Auch für Bildende Künstlerinnen und Künstler ist der lange Lockdown eine existenzielle Herausforderung: Die Aufträge bleiben aus, neue Projekte sind nur schwer zu akquirieren bzw. planbar, Nebenjobs, ob im künstlerischen oder nichtkünstlerischen Bereich, sind vielfach weggebrochen. Die Neustarthilfe für Soloselbständige geht zwar in die richtige Richtung, wie sie konkret ausgestaltet ist, ist bis zum Redaktionsschluss dieser Zeitung aber noch nicht bekannt. Die Bundeshilfen gehen vor allem deswegen zumeist an Kunstschaffenden vorbei, weil deren Einkommen allgemein so gering sind, dass sie als anteilige Referenzgröße kaum etwas bringen. Von Anfang an fehlte es bei den Bundeshilfen an einem Unternehmerlohn, einer berufsgerechten Einkommensausfallhilfe.
Aber vor allem vermissen wir das: Den künstlerischen Diskurs, der mit der analogen Präsentation und Rezeption von Werken verbunden ist. Wir hoffen, dass die Forderung nach einer schrittweisen Wiedereröffnung von Kunstorten Gehör findet. In Kunstvereinen, Galerien, Offspaces und Museen hat Abstand schon immer Tradition – zum Schutz der Exponate und aus Respekt vor dem Kunstgenuss anderer Kunstbetrachtenden. Strenge Hygienevorschriften sind problemlos umsetzbar. Und wir erwarten, dass der Wert der Kunst und die Arbeits- und Einkommensbedingungen freischaffender Künstlerinnen und Künstler nun dauerhaft ein größeres Gewicht in der öffentlichen Diskussion erfahren. Die Sicherung ihres Einkommens gehört für eine Kulturnation verbindlich zur Daseinsvorsorge.
Abgesehen von Nachbesserungen in den Corona-Hilfen erwarten wir, dass Lehren gezogen werden aus der Zeit des Corona-Brennglases. Und die müssen sich auch im nächsten Koalitionsvertrag widerspiegeln. Konkrete Maßnahmen zur Sicherung des künstlerischen Einkommens sind zu vereinbaren – die Zeit der ehrenamtlichen Arbeit für Ruhm und Ehre muss auch für Bildende Künstlerinnen und Künstler ein Ende finden, ihre Leistungen sind wie in anderen Kunstsparten grundsätzlich angemessen zu vergüten. Dies ist in allen Förderrichtlinien der öffentlichen Hand und letztlich auch im Urheberrechtsgesetz zu verankern. Ich verweise auf unsere aktualisierte „Leitlinie Ausstellungsvergütung“. Im Urheberrecht ist bei der Umsetzung der DSM-Richtlinie zu gewährleisten, dass Urheberinnen und Urheber selbstverständlich auch für die digitale Nutzung ihrer Werke angemessen vergütet werden. Die Förderung freien Kunstschaffens ist auszubauen, besonders geeignet sind hier Stipendien und Projektzuschüsse. Wir fordern einen deutlichen Aufwuchs des Budgets der Stiftung Kunstfonds. Es sind funktionierende Regelungen für den Zugang von Soloselbständigen zu den sozialen Sicherungssystemen zu treffen: Die Grundsicherung ist radikal zu reformieren, pandemiebedingte Erleichterungen beim Zugang sind zu verbessern und untaugliche Einschränkungen freiberuflicher Selbständiger abzubauen. Das Gesetz zur Einführung der Grundrente muss nachgebessert werden, damit mehr Künstlerinnen und Künstler etwas davon haben. Über ein Modell für eine Sicherung bei Einkommensausfällen ist zu diskutieren.
Und dann gibt es da noch die langfristige Perspektive, die Zukunft: Hier brauchen wir Rahmenbedingungen, die einen freien, einen von reinen Marktmechanismen befreiten kunst- und kulturwissenschaftlichen Diskurs zulassen. Dazu gehört auch eine spartenspezifische Strukturförderung. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.