Kulturelles Erbe weltweit in Gefahr

Eine Novellierung des Kulturgüterschutzgesetzes in Deutschland ist nötig

Derzeit ist nach deutschem Recht der Handel mit archäologischen Objekten ohne klaren Herkunftsnachweis noch beinahe ungehindert möglich. Unsere Kernforderung lautet deshalb, dass Antiken nur noch mit Herkunftsnachweis und Exportgenehmigung aus dem Ursprungsland gehandelt werden dürfen. Nur so kann die UNESCO-Konvention von 1970 endlich angemessen umgesetzt werden. Alles andere ist illegal, rechtswidrig und muss deswegen auch durch deutliche Strafen sanktioniert werden. Es gilt zudem, die internationale Zusammenarbeit von Regierungen, Zollbehörden und Kultureinrichtungen rasch und nachhaltig zu stärken, und Ermittlungsverfahren auch über Grenzen hinweg zu ermöglichen. Die personelle Ausstattung von Sonderbehörden, insbesondere in Deutschland, sollte deutlich verstärkt werden. Ferner muss potenziellen Käufern wie auch Sondengängern und anderen „Hobbyarchäologen“ deutlich gemacht werden, dass illegale Grabungen keine harmlose Verfehlung, sondern strafrechtlich relevant sind. Gerade Museen können und müssen hier wichtige Vermittlungsarbeit leisten.

 

Die Museen sollten sich zudem ihrer eigenen Rolle, auch in der Vergangenheit, noch stärker bewusst werden. Bei allen archäologischen Objekten, die nach der UNESCO-Konvention von 1970 erworben worden sind, ist die Erforschung der Provenienzen nötig, unabhängig davon, wann diese Konvention in nationales Recht umgesetzt wurde. Alle Museen sollten durch Online-Register ihrer Bestände Transparenz schaffen und im Falle unklarer Herkunft auch dazu bereit sein, nach fairen und gerechten Lösungen mit den Herkunftsstaaten zu suchen.

„Vieles ist noch zu leisten, um Kulturgüter weltweit effektiver zu schützen“

Abgesehen von den rechtlichen Rahmenbedingungen ist das größte Hindernis für die Ermittlungsbehörden, dass es nach wie vor an gesicherten Erkenntnissen über die Wege, Zwischenhändler und beteiligten Netzwerke des grenzübergreifenden, illegalen „Handels“ mangelt. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz beteiligt sich seit kurzem aktiv an der Erforschung der entsprechenden kriminellen Mechanismen: Das Kooperationsprojekt ILLICID erforscht unter Federführung des Vorderasiatischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz das Dunkelfeld „illegaler Antikenhandel in Deutschland“, damit angemessene Maßnahmen dagegen ergriffen werden können. Ein ausführlicher Beitrag dazu von Markus Hilgert findet sich auch in dieser Ausgabe. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ im Themenbereich „Zivile Sicherheit – Schutz vor organisierter Kriminalität“ mit insgesamt 1,2 Millionen Euro.

 

Und schließlich müssen auch die betroffenen Länder aktiv dabei unterstützt werden, ihre Kulturdenkmäler selbst und vor Ort zu schützen. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist sich dieser Verantwortung bewusst und unternimmt zahlreiche Kooperationsprojekte im Bereich Capacity Building mit dem Irak, Syrien und anderen Ländern. So erhalten etwa Restauratoren betroffener Länder in den Fachwerkstätten der Staatlichen Museen zu Berlin Schulungen, um beschädigte Objekte bestmöglich zu konservieren. Das Museum für Islamische Kunst erstellt gemeinsam mit dem Deutschen Archäologischen Institut im Syrian Heritage Archive Projekt mit Mitteln des Auswärtigen Amts eine Datenbank der bestehenden Bild- und Forschungsinformationen zu syrischen Kulturgütern, die für zukünftige Schutz- und Rekonstruktionsmaßnahmen besonders wichtig sind.

 

Seit kurzem ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Partnerin der UNESCO im Rahmen der Kampagne #UNITE4HERITAGE. Dabei geht es vordringlich darum, das öffentliche Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen den Zerstörungen von Kulturgut und dem illegalen Handel mit Antiken zu schärfen.

 

Vieles ist noch zu leisten, um Kulturgüter weltweit effektiver zu schützen – eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen. Dabei gilt: Wenn wir dabei versagen, bleibt das kulturelle Erbe der Menschheit unwiederbringlich auf der Strecke. Die Novellierung des deutschen Kulturgüterschutzes mit effektiven und durchsetzungsfähigen Einfuhrvorschriften und -verboten muss dringend erfolgen, darüber besteht in unserer Gesellschaft glücklicherweise bereits weitreichender Konsens. Der neue Gesetzesentwurf steht beim Kunsthandel und bei privaten Sammlern derzeit jedoch in erster Linie aufgrund der veränderten Ausfuhrregelungen in der Kritik, die die Problematik der illegalen Archäologie und der Raubgrabungen nicht betreffen. Beide Dinge sind deutlich voneinander zu trennen. Eine Verzögerung bei der Umsetzung neuer Einfuhrbestimmungen wäre für die Archäologie insgesamt und für die kulturpolitische Außenwirkung unseres Landes jedoch fatal.

Hermann Parzinger
Hermann Parzinger ist Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
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