Ein Plädoyer für Inklusion

Die Ausstellung „Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum“ in Berlin

Im Hinblick auf die aktuelle Debatte um die Provenienz von Objekten in ethnologischen Sammlungen ist es wichtig zu erklären, für welche Art der Provenienzangabe wir uns entschieden haben. Diese Ausstellung hat nicht Provenienzen als Hauptthema. Aber die Fragen nach den Provenienzen der Objekte und was die Provenienz bedeutet, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Während der Ausstellungsvorbereitung wurde uns deutlich, wie viel intensive Provenienzrecherche, insbesondere zu den Skulpturen aus Afrika, noch zu tun ist: Auf welche Weise gingen die Werke über die Jahrzehnte oder Jahrhunderte durch verschiedene Hände – häufig durch gewaltsame oder erzwungene Enteignungen in Afrika, und wie gelangten sie in die Berliner Museumssammlungen? Dafür bedarf es eines kontinuierlichen Einsatzes von finanziellen Mitteln, Personal und Zeit.
Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist die im Dezember von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligte Digitalisierung von ungefähr einer Million Seiten aus den Aktenbeständen des historischen Archivs im Ethnologischen Museum Berlin. Die Erstellung dieser Digitalisate und ihre Veröffentlichung im Internet wird eine ortsunabhängige Untersuchung der Erwerbungsunterlagen für die Bestände der Dahlemer Museen ermöglichen. Dies ist eine notwendige Grundlage für die gemeinsame Erforschung der Sammlungen mit Personen nicht nur aus den Herkunftsländern der Objekte, sondern auch aus der ganzen Welt. Egal, ob man in Daressalam, Keetmanshoop oder Bafoussam wohnt, man wird recherchieren können, durch wen und wie Objekte in Sammlungen gelangten.

 

Provenienz bedeutet sehr viel mehr als nur eine Kette von Besitzverhältnissen, und die Geschichten, die für deren Verständnis notwendig sind, können durch eine reine Auflistung von einigen Namen und Daten nicht angemessen wiedergegeben werden. Eine geeignete Form, die Provenienz auf kurzen Objektschildern in Museen darzustellen, muss noch entwickelt werden. Für den jetzigen Zeitpunkt haben wir uns daher entschieden, bei jedem Objekt anzugeben, wer es dem Museum überlassen hat und wann das Museum es erworben hat – mit dem Wissen, dass dies nicht das Problem löst. Die Objektlegenden sollen aber als ein Ausgangspunkt für unsere Besucher dienen, eigene Fragen zu stellen und Erkundigungen durchzuführen. In den Fällen, in denen Aspekte der Provenienz eines Objektes für die Ausstellung besonders relevant sind, haben wir diese in den Katalogtexten aufgegriffen, da sie dort besser erläutert werden können.
Die Hauptbotschaft der Ausstellung lautet: Es gibt viel mehr, das Kulturen verbindet, als sie trennt. Insbesondere in einem Zeitalter, in dem die öffentliche Debatte zunehmend durch Populismus und Nationalismus geprägt wird, können Museen zum Erhalt einer toleranten und inklusiven Gesellschaft beitragen. Diese Ausstellung versteht sich als ein solches Plädoyer.

 

Die Ausstellung „Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum“ ist bis auf Weiteres zu sehen

Julien Chapuis, Jonathan Fine & Paola Ivanov
Julien Chapuis ist Leiter der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst. Jonathan Fine und Paola Ivanov sind Kuratoren der Afrika-Sammlungen im Ethnologischen Museum
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