir Freie Demokraten wollen, dass der Rechtsrahmen für Medien und Kommunikation an die neuen Nutzergewohnheiten angepasst wird. Denn Mediennutzung hat sich durch Plattformen und soziale Medien verändert. Information ist ständig verfügbar. Weltweit zu kommunizieren, war noch nie einfacher. Die Rechtsrahmen der analogen Zeit im Bereich Rundfunk und Telekommunikation führen zu Widersprüchen, die dem neuen Kommunikationszeitalter nicht mehr gerecht werden.

6. Wie stehen Sie zur Einführung einer Digitalsteuer?

 

Wir Freie Demokraten lehnen Überlegungen wie die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Digitalsteuer als eine Art zweite Umsatzsteuer ab. Durch eine solche Konstruktion entstünde die Gefahr eines internationalen Steuerstreits mit Gegenreaktionen anderer Wirtschaftsräume sowie die Gefahr der Doppelbesteuerung digitaler Wertschöpfung. Das würde erst recht gelten, wenn die Europäische Union eine solche Steuer einseitig einführen würde. Vielmehr sollte die Diskussion über eine angemessene Besteuerung der digitalen Wirtschaft auf OECD- /G20-Ebene fortgeführt werden.

 

7. Planen Sie urheberrechtliche lnitiativen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

 

Wir Freie Demokraten stehen für den Schutz von geistigem Eigentum und eine faire Entlohnung der Urheber. Das Urheberrecht entwickelt sich im Zuge der Digitalisierung zu einem Schlüsselrecht für die Schaffung kreativer Inhalte und muss gerade auch in der digitalen Welt gewährleisten, dass die Erträge aus der Verwertung kreativer Leistungen den Urhebern und den weiteren Berechtigten zufließen.

 

Im Rahmen der EU-Urheberrechtsreform haben wir uns gegen die Regelungen zur Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern eingesetzt, weil diese aus unserer Sicht die Einführung von „Upload-Filtern“ unausweichlich machen. Wir werden uns daher im Rahmen der Umsetzung der Reform im nationalen Recht für eine Lösung einsetzen, welche im Rahmen der Spielräume, welche die Richtlinie lässt, die Informations- und Meinungsfreiheit möglichst schont.

 

Plattformen und Urheber sollen grundsätzlich über die Lizenzverträge eine entsprechende Bezahlung frei verhandeln. In diesem Zusammenhang haben Verwertungsgesellschaften für eine vereinfachte Rechtewahrnehmung eine große Bedeutung. Wir setzen hier aber auch auf eine Stärkung des Wettbewerbs, etwa in Form von gemeinsamen Vergütungsregeln der Rechteinhaber. Langfristig setzen wir für die Durchsetzung von Urheberrechten im digitalen Zeitalter auch auf neue Technologien wie kryptographische Signaturverfahren.

 

8. Planen Sie Maßnahmen zur Sicherung der kulturellen Vielfalt bei Handelsverträgen mit Drittstaaten? Wie wollen Sie sicherstellen, dass nationale kulturwirtschaftliche sowie gemeinnützige Kulturstrukturen durch Handelsverträge mit Drittstaaten keinen Schaden nehmen?

 

Wir Freie Demokraten bekennen uns zum regelbasierten Freihandel als Grundlage internationaler Handelsbeziehungen und streben daher langfristig eine weltweite Freihandelsordnung im Rahmen der WTO an. Unabhängig davon unterstützen wir weiterhin den Abschluss bilateraler Handelsabkommen, treten aber für modernere und transparentere Freihandelsabkommen ein.

 

Wir stehen für einen schonenden Ausgleich der Interessen im Kultursektor, der oft gleichzeitig Wirtschafts- und Kulturgut ist. Abkommen räumen Handelshemmnisse aus, garantieren hohe Verbraucherstandards und schützen kulturelle Vielfalt. So waren z.B. aus dem Verhandlungsmandat, das die EU Mitgliedsstaaten der EU-Kommission bei TTIP erteilt hatte, einerseits audiovisuelle Dienstleistungen ausgenommen und andererseits ausdrücklich festgehalten, dass Subventionen wie die Kulturförderung vom Abkommen nicht ausgeschlossen waren.

 

9. Welche Bedeutung messen Sie der Auswärtigen Kulturpolitik beim gemeinsamen Auswärtigen Dienst der EU zu? Sehen Sie hier einen Ausbaubedarf? Wenn ja, welche Maßnahmen planen Sie?

 

Wir Freie Demokraten sprechen uns für die Einrichtung einer Kulturabteilung für den Europäischen Auswärtigen Dienst aus. Dafür müssen zügig die notwendigen Grundlagen geschaffen werden. Europa wird in weiten Teilen der Welt viel mehr als gemeinsamer Kulturraum wahrgenommen als von den Europäern selbst. Die Entwicklung einer Auswärtigen Kulturpolitik der EU gegenüber Drittstaaten sollte vor diesem Hintergrund engagiert vorangetrieben werden.

 

Der am 8. April 2019 vom Außenrat verabschiedete strategische Ansatz der EU für die internationalen Kulturbeziehungen ist dazu ein sinnvoller erster Schritt. Es bedarf jedoch neuer Formen der Kooperation zwischen Mitgliedstaaten, nationalen Kultureinrichtungen und öffentlichen und privaten Akteuren. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass der Europäische Auswärtige Dienst gezielt die Möglichkeiten der Kulturdiplomatie nutzt, um in unfreien Gesellschaften Freiräume im vorpolitischen Raum zu schaffen.

 

10. Welche Maßnahmen zur Einbeziehung nationaler und europäischer zivilgesellschaftlicher Organisationen in die Beratungs- und Entscheidungsprozesse der europäischen Kulturpolitik werden Sie ergreifen?

 

Wir Freien Demokraten werden uns für ein europäisches Vereins-, Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht einsetzen. Dies fördert eine wirksame Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen in die Beratungs- und Entscheidungsprozesse der europäischen Kulturpolitik. Außerdem befürworten wir einen Stiftungsdialog auf europäischer Ebene, der gemeinsam von der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Auswärtigen Dienst getragen werden sollte.

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