Eine Debatte hat begonnen

Bericht zur Bundestagsdebatte zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

 

Hartmut Ebbing, MdB (FDP) zeigte sich erfreut, dass der Raubkunstthematik mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, bedauerte aber, dass immer die Opposition mit Anträgen in Vorleistung gehe und von der Regierung wenig käme. Er betont, dass das Thema Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten komplex sei und es einer gründlichen Bearbeitung bedürfe. Die Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte kam in der deutschen Erinnerungskultur bislang zu kurz. Als Beispiel führt er das Deutsche Historische Museum an, das dieses Thema zu knapp behandele. Am Antrag von Bündnis 90/Die Grünen kritisierte er, dass eine Beweislastumkehr eingeführt würde, die die gesamten Sammlungen zunächst unter Generalverdacht stelle. Weiter stellt sich für ihn die Frage, an wen restituiert werden solle. Was ist unter Herkunftsgesellschaften zu verstehen? Sind es Individuen, sind es Religionsgemeinschaften, sind es heutige Staaten? Diesen Fragen müsse sich gewidmet werden, bevor restituiert werde. Ebbing resümierte, dass der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ein sinnvoller Diskussionsanstoß sei, jetzt aber zunächst vertiefende Diskussionen anstünden.

 

Auch Brigitte Freihold, MdB (Die Linke) sprach bei der deutschen Kolonialgeschichte von einem verdrängten Kapitel deutscher Geschichte, das bearbeitet werden müsse. Hierzu gehöre die Anerkennung, dass ein Teil der deutschen Kolonialgeschichte der Genozid an den Herero und Nama war. Hier müsse eine Wiedergutmachung erfolgen. Freihold unterstrich, dass der Kolonialismus nicht mit dem NS-Unrecht verglichen werden dürfe. Doch sei der Genozid an den Herero und Nama die Vorgeschichte der Schoah. Freihold lastet der Bundesregierung an, dass sie kein Konzept für die schulische, kulturelle und politische Bildung zum Kolonialismus habe und sich hinter der Zuständigkeit der Länder für diese Fragen verstecke. Sie forderte ein solches Konzept ein. Denn bestehender Rassismus sei auch eine Folge der fehlenden Aufarbeitung des Kolonialismus. Die Rückgabe von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten müsse auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgen. Freihold hebt insbesondere die Leistung der Schwarzen Community in Deutschland hervor, die eine Diskussion über Kolonialismus erst angestoßen habe.

 

Volker Ullrich, MdB (CDU/CSU) stimmte den Vorrednerinnen und Vorrednern zu, die ausgeführt haben, dass die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus überfällig sei. Das Thema sei zu lang in der Erinnerungskultur ausgeblendet gewesen, so Ullrich. Kolonialismus beschreibt er als Fremdherrschaft und Unrecht, die mit Rassismus und Genozid verbunden sind. Das Unrecht wieder gut zu machen, ist eine Frage der Wertschätzung. Dabei gehe es auch darum, mit den Sammlungsgütern Identität zurückzugeben. Insofern sei, so Ullrich, die Rückgabe der grundsätzlich richtige Ansatz, jedoch sei eine jeweilige Einzelfallprüfung vonnöten. Nicht jedes in einer Sammlung befindliche Objekt ist geraubt worden. Es geht auch um Objekte, die gekauft oder getauscht wurden. Doch was heißt Tausch oder Kauf in einer Situation der Fremdherrschaft und ungleichen Machtverhältnisse? Dies alles müsse nach Auffassung von Ullrich abgewogen werden. Zudem muss der rechtliche Rahmen weiterentwickelt werden. Das gilt auch für das Kulturgutschutzgesetz, mit dem die in deutschen Museen befindlichen Objekte unter Schutz gestellt wurden. Hier stelle sich nun die Frage, was dies für die Restitution von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten bedeute. Auch müsse stärker in internationalen Kontexten gedacht werden und die Vielfalt afrikanischer Staaten berücksichtigt werden. Bei der in Berlin durchgeführten Afrikakonferenz 1884/85 waren die zerstrittenen europäischen Staaten sich laut Ullrich in einer Sache einig, nämlich dass der afrikanische Kontinent kolonisiert werden müsse. Aus der Afrikakonferenz erwachse heute die Verpflichtung, sich zu erinnern und nunmehr eine Politik mit und nicht für Afrika zu entwickeln. Es gehe um gemeinsame Perspektiven.
Die Bundestagsdebatte hat eine schmerzliche Lücke in der Erinnerungskultur offengelegt und zugleich einige der nun anstehenden Diskussionen aufgezeigt. Fast alle Rednerinnen und Redner haben betont, dass es auch um die Rückgabe von Objekten geht. Vordringlich ist die Rückgabe menschlicher Überreste. Genauso deutlich wurde aber auch, dass sich des Themas mit der Rückgabe von Objekten nicht so schnell entledigt werden kann. Es geht vielmehr um die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und seinen Nachwirkungen bis heute. Für künftige Debatten wäre zu wünschen, dass mit Blick auf die Zukunftsperspektiven die Frage eines gerechten Welthandels als eine veränderte Haltung gegenüber dem globalen Süden eine stärkere Rolle spielt. Das hieße, Künstlerinnen und Künstlern sowie Unternehmen der Kulturwirtschaft aus den Ländern des globalen Südens einen besseren Zugang zu unseren Märkten zu ermöglichen. Auch gilt es den Blick über die Museen hinaus zu weiten auf Bibliotheken, Archive und kirchliche Einrichtungen. Das Gute ist, die Diskussion hat gerade erst begonnen. Einmischung ist gefordert.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2019.

Gabriele Schulz
Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
Vorheriger ArtikelVorschläge zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Nächster ArtikelDornröschenschlaf beendet