Die alten Kräfte dominieren auch die neue Zeit in der Kultur

Die 7. Weltkonferenz zu Kunst und Kultur auf Malta

Zum „7th World Summit on Arts and Culture“ hatten sich mehr als 400 Teilnehmer aus 80 Ländern angekündigt. Tatsächlich waren Mitte Oktober dann sogar Vertreter 87 Nationen in die maltesische Hauptstadt Valetta gereist – allerdings wohl nur etwas mehr als 300. Viele der Angemeldeten hatten wegen massiver Visa-Probleme kurzfristig absagen müssen. Das betraf vor allem afrikanische Gipfelteilnehmer, darunter namhafte Referenten aus Regierungskreisen.

 

Dieser Umstand sorgte für eine leichte atmosphärische Störung im Konferenzklima: „Cultural Leadership in the 21st Century“ hatte die International Federation of Arts Councils and Culture Agencies (IFACCA) zum Thema dieses Weltkulturgipfels erkoren. Die Organisation ist aus vereinshistorischen Gründen recht Commonwealth-lastig. Um die Rolle von Kunst und Kultur in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung und Urbanisierung aber nicht wieder nur von den üblichen Verdächtigen definieren zu lassen, hatte sich das Programmteam um eine besonders ausgewogene Teilnehmer- und Referentenschar bemüht. Wegen der eingangs erwähnten Visa-Probleme aber stellten das »alte Europa«, die USA, Kanada, Australien und Südafrika am Ende dann doch die sicht- wie hörbare Mehrheit der Gipfelbesucher. Einzig die Südamerikaner bildeten ein gewisses kontinentales Gegengewicht. Nicht zuletzt, weil der Kultursektor dort in den letzten Jahren große konzeptionelle Entwicklungssprünge vollzogen hat.

 

„Cultural Leadership in the 21st Century“: Der Kulturbereich soll Vielfalt vorleben, das einander verstehen lernen durch künstlerischen Ausdruck, das einander Aushalten und miteinander Aushandeln der unterschiedlichen Interessen durch den Respekt für die Kultur des jeweils anderen. Dazu gehört notwendigerweise der Austausch, die Auseinandersetzung und gelegentlich eben auch mal ein Streit zwischen Künstlern, Kulturpolitikern und Bürokraten auf internationaler Ebene. Themen und Anlässe gibt es zuhauf. In einer Debatte über den Freihandel – TTIP, CETA, TPP, TISA etc. – beklagte der Vertreter einer Kulturinitiative aus Zimbabwe, dass der Austausch zwischen Nord- und Südhalbkugel trotz guter Absichten auf allen Seiten weiter sehr einseitig sei: Institute français, British Arts Council und auch das Goethe-Institut würden mit – vergleichsweise – großen Summen ein internationales PR-Netzwerk der europäischen Kultur unterhalten, während Künstler aus den Ländern des „globalen Südens“ vor allem als exotisches Beiwerk zu Festivals in der Ersten Welt eingeladen würden. Echte Zugänge zu den internationalen Mainstreammärkten gäbe es für afrikanische Musiker, Filmschaffende oder Literaten aber weiterhin nicht wirklich, trotz der UNESCO-Konvention zur Kulturellen Vielfalt und den viel gepriesenen Segnungen des Internets.

 

Keiner der 40 Workshop-Teilnehmer widersprach diesen Aussagen; alle wussten, dass der Mann Recht hat. Im Anschluss kam, zunächst schleppend, aber dann doch noch ein echtes Gespräch in Gang: Über manch’ ungenutzte Möglichkeit, die Optionen internationaler Vereinbarungen, weitgehend unbekannte Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen und über zivilgesellschaftlichen Druck. Wie groß und mächtig der werden könne, sehe man wieder beim Thema TTIP, merkte Christine Merkel an, die Kulturchefin der Deutschen UNESCO-Kommission.

 

In Debatten wie diesen fallen nicht immer nur freundliche Worte zwischen Süden und Norden, Christen und Muslimen, Weißen und Farbigen. Doch gerade deshalb sind sie interkulturelle Verständigung im allerbesten Sinne. Und die muss zwischen den Bemühten und Wohlmeinenden eingeübt werden, die später dann in anderen, konfrontativen, mitunter aggressiven Situationen bestehen können.

 

Eines der beeindruckendsten Beispiele dafür ist die Syrerin Rana Yazaji von der Arab Culture Policy Group. Sie lebt seit vier Jahren im Exil, findet mal in Ägypten, mal in Beirut Unterschlupf an Universitäten, wo sie ihre Arbeit fortsetzen kann. Yazaji führt die Krise des Nahen Ostens vor allem auf eine Schwäche der Zivilgesellschaft zurück: Ohne starke Vereine und Verbände, breite bürgerschaftlichen Bünde als Gegengewicht zu einem oft autoritären Staat und mächtiger Wirtschaft gebe es eben kein starkes gesellschaftliches Netzwerk und keine gemeinsamen Werte, die eine Gesellschaft in Krisenzeiten trotzdem zusammenhalten. Ihr ist vollkommen klar, dass der Aufbau solcher Strukturen in einem wann auch immer wieder friedlichen Syrien Jahrzehnte brauchen wird. Doch sie fügt hinzu: „Wenn wir das nicht jetzt vorbereiten, wird auch der nächste Versuch, einen dauerhaften kulturellen und damit gesellschaftlichen Frieden zu finden, wieder schief gehen.“

 

Immer mehr Akteure in der internationalen Politik, gerade in den Schwellen- und Entwicklungsländern – und erst recht in den Krisen- und Kriegsgebieten – setzen auf die Führungsfunktionen von Kunst und Kultur. Nicht zuletzt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier spielt zunehmend die Karte der „Soft Power“ und positioniert Deutschland auf dem internationalen Parkett als kulturellen, vor allem interkulturellen Vermittler. Umso erstaunlicher, dass gerade die Bundesrepublik auf diesem Weltkulturgipfel kaum präsent war: Weder das Außenministerium noch Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatten Vertreter nach Malta geschickt. Auch die Bundeskulturstiftung und das Goethe-Institut waren nicht zugegen. Einzig die Deutsche UNESCO-Kommission hielt auf Institutionenseite die Fahne des immerhin größten EU-Mitgliedstaates hoch.

 

Die deutsche Abwesenheit war im Verlaufe des Gipfels Thema vieler Gespräche. Bei den maltesischen Gastgebern, vielen arabischen und afrikanischen Vertretern bis hin zur recht großen US-Delegation zeigte man sich etwas… sagen wir mal: verwundert. Aber auch ohne die Deutschen dominierten beim 7. Weltkulturgipfel jene die Debatte, die vom Rest der Welt ganz unfreiwillig schon viel zu lange als „Cultural Leader“ wahrgenommen werden: 98 Prozent der weltweit gehandelten Kulturgüter – Musik, Literatur, Film vor allem – stammen aus den Ländern der Ersten Welt. Vermutlich ist das kein wirklich gutes Konzept für „Cultural Leadership in the 21st Century“ – und deshalb ein umso besseres Thema für den „8th World Summit on Arts and Culture“. Der wurde am Ende des Gipfels von Malta für März 2019 in Malaysia angekündigt. Vermutlich werden dort jedenfalls deutlich mehr Teilnehmer aus Süd- und Ostasien dabei sein.

Peter Grabowski
Peter Grabowski ist kulturpolitischer Reporter.
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