„Benin-Forum“

Die Zeit der defensiven Minimalmaßnahmen ist vorbei

Das lange Ignorieren von Kolonialismus und kolonialer Raubkunst haben das Humboldt Forum in eine existenzielle Schieflage gebracht, welche die Eröffnung völlig zu überschatten droht. Die Situation ist vom Humboldt Forum allein nicht zu bereinigen.

 

Die Politik ist gefordert, umgehend ein gesamtgesellschaftliches postkoloniales Erinnerungskonzept vorzulegen, in das das Humboldt Forum eingebettet, das aber nicht darauf reduziert ist. Angesichts der globalen Ausrichtung des Forums und der transkolonialen Natur seiner Sammlungen bietet sich das Humboldt Forum als Gedenkort für koloniale Raubkunst an. Themen wie koloniale Gewalt oder Genozid sollten an anderer zentraler Stelle gedacht werden, da Raubkunst wie kollektive Gewalt zu wichtig sind für die europäische Identität, als dass sie in einem abgehandelt werden und unter Umständen in Wahrnehmungskonkurrenz zueinander stehen.

 

Das Humboldt Forum bzw. die Stiftung Preußischer Kulturbesitz muss ein klares Bekenntnis zur Restitution von Raubkunst und dem Prinzip der Beweislastumkehr abgeben. Provenienzforschung darf nicht in den Geruch kommen, die Entscheidung über Restitution zu verschieben oder die Zahlen der problematischen Objekte klein zu rechnen.

 

Bei den Objekten, bei denen schon heute der Raubcharakter feststeht, allen voran die Benin-Bronzen, muss umgehend gehandelt werden. Das Eigentumsrecht ist zu restituieren, ausgewählte Objekte sollten allenfalls als Leihgaben in Berlin gezeigt werden. Um keinen Zweifel an der Bedeutung des Themas und der Aufarbeitung kolonialer Beutekunst aufkommen zu lassen, sollte sich dies in der Namensgebung widerspiegeln. Das Forum als Ganzes oder einen substanziellen Teil in „Benin-Forum“ umzubenennen wäre eine Möglichkeit. Mit der Leihgebühr sind museale Infrastrukturmaßnahmen in Nigeria zu finanzieren.

 

Nur ein deutlicher symbolischer Akt kann den Willen zur Dekolonisierung zeigen und die Rolle des Humboldt Forums als Agora für das 21. Jahrhundert retten.

 

Die Zeit rein defensiver Minimalmaßnahmen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung ist vorbei. Letzteres ist weder der Bedeutung des Themas noch des Humboldt Forums angemessen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.

Jürgen Zimmerer
Jürgen Zimmerer ist Professor für Globalgeschichte mit Schwerpunkt auf Afrika an der Universität Hamburg und Leiter der dortigen Forschungsstelle "Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die (frühe) Globalisierung".
Vorheriger ArtikelZivilgesellschaft einbinden
Nächster ArtikelEin großer Gesamtplan