Die Beninbronzen

Eine unendliche Serie

Zehn Jahre Verhandlungen

 

Die Rede des Ministers Adetokunbo Kayode von 2008 blieb aufseiten der Museen nicht folgenlos. Plankensteiner folgte dem Appell nach ernsthafter Partnerschaft und gründete eine internationale Arbeitsgruppe, später als „Benin Dialogue Group“ bekannt. Seit 2010 diskutiert sie über den zukünftigen Umgang mit den Beninbronzen im Verbund aller europäischen Museen, in deren Besitz sie sich befinden, sowie mit nigerianischen Vertretern. Die ursprüngliche Idee von Leihgaben überzeugte externe Kritiker nicht, immerhin begriffen einige, dass die Restitution ein politisches Minenfeld war: unterschiedliche Trägerschaften und Gesetze auf europäischer Seite, Ansprüche verschiedener Gruppen auf nigerianischer.

 

Von der Nestbeschmutzung zur öffentlichen Anerkennung kolonialer Unrechtskontexte in deutschen Museen

 

Botschafter Tuggar, der in eigener Sache den Druck erhöht, ist nicht der Einzige. Die Kunsthistorikern Bénédicte Savoy forschte über Forderungen Nigerias in den 1970ern, die von der deutschen Kulturpolitik, auch auf Betreiben einiger Museumsdirektoren, abgewiesen wurden. Zwar waren die Zusammenhänge komplexer, als es in der selektiven Auswahl der Quellen erscheint, bezeugt ist jedoch die desinteressiert-ablehnende Haltung gegenüber der Thematisierung problematischer Provenienzen aus kolonialem Kontext in den Berliner Sammlungen, die sich noch 2005 in meiner Stigmatisierung als „Nestbeschmutzerin“ und der unsensiblen Rezeption der Rede des nigerianischen Kulturministers 2008 äußerte. Über ähnliche Erfahrungen mit der Benin Dialogue Group berichtet Plankensteiner.

 

Restitution ab 2022: Wer bestimmt das Tempo, wer stellt Bedingungen?

 

Der Neubau eines Museums of West African Art in Benin/Nigeria hat die Debatte erleichtert. Wird so eine Institution der ehemaligen Kolonialherren – das Museum – zum Maßstab von Restitution genommen? Wollte man Unrecht anerkennen und wieder gut machen, müsste es dann nicht den Nachkommen der beraubten Eigentümer überlassen sein, was sie mit den Sammlungen machen, z. B. Weiterverkauf, gar Einschmelzen der Bronzen?

 

Eher steht zu erwarten, dass die deutschen und nigerianischen Verhandelnden sich darauf einigen, den physischen Erhalt und öffentlichen Zugang der zur Weltkunst gehörigen Werke in Museen zu gewährleisten, inklusive Option temporärer Leihgaben, eine Position, die bereits 2008 seitens Nigerias vertreten wurde. Beide Seiten werden sich über langfristige Kooperation verständigen, der Weg für die Restitution ist frei.

 

Sicher bleibt es ein Ärgernis, dass deutsche Museen ihre „nur“ secondhand erworbenen Beninbronzen restituieren, Firsthand-Räuber wie das Britische Museum mit über 900 Beninwerken sich aber hinter Gesetzen aus den 1963ern verschanzen. Doch die deutsche Seite – die Öffnung des Humboldt Forums nach Beendigung pandemischer Schonzeiten im Nacken – hat jetzt keine Zeit mehr, steht im Fokus, muss handeln. Verständlich die Erwartung des Intendanten des Humboldt Forums Hartmut Dorgerloh, dass bis September über die Rückgabe der Beninbronzen positiv entschieden wird.

 

Die Tatsache, dass das neue Museum in Benin wohl erst ab 2022 bestückt werden kann, möchte die aktuelle Besitzerin SPK dazu nutzen, die Bronzen auf jeden Fall im Humboldt Forum zu präsentieren, bevor sie sie „substantiell“ restituiert. Derweil sind längst Restitutionen deutscher Museen in alle Teile der Welt erfolgt, nach Namibia, Neuseeland, Hawaii, Alaska. Aber erst bis Mitte Juni werden die sicherlich vorhandenen Beninlisten deutscher Museen eingesammelt. Derweil dreht sich das Personalkarussell munter weiter: Kuratoren im Humboldt Forum wechselten ebenso wie die Mitglieder der Benin Dialogue Group ihre Arbeitgeber: Bereits der zweite Experte für die Präsentation der Bronzen im Humboldt Forum, der Kurator Jonathan Fine, wechselt als Direktor ans Weltmuseum Wien, wo die Gruppe einst gegründet wurde, während die Wiener Gründerin Plankensteiner seit 2017 Direktorin des MARRK Hamburg ist und ein weiteres Mitglied, die ehemalige Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen und Afrikaexpertin, Nanette Snoep, ans Rautenstrauch-Joest-Museum Köln wechselte.

 

Eine unbequeme Ausstellung im Humboldt Forum oder rasche Restitution?

 

Angenommen, die nigerianischen Partner befürworten die Schau der Bronzen im Humboldt Forum, wie müsste eine solche Ausstellung beschaffen sein, wer kuratiert? Müsste sie nicht den Gesamtkontext der britischen Strafexpedition thematisieren, die blutige „Verwobenheit der Akteure miteinander“, wie die Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin schrieb? Will das Humboldt Forum seine Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen, muss es dann nicht den Mut haben, Gewalt und Brutalität der britischen und nigerianischen Beteiligten darzustellen? Eine rasche Restitution dürfte der einfachere Weg sein.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2021.

Viola König
Viola König ist Professorin für Kultur- und Sozialanthropologie und Altamerikanistik an der Freien Universität Berlin. Bis 2017 war sie Direktorin des Ethnologischen Museums Berlin.
Vorheriger ArtikelIdeologischer Spielball
Nächster Artikel„Dieses Buch ist eine Streitschrift“