„NEUSTART KULTUR“ – tatsächlich ein kultureller Neubeginn?

Wie beurteilen die kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprecher im Deutschen Bundestag das Kulturkonjunkturprogramm?

 

AfD

 

Wegen der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung die Schließung fast aller Kultureinrichtungen angeordnet, kulturelle Veranstaltungen fallen schon seit Monaten aus. Viele Künstler, Veranstalter und kreativ Tätige bangen zunehmend um ihre Existenz. Mit einem „Rettungs- und Zukunftsprogramm“, das auf eine Milliarde Euro budgetiert ist, soll nun ein „NEUSTART KULTUR“ gewährleistet werden. Ging es zunächst um Not- und Soforthilfe, soll dieses Programm nun die kulturelle Infrastruktur retten. In der Tat wäre es eine Katastrophe für die Kulturnation Deutschland, wenn diese Infrastruktur dauerhaften Schaden nähme. Dass jetzt dringend geholfen werden muss, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die weit überzogenen Maßnahmen der Regierung waren, die die Notlage erst herbeigeführt haben.

 

Schon das Maßnahmenpaket der Not- und Soforthilfe hat sich als zu wenig passförmig erwiesen, nicht zuletzt aufgrund eines „Förderflickenteppichs“, so der Deutsche Kulturrat, von Bund und Ländern. Die AfD-Bundestagsfraktion hat deshalb gefordert, die Hilfsleistungen über die Künstlersozialkasse (KSK) zu organisieren. Durch den Prüfungsablauf der KSK könnte auch einer missbräuchlichen Mittelverwendung oder Mitnahmeeffekten weitgehend vorgebeugt werden, wie sie etwa in Berlin im großen Stil zu beklagen waren. Die durch massenhaften Betrug entzogenen Gelder gingen für die wirklich bedürftigen Künstler verloren. Unser Antrag wurde von den anderen Bundestagsfraktionen, wie zu erwarten, abgelehnt.

 

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass kulturelle Einrichtungen, vor allem auch private, in der gegenwärtigen Notlage unterstützt werden, sind sie doch nicht selbstverschuldet in diese geraten, sondern von den Behörden quasi mit Berufsverbot belegt worden. Dasselbe gilt für die vielen Soloselbständigen in der Kulturszene, an denen die meiste Hilfe zunächst vorbeigegangen war. Die staatliche Hilfe darf aber nicht zum Dauerzustand werden, ihre Wirksamkeit und Notwendigkeit ist in regelmäßigen Abständen zu evaluieren. Mit Nachdruck wird sich die AfD gegen alle Versuche wenden, die Hilfen an bestimmte ideologische Auflagen wie Frauenquoten oder Diversity-Orientierung zu knüpfen, wie es SPD, Linkspartei und Grüne bereits gefordert haben.

 

Entgegen der Darstellung der Bundesregierung war es nicht das Coranavirus als solches, das zu einem Erliegen des Kulturlebens führte, sondern eine Entscheidung der Politik. Zunächst wurden viel zu lange gar keine Maßnahmen gegen die sich anbahnende Pandemie ergriffen, was den späteren Lockdown erst nötig machte. Mittlerweile wird dieser Zustand bereits viel zu lange aufrechterhalten. Der berechtigte Unmut der Kultur- und Kreativszene darüber artikuliert sich unter anderem unter dem Hashtag #firstoutlastin.

 

Ein wesentlicher Grund für die Zögerlichkeit der Regierung im Hinblick auf eine konsequente Exit-Strategie aus dem Corona-Regime liegt darin, dass die Corona-Maßnahmen an Fragen der Verantwortung, Haftung und des Schadensersatzes aufgehängt sind, wie sie im US-Rechtssystem schon länger dominant sind. Diese Entwicklung führt zu einer verfassungswidrigen Einschränkung unserer Grundrechte. Die Bundesregierung kommt mit dem Programm „NEUSTART KULTUR“ der Forderung nach einer Exit-Strategie jetzt zwar nach, die seitens der AfD-Bundestagsfraktion schon seit Wochen erhoben wird. Jeder Tag, an dem noch zugewartet werden muss, kostet aber Unsummen. Das beste Zukunftsprogramm für den Kulturbereich ist daher die raschestmögliche Öffnung der Bühnen und Veranstaltungsstätten, auf die die AfD weiterhin drängen wird.

 

Marc Jongen MdB ist kulturpolitischer Sprecher der Fraktion AfD im Deutschen Bundestag

 

FDP

 

Eine Milliarde Euro mehr für die Kultur, das sind 50 Prozent mehr bezogen auf den derzeitigen Kulturhaushalt des Bundes. Dies erfreut jeden Kulturpolitiker jeglicher politischen Schattierung. Chapeau! Ca. 500 Millionen Euro sind vorgesehen für die vielen kleineren und mittleren, privatwirtschaftlich finanzierten Kulturstätten und -projekte, die unsere bunte Kulturlandschaft so prägen. Das gefällt mir sehr gut. Gerade die privaten Einrichtungen sind durch den kompletten Wegfall ihrer Einnahmen besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen.

 

Nicht überzeugt bin ich von der mit einem Viertel der Milliarde Euro geplanten Unterstützung von Investitionsmaßnahmen in Hygeniekonzepte, Online-Ticketing-Systeme und der Modernisierung von Belüftungssystemen. Analog der Pawlow’schen Bedürfnispyramide essen die Künstler und Kreativen in der Not das Brot auch ohne Butter und Käse. Diese 250 Millionen Euro fehlen an einer echten Nothilfe. Dies auch bitte nicht falsch verstehen: Die Modernisierung der Infrastruktur von Kinos, Theatern und Konzerthäusern ist dringend geboten und sollte mit einer ausreichenden Summe in den ordentlichen Kulturhaushalt des Bundes und der Länder aufgenommen werden.

 

Leider lassen die spärlichen Informationen der Bundesregierung bisher nicht nur vieles im Unklaren, sondern es wirkt, als ob auch weiterhin dringende Probleme nicht gelöst werden. Erneut erhalten die zahlreichen Soloselbständigen keine zielgerichtete Unterstützung. Schon die Soforthilfe, die nur für Betriebskosten, nicht aber für Lebenshaltungskosten genutzt werden durfte, verfehlte für diese wichtige Gruppe komplett ihr Ziel. Soloselbständige haben keine Betriebskosten. Ihr Anlagevermögen ist ihre Stimme, ihre Fertigkeiten als Schauspieler oder ihr Können am Instrument. Diese drastische Gerechtigkeitslücke wurde vor einigen Wochen zwar ausführlich im Kulturausschuss des Bundestages thematisiert, scheint aber von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien auch diesmal nicht ansatzweise behoben worden zu sein.

 

Weiterhin unklar sind zum heutigen Stand die detaillierten Vergabekriterien. Ebenso unklar ist, wer genau die Hilfsgelder verwalten und verteilen soll. Anscheinend sollen dies die Bundesverbände der Kultureinrichtungen selber vornehmen. Das gibt ein Hauen und Stechen. Mir graut es schon vor einem weiteren Bürokratiemonstrum, in welchem die gut gemeinten Konjunkturhilfen versickern. Die Corona-Pandemie trifft alle gleichermaßen. Hier einmal wäre das Gießkannenprinzip tatsächlich angebracht. Warum koppelt man die Hilfe für einzelne Kultureinrichtungen nicht einfach an den Jahresumsatz aus 2019 und schüttet einen Prozentsatz davon einfach über das zuständige Finanzamt aus. Alle Umsatzsteuervoranmeldungen für 2019 sind bereits abgegeben, Steuernummern und Bankverbindungen bekannt, und da Ende 2019 keiner mit dieser Katastrophe rechnen konnte, ist ein Missbrauch von Fördergeldern nahezu ausgeschlossen. Dieses Vorgehen ist schnell und unkompliziert. Die Mittel stünden den Betroffenen umgehend zur Verfügung. Das Entwerfen von diversen unterschiedlichen Antragsformularen entfällt, ebenso die immer ungerechte Lösung des sogenannten Windhundverfahrens. Nicht immer ist der Schnellste auch der, der am meisten Hilfe benötigt. Und wer soll und will bei begrenzten Mitteln entscheiden, wer etwas bekommen soll?

 

Mit Bestürzung habe ich wahrgenommen, dass keinerlei Mittel für den enorm wichtigen Teilbereich der kulturellen Bildung vorgesehen sind. Der überwiegende Teil dieser gemeinnützigen Einrichtungen wird nicht institutionell, sondern über Projektmittel gefördert und ist daher existenziell auf laufende Einnahmen angewiesen. Es kann nicht im Sinne einer zukunftsorientierten Kulturpolitik sein, die junge Generation, die den Großteil der Corona-Hilfen zurückzuzahlen hat, hier so sträflich zu vernachlässigen. Hier gilt es, z. B. den Fonds Soziokultur gezielt zu stärken und darüber die Unterstützung der kulturellen Bildung zu gewährleisten.

 

Hartmut Ebbing MdB ist kulturpolitischer Sprecher der Fraktion FPD im Deutschen Bundestag

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