Langer Anlauf zur Erinnerung

Freiheits- und Einheitsdenkmäler in Berlin und Leipzig

Für Deutschland ist das Denkmal in Berlin eine Premiere in der Denkmalpolitik der Nachkriegszeit. Denn anders als etwa beim Berliner Holocaust-Mahnmal ist der Anlass zum Freiheits- und Einheitsdenkmal positiv konnotiert. Dieser Aspekt, der einen Wandel deutscher Identität markiert, spielte in der Debatte eine entscheidende Rolle. So machte z. B. Wolfgang Thierse (SPD) deutlich, das Gedenken in der Hauptstadt dürfe sich nicht nur den dunklen Kapiteln deutscher Geschichte widmen. Als Ostdeutscher argumentierte Thierse in einem Fachgespräch des Kulturausschusses im Deutschen Bundestag vom Januar 2017, es käme einer „Missachtung“ gleich, würde der friedlichen Revolution von 1989 kein Denkmal errichtet. Jenes Fachgespräch war nötig geworden, da zuvor im April 2016 der Haushaltsausschuss die Gelder für das geplante Denkmal hatte sperren lassen, wofür gestiegene Kosten als Ursache eingeräumt wurden, was jedoch von der Kulturpolitik gegenüber Gegnern des Denkmals als haushaltspolitisches Kalkül scharf kritisiert wurde. Nach weiteren Debatten wurde 2017 abermals beschlossen, das Denkmal zu bauen. Letzten Endes haben aber nicht die Debatten der Erinnerungskultur die Entstehung des Denkmals so lange verzögert. Sachzwänge spielten die entscheidendere Rolle. Dazu gehörten der Denkmalschutz der historischen Kolonnaden vorm Berliner Stadtschloss auf dem erhaltenen Sockel des früheren Kaiser-Wilhelm-Denkmals sowie bedrohte Fledermäuse, für die, weil sie die Aufenthaltsorte unter den Kolonnaden an der Spree zukünftig nicht mehr anfliegen können, andernorts Kompensationsraum geschaffen werden muss.

 

Festzuhalten bleibt, dass das Denkmal partei- und fraktionsübergreifend breite parlamentarische Zustimmung fand, was der Beschluss von 2017 aus der vorherigen 18. Legislaturperiode nahelegt. Auch Die Linke war nie grundsätzlich gegen das Denkmal. Das erklärte etwa die Abgeordnete Sigrid Hupach im Plenum kurz vor der endgültigen Abstimmung. Zu kritisieren hatte sie jedoch eine aus ihrer Sicht mangelnde Bürgerbeteiligung im Entstehungsprozess. Diese Kritik teilten im Übrigen viele andere außerhalb des Parlaments.

 

Nach ihrem Einzug in den Deutschen Bundestag zur 19. Wahlperiode wollte die AfD-Fraktion mit ihrem Antrag von 2018 einen Baustopp des Denkmals erwirken. Einer ihrer Kritikpunkte war, dass ihr der symbolische Zusammenhang zwischen Standort und DDR-Demokratiebewegung fehle. Die AfD plädierte dabei für einen neuen Ideenwettbewerb und wünschte sich gewissermaßen, die Debatte nochmals ganz von vorn zu starten. Ihr Antrag wurde als alternativlos von Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt. Das Berliner Denkmal wird also kommen.

 

Leipzig hat, was die konkrete Ausführung eines Denkmals betrifft, noch nichts vorzuweisen. In Leipzig will man „Fehler“, wie sie in Berlin passierten, vermeiden, sprich: Man will mehr Bürgerbeteiligung beim Entstehungsprozess. Der erste Anlauf ausgeschriebener und durchgeführter Wettbewerbe nämlich war gescheitert, weil sie der Stadtverwaltung nichts Handfestes zur Umsetzung lieferten. Laut Beschluss des Leipziger Stadtrats vom Oktober 2017 ist deshalb nun die Stiftung Friedliche Revolution Leipzig damit beauftragt worden, ein Konzept für die Durchführung des Denkmals und insbesondere für die Bürgerbeteiligung zu entwickeln. Ein echtes zivilgesellschaftliches Vorgehen ist geplant, wie Michael Kölsch, Vorstandsmitglied der Stiftung meint: „Wir wollen, dass die Bürger in jedem Verfahrensschritt miteinbezogen werden“, so Kölsch. Es gehe nicht darum, öffentliche Akzeptanz für ein Denkmal zu schaffen, sondern um Mitgestaltung. Bürger sollen mitbestimmen beim Briefing, was das Denkmal überhaupt will, bei der Auswahl des Standortes und bei der Zusammensetzung der Jury des künstlerischen Wettbewerbs. Die Stiftung will unter anderem ein Gremium berufen, das über Ideen oder Einwände seitens der Bürgerschaft befindet. Doch auch dafür ist noch nichts Konkretes beschlossen. In Corona-Zeiten stehen gegenwärtig andere Angelegenheiten an.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2020.

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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