Schriftsteller gehen bei den Bundeshilfen oft leer aus

NEUSTART KULTUR unterstützt Verlage und Buchhandlungen direkt

Im März 2020 verfasste ich einen Artikel für „Politik und Kultur“, um zu schildern, wie es den Schriftstellerinnen und Schriftstellern in Deutschland mit der Corona-Pandemie ging. Ich schrieb damals: „Ich fordere von der Politik eine zügige und unbürokratische Bereitstellung von Mitteln. Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Übersetzerinnen und Übersetzer in Deutschland sind, wie so viele Selbständige auch, unverschuldet in eine tiefe Krise geraten.“

 

Diesen Text könnte ich heute beinahe unverändert wiederverwenden. Zwölf Monate Pandemie liegen hinter uns, fünf Buchmessen wurden abgesagt, und noch immer verkennen die meisten Coronahilfspakete die Lebens- und Verdienstwirklichkeit der oft soloselbständigen professionellen Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Ich schätze, dass der Anteil jener, die tatsächlich Hilfe erhalten, wegen der Einschränkungen und Bedingungen im einstelligen Prozentbereich liegt. Allein einige Hilfen der Bundesländer erreichten Hilfebedürftige.

 

Das Programm NEUSTART KULTUR der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien unterstützt glücklicherweise die Verlage und Buchhandlungen direkt. Schriftstellerinnen sind in ihrer Förderung aber immer noch abhängig von Veranstaltungen Dritter. Das erste Förderprogramm wurde gut abgerufen, im Sommer fanden Lesungen statt; die zweite Auflage scheitert jedoch genau an der Möglichkeit, die Veranstaltungen im Lockdown tatsächlich durchzuführen. Die Mittel werden nicht mehr abgerufen. Der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS in ver.di) organisiert daher die VS-Onlesung auf der Streamingplattform twitch von Anfang bis Ende vollständig digital – mit großem Erfolg.

 

Ich habe gerade für den „Spiegel“ die Kalkulation aufgestellt, dass im Jahr 2020 deutschlandweit – konservativ kalkuliert – 20.000 bis 25.000 Lesungen ausgefallen sind. Wenn man für diese Lesungen das vom VS empfohlene Mindesthonorar von 300 Euro ansetzt, dann sind im letzten Jahr durch die Hygieneverordnungen rund um die Pandemie ca. sechs bis acht Millionen Euro ausgefallen, die den Autorinnen und Autoren niemand ersetzt. Ich schätze, dass der Ausfall sogar über zehn Millionen Euro liegt.

 

Bereits im Sommer 2020 haben über 50 Prozent der deutschen Verlage Titel verschoben, 36 Prozent der Verlage ganz abgesagt. Meist trifft es die Kaum- oder Unveröffentlichten. Mit jedem verschobenen oder abgesagten Buch wird aber auch eine Zahlungsrate an den Autor, die Autorin verschoben oder abgesagt.

 

Die Perspektiven für die nächsten Jahre bleiben düster, denn die Buchbranche hat einen ordentlichen Dämpfer erfahren. Neueinsteigerinnen und Jungautoren haben es schwer, einen Verlag zu finden, da die Verlage auf sich gut verkaufende Profis setzen. Die gesunkenen Verkäufe 2020 – im Schnitt 2,3 Prozent – und 2021 bedeuten auch geringere Tantiemenzahlungen sowie geringere Vorschüsse  für neue Bücher in den nächsten Jahren.

 

Der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller fordert von der Politik eine sinnvolle, unbürokratische und vor allem direkte Wirtschaftshilfe auch für soloselbständige Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die als Unternehmerlohn angerechnet werden kann: entweder prozentual 80 Prozent vom durchschnittlichen Monatseinkommen 2019 – parallel zum Kurzarbeitergeld für Angestellte –, oder als schnellen und unkomplizierten Fixbetrag, z. B. wie in Baden-Württemberg die 1.180 Euro.

 

Zudem muss das Urhebervertragsrecht angepasst werden, damit Schriftstellerinnen und Schriftsteller ihre Rechte mithilfe ihrer Verbände besser durchsetzen können. Leider sieht der Entwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie in deutsches Recht diese Verbesserung der Situation der Urheberinnen und Urheber nicht vor.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.

Lena Falkenhagen
Lena Falkenhagen ist Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller.
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