Nachschub für einen gigantischen Markt

Raubgrabungen zerstören das kulturelle Erbe der Menschheit

Der Oberhausener Galerist gab das Stück an Ägypten zurück. Folgen hat der geplatzte Deal für ihn keine. Denn er kann sich auf die Position zurückziehen, das Artefakt in gutem Glauben erworben zu haben, jemand, der es ihm abgekauft hätte, erst recht. Ägypten hätte dann sein Eigentum bei jetziger Gesetzeslage zwar zurückverlangen, aber den Eigentumsanspruch vor Gericht kaum durchsetzen können. Konfrontiert man Händlervertreter mit solchen Beispielen, sprechen diese von Einzelfällen. Für sie stammen die meisten Antiken, die in Deutschland gehandelt werden aus alten Sammlungen, wie es auch Ursula Kampmann, die Sprecherin der International Association of Dealers in Ancient Art (IADAA) sagt. Sie spricht von riesigen alten Adelssammlungen mit Tausenden von Objekten, was Friederike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts, nur lächeln lässt: „So viele alte Sammlungen gibt es überhaupt nicht wie es Objekte gibt, die auf den Markt kommen.“ Und sie sagt, dass man an das Bewusstsein der Sammler appellieren sollte: Diese müssten lernen, dass die Artefakte überwiegend illegal hierhergekommen seien und aus Raubgrabungen stammten, und dass der Schmuggel von gestohlenen oder illegal ausgegrabenen Antiken kein Kavaliersdelikt sei.

 

Viel mehr eine Boombranche der Kriminalität. Sylvelie Karfeld, die sich beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden mit dem Thema befasst, zitiert Schätzungen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime, UNODC), nach denen die Umsätze des illegalen Antikenhandels jährlich bei sechs bis acht Milliarden US-Dollar liegen. Damit konkurriert der Antikenhandel um einen der vorderen Plätze auf der Liste der umsatzstärksten illegalen Erwerbsquellen.
Natürlich sind alle Zahlen Schätzungen – es gibt keine genauen Erkenntnisse. Das liege in der Natur der Sache, sagt Markus Hilgert, der Direktor des Vorderasiatischen Museums in Berlin. Er ist auch Koordinator des seit Frühjahr 2015 angelaufenen und zunächst auf drei Jahre befristeten Forschungsprojektes ILLICID, das den illegalen Handel mit Kulturgut in Deutschland untersuchen soll. „In der Kriminologie spricht man von einem Dunkelfeld: Man kennt die Akteure nicht unbedingt, man weiß nicht, wie diese agieren und welche Netzwerke sie nutzen. Man weiß auch relativ wenig über den genauen Umsatz in diesem Dunkelfeld, man weiß wenig über die Objekte und deren Stückelung.“ All das gelte es erst zu erforschen.

„Die deutsche Rolle in dem Geschäft ist unrühmlich.“

Doch insgesamt reden Archäologen nicht so gern über den monetären Wert von Antiken. Sie betonen vielmehr, dass mit den illegalen Ausgrabungen die Vergangenheit von Völkern vernichtet wird. Denn für die Wissenschaft und das kulturelle Gedächtnis der Menschheit sind die isolierten Kunstgegenstände verloren. Sie erzählen keine Geschichte mehr. Sind sie erst einmal im Ausland, in der Hand von Händlern oder Sammlern, weiß oft keiner mehr, wo sie ausgegraben wurden. Was lag sonst in dem Grab? Gab es ein Skelett, Mann oder Frau? Gab es Waffen, gab es Schmuck? Welche Gebrauchsgegenstände waren dem Verstorbenen mitgegeben?

 

Und die Archäologen betonen eines: „An vielen Stücken klebt Blut“, sagt Michael Müller-Karpe. Es sind nicht nur Opfer des Terrors in Bürgerkriegsstaaten, oft genug sind es Kinder, die in ungesicherte Schächte kriechen, um die Kostbarkeiten aus dem Boden zu holen. Die ägyptische Archäologin Monica Hanna bestätigt seine Aussage: „Es ist ein Verbrechen, bei dem Kinder sterben. Da hängen Menschenleben dran.“

 

Die deutsche Rolle in dem Geschäft ist unrühmlich. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Monika Grütters, gibt zu, dass „es relativ laxe Einfuhrregeln nach Deutschland gibt, was antike Kunstwerke angeht und dass deshalb hier der Handelsplatz möglicherweise auch für Illegales interessant sein könnte.“ Den Konjunktiv braucht es hier nicht: Deutschland ist – solange das Kulturgüterschutzgesetz nicht geändert wird – für den illegalen Antikenhandel sehr interessant.

Günther Wessel
Günther Wessel ist Journalist und beschäftigt sich seit längerem mit Fragen des illegalen Kulturgüterhandels. Im August 2015 erschien im Christoph-Links-Verlag, Berlin sein Buch: "Das schmutzige Geschäft mit der Antike. Der globale Handel mit illegalen Kulturgütern"
Vorheriger ArtikelKulturelles Erbe weltweit in Gefahr
Nächster ArtikelKulturgut verpflichtet!