Mode-Kultur

Modedesign: Mut haben, wieder regional zu produzieren

In einem langen Gespräch mit Wolfgang Grupp, Inhaber der nachhaltigen Firma Trigema, durfte ich seinen Kernsatz erfahren: Ein Unternehmer muss Verantwortung übernehmen für alles, was er tut. Nicht das Mehr darf Ziel sein, sondern Tiefe in der Qualität. Auch in Corona-Zeiten ist er seinem Prinzip treu geblieben und hat seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weder entlassen noch in Kurzarbeit geschickt. Fazit: Also, geht doch? Leider offensichtlich nicht.

 

Zu viele Textilfirmen benutzen die Pandemie, um von ihren bereits vorhandenen Problemen abzulenken und trennen sich von Mitarbeitern, um nicht an Profit zu verlieren. Am meisten betroffen sind davon die Designabteilungen und die Freelance-Designerinnen und -Designer.

Sie sind mit ihrer Kreativarbeit der Anfang der Liefer- und Wertschöpfungskette. Der kaufende Kunde selbst das Ende des langen und verknoteten Fadens.

 

Sterben uns die Designerinnen und Designer in Mode und Textil also weg? In Weiterführung gewohnter Haltungen und Wege der Industrie: Ja. Was ist zu tun?

 

Den Mut haben, wieder regional zu produzieren, kleine Mengen zu wagen: statt 10.000 der Stückzahlen, die am Ende dem Feuer anheimgegeben werden, weil sie niemand braucht; statt Rabattschlachten und Black Fridays, einen Dienstag in der Woche für nachhaltige Produkt-Qualität einführen, einen Dienstability-Day mit dem Mut zum echten Preis.

 

Sich abgewöhnen, mit dem Gehirn der Kunden denken zu wollen. Stattdessen dem neuen Kaufverhalten der Bevölkerung vertrauen. In Drittländern mit erzielten Euro-Überschüssen menschenwürdige Betriebe aufbauen mit der Unterstützung zu dauerhaft nachhaltiger Selbsthilfe. So wäre eine Marge da, mit der auch die Designabteilungen und Freelancer honoriert werden können für Mode-Kultur statt Bekleidung.

 

Und der Handel? Er möge sich dringend die Krämer-Mentalität abgewöhnen und statt der „Nur-Produkte“ die Dienstleistung nach vorne bringen. Voll Freude und Elan die Digitalisierung anpacken, um mit den Kunden zusammen im Internet spazieren zu gehen.

 

Das Internet zum gemeinsamen Abenteuerurlaub werden lassen. Internetbestellungen nicht mehr mit Verpackungsmüll verschicken, sondern im örtlichen Einzelhandel abholen lassen. So geht Dienstleistung inklusive nachhaltigem Handeln. Auch die dadurch ansteigenden Verkäufe kommen den Designerinnen und Designern zugute. Und bis dahin?

 

Designerinnen und Designer goes LABEL, heißt, sie sind gezwungen, eigene Marken aufzubauen – und da kommt die Politik ins Spiel. Hier lohnt sich nachhaltige Förderung. Bedeutet: Bestandsfirmen fördern, die fünf Jahre lang die Produktionskosten der Designerware übernehmen für den NEUSTART KULTUR, einfache Wege zulassen in den Arbeitsagenturen für fünf Jahre Grundeinkommen über 1.500 Euro.

 

Verbände fördern, die das nötige Know-how vermitteln. Diesen kreativen – im Übrigen alle der Nachhaltigkeit verpflichteten – kleinen Labels wieder den Zugang zur Künstlersozialkasse ermöglichen, wie es noch vor acht Jahren 30 Jahre lang von Beginn an möglich war.

 

Für die dafür ausstehenden Gespräche mit Politikerinnen und Politikern habe ich viel gelernt aus dem neuen Buch „Die Stunde der Politik“ von Günther Bachmann, der 20 Jahre lang Generalsekretär des Rats für nachhaltige Entwicklung war. Die Politikerinnen und Politiker hören zu und ich bin mir sicher, dass sie sich auch der Kraft bewusst werden, Innovationen sinnvoll zu steuern, und das nachhaltig.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.

Mara Michel
Mara Michel ist Modedesignerin, Geschäftsführerin des VDMD, Netzwerk für Mode- und Textil-Designer sowie Vizepräsidentin des Deutschen Designtages.
Vorheriger ArtikelSchriftsteller gehen bei den Bundeshilfen oft leer aus
Nächster Artikel„Wir müssen unsere Relevanz klarer behaupten“