Mission – gestern, heute und morgen

Evangelisches Missionswerk in Deutschland (EMW)

Das Evangelische Missionswerk in Deutschland (EMW), in dem sich Missionswerke, Kirchen, Vereine und Verbände zusammengeschlossen haben, fördert das Engagement für Mission und Ökumene in den deutschen Kirchen und der Öffentlichkeit. Theresa Brüheim spricht mit Michael Biehl, Referatsleiter beim EMW, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Mission.

 

Theresa Brüheim: Herr Biehl, Sie leiten beim EMW die Referate für theologische Ausbildung und Grundsatzarbeit. Was umfasst Ihre Arbeit?
Michael Biehl: In der Grundsatzarbeit beschäftigen wir uns mit ökumenischer Mission und mit Fragen von Entwicklung, Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung – immer im Dialog mit Partnerkirchen und -organisationen im globalen Süden, den Werken und Kirchen, die Mitglieder im EMW sind. Wir beobachten, welche Themen in den Regionen und Kontexten der Welt aktuell sind. Welche Stimmen gibt es dort dazu? Wie verhält sich das zu den Diskussionen, die wir hier führen? Und wie können wir im weltweiten und ökumenischen theologischen Gespräch und in der praktischen Arbeit weiterkommen?

 

Das ist die Grundsatzarbeit. Wie sieht es mit dem Arbeitsgebiet der theologischen Ausbildung aus? Wie kann man sich das bei einem Missionswerk vorstellen?
Theologische Ausbildung ist eine zentrale Aufgabenstellung. Bildung ist weltweit eines der Megathemen – im Sinne von Aufklärung oder als Ressource für Entwicklung, was auch die „Sustainable Development Goals“ aufgreifen. Konkret fördern wir die Arbeit in der theologischen Ausbildung von Einrichtungen im globalen Süden, z. B. durch Stipendien, der Förderung von Bibliotheken, Investitionen in Infrastruktur oder durch gemeinsame Programme. In der letzten Zeit vertiefen wir im internationalen ökumenischen Dialog besonders die Themen Ökotheologie, Ökogerechtigkeit, Folgen des Klimawandels aus christlicher Perspektive. Das soll Kirchen dabei unterstützen, sich intensiver damit zu beschäftigen und sich konkret zu engagieren.

 

Sie leiten eines von mehreren Referaten des EMW. Wie fügt sich Ihre Arbeit in den Gesamtauftrag ein?
Das EMW ist eine Gemeinschaft von Kirchen und Missionswerken. Sein Auftrag ist die gegenseitige Unterstützung und Beratung bei Fragen, die sich aus der Mission in Deutschland und anderswo, der Ökumene und der weltweiten Partnerschaft ergeben. Das geschieht z. B. in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Lutherischen Weltbund oder der Weltgemeinschaft reformierter Kirchen, aber auch mit anderen Richtungen des Christentums wie der Pfingst- oder evangelikalen Bewegung. Es geht immer darum, die Anliegen von Mission und Ökumene wachzuhalten, Fragen zu schärfen, sie zu diskutieren und in den Diskurs der Zivilgesellschaften nicht nur in Deutschland einzubringen. Deshalb arbeiten wir auch mit regionalen ökumenischen Organisationen, z. B. der Allafrikanischen oder der Asiatischen Kirchenkonferenz.

 

Aufgabe des EMW ist die Förderung des Engagements für Mission. Was ist Mission heute überhaupt? Und wie gestaltet sich diese?
Das Verständnis von Mission in der Gemeinschaft des EMW ist ein ganzheitliches. Aus und mit dem christlichen Glauben wollen wir auch zur Weiterentwicklung der Gesellschaften beitragen. Mit der bekannten Trias Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung des konziliaren Prozesses sind Werte genannt, für die Kirchen weltweit in ihrer Mission einstehen wollen. Das konkretisiert sich in einer ganzen Bandbreite von Tätigkeiten, wie Verkündigung und Lehre, diakonischer Hilfe, Unterstützung von theologischen Ausbildungseinrichtungen, interreligiösem Dialog. Vieles, was Kirchen in diesem Kontext tun, kann als Beitrag für die Transformation von Gesellschaften hin zu gerechten, partizipatorischen und nachhaltigen Gemeinschaften verstanden werden. In diesem Sinne setzt sich Mission auch für die „Sustainable Development Goals“ ein. Der Ökumenische Rat der Kirchen hat 2012 die Missionserklärung „Gemeinsam auf dem Weg des Lebens“ veröffentlicht. Der Titel zeigt an, was ökumenische Mission heute ist. Durch unsere Arbeit soll transparent werden, woher wir kommen, was uns motiviert und wofür wir stehen. Darüber laden wir in den Dialog ein: Was bedeutet es, heute an Gott zu glauben, oder eben nicht? Das geschieht auch im interreligiösen Dialog, der Teil unserer Mission ist. Nicht, um andere zu überzeugen, sondern um herauszufinden, was sind die Glaubensauffassungen des Gegenübers, was trägt sie, was macht ihren Glauben stark, wofür steht sie. Aber auch um gemeinsam aufzuarbeiten, wo es in der Vergangenheit Zerwürfnisse gab, welche Konflikte es gibt und wofür wir uns gemeinsam einsetzen können.

 

Vergangenheit ist ein gutes Stichwort. Deutschland hatte vergleichsweise früh, ab 1914, keine Kolonien mehr. Wie arbeiteten die Missionswerke danach?
Die Geschichte der Gesellschaften, die sich in Deutschland gegründet haben, um in Afrika, Asien, Lateinamerika und im Pazifik Missionsarbeit zu leisten – ist älter als die deutsche Kolonialgeschichte. Doch sie haben in Regionen gearbeitet, die zu Kolonien gemacht wurden und viele betrachteten ihre Arbeit als einen Beitrag zur Zivilisierung der kolonisierten Völker. Das Ende des »deutschen« Kolonialismus als staatliches und wirtschaftliches Unternehmen hat die Mission unterschiedlich betroffen. Die Kolonien wurden von den Siegerstaaten übernommen, das sollte nicht vergessen werden. Die Arbeit der deutschen Missionsgesellschaften hat sich verändert, weil sie nach dem Krieg ihre „Missionsgebiete“ verloren hatten. Sie waren jedoch weiterhin in engem Kontakt zur internationalen Missionsgemeinschaft, die teilweise stellvertretend die Arbeit übernommen hat. Trotz des Völkerkrieges war man in dieser internationalen Aufgabe verbunden und die verstand man als Beitrag zur Versöhnung. Die internationale Kooperation war nun ein starker Impuls

für die Ökumene.

Michael Biehl und Theresa Brüheim
Michael Biehl leitet die Referate Grundsatzfragen und Theologische Ausbildung des Evangelischen Missionswerkes in Deutschland. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
Vorheriger ArtikelTheologie der Befreiung – Befreiung der Theologie
Nächster ArtikelDie Ausbreitung des Christentums