NEUSTART KULTUR: Pandemiebedingte Investitionen

Wie werden Kulturunternehmen bei Hygienemaßnahmen unterstützt?

Deutsche Theatertechnische Gesellschaft

 

Die Beauftragung eines 113 Jahre alten – und doch frischen – Verbandes war sicher eine großartige Idee der Kulturstaatsministerin Monika Grüters. Wer kennt die Theater und Kulturorte besser als die Menschen, die sich mit den Strukturen, den Berufen und den Technologien seit langer Zeit befassen und den Theater- und Veranstaltungsbetrieb mit Fortbildungen, technischen Entwicklungen und künstlerisch-technischen Konzepten aktiv unterstützen.

 

Pandemiebedingte Investitionen im Umfang von 40 Millionen Euro sollen die gebeutelten privaten Theater und Kleinkunstbühnen fit machen für eine bevorstehende Indoor-Saison unter besonderen Bedingungen und gegebenenfalls auch für die Freiluftsaison des kommenden Jahres. NEUSTART KULTUR bedeutet, das technische Equipment für einen optimistischen Start der Kreativen und eine vertrauensvolle Rückkehr des Publikums in die ertüchtigten Häuser bereitzustellen.

 

Hygienekonzepte, Wegeführungen, Bühnentechnik für den Outdoor-Betrieb, papierlose Ticketsysteme, Erweiterung von kontaktlosen Sanitäreinrichtungen und vor allem Lüftungsanlagen sind bei den Antragstellungen gefragt gewesen.

 

Über 500 Anträge sind bei der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft (DTHG) vom 14. Juli bis zum 31. Oktober 2020 eingegangen. Insgesamt wurden ca. 35 Millionen Euro vergeben, die Antragstellung wurde bis zum 30. November verlängert.

 

Die DTHG hat nicht nur die Anträge bearbeitet und auf deren formelle Richtigkeit überprüft. Im Rahmen von NEUSTART KULTUR wurde ein einmaliges Senior Consultant Programm auf den Plan gerufen.

Kürzlich in den Ruhestand versetzte Ingenieure, Experten für Haustechnik und technische Direktoren teilweise großer Häuser wurden als Berater in die Theater entsendet und haben überprüft und vor Ort beraten. Die nachgewiesene Expertise dieser Beratungen war für viele Kulturmenschen der erste freundliche Kontakt mit professionellen Herangehensweisen an ganzheitliche Konzepte pandemiegerechter und nachhaltiger technischer Erweiterungen ihrer Kulturorte.

 

Dass den Investitionen eine sinnvolle Bestandsaufnahme zugrunde liegt, schafft dabei einen Zugang zu oft längst überfälligen Ertüchtigungen. Die Betrachtung unter Corona-Bedingungen kann auch eine gute Grundlage der Neuorganisation von Arbeits- und Publikumsbereichen bilden.

Wenig erfreulich sind die oft ungestützten Diskussionen um neue Technologien zur Luftreinhaltung in raumlufttechnischen oder ortveränderlichen Anlagen und deren Verwendung in den Kulturbauten. Eine Regelfreundlichkeit bei gleichzeitiger Technikfeindlichkeit fördert weder Vertrauen noch den notwendigen experimentellen Umgang mit Technologien, die antiviral wirken könnten.

 

Bei der besonderen Prominenz der Kulturgebäude bieten gerade sie sich für den großen gesellschaftlichen Test an. Theater waren – gegen erhebliche Widerstände – die ersten elektrifizierten Gebäude in Deutschland vor mehr als 140 Jahren. Orte aktiven Ingenieurwesens.

 

Ein geringer Anteil an gut organisierten Förderpiraten schmälerte nicht das Vergnügen, im großen Stil den kleinen Theatern und Kleinkunstbühnen geholfen zu haben, und deren teilweise euphorische Dankbarkeit ist für das ganze DTHG-Team eine besonders freudvolle Erfahrung.

 

Wesko Rohde ist Vorsitzender der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft.

 

 

Bundesverband Soziokultur

 

Der Neustart für die Kultur begann schon im Frühjahr. Bereits im Mai wurde innerhalb kürzester Zeit das Sofortprogramm NEUSTART für coronabedingte Investitionen von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) aufgesetzt und durch den Bundesverband Soziokultur in die Fläche getragen. NEUSTART „Sofort“ richtete sich an gemeinnützige oder überwiegend öffentlich geförderte Museen, Ausstellungshallen, Gedenkstätten, Veranstaltungsorte für Konzert-, Tanz- und Theateraufführungen sowie soziokulturelle Zentren und Kulturhäuser. Das ursprünglich 10 Millionen schwere Programm war innerhalb weniger Tage überzeichnet. Die BKM reagierte schnell und stockte auf 30 Millionen auf. Alle förderfähigen Anträge konnten somit in eine finanzielle Unterstützung zwischen 10.000 und 50.000 Euro überführt werden, um die Kultureinrichtungen deutschlandweit den gesundheitspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung anzupassen Der Pilot zu NEUSTART KULTUR leistete wertvolle Vorarbeit durch die Klärung von Detailfragen und bestätigte vor allem, wie dringlich investive Maßnahmen für die Aufrechterhaltung kultureller Angebote in Pandemiezeiten sind. Binnen weniger Monate wurden 1.226 Anträge mit einem Fördervolumen von insgesamt 27,5 Millionen Euro bewilligt. Mit Spannung werden die Auswertung und Dokumentation der Maßnahmen erwartet, durch die vor allem kleinere und mittelgroße Kultureinrichtungen bei der Wiedereröffnung und Vorbereitung auf die zweite Welle unterstützt wurden.

 

Ende Oktober, inmitten dieser zweiten Welle, endete das Antragsverfahren der beiden Fördermaßnahmen des Bundesverbandes Soziokultur im anschließenden Programm NEUSTART KULTUR der BKM. Diejenigen Einrichtungen, deren kulturelle und soziokulturelle Programmarbeit in der Maßnahme „Programm“ gefördert werden soll, sehen sich nun einem weiteren Lockdown und ungewissen Perspektiven gegenüber. Es ist vielerorts unklar, ob die Maßnahmen, die aus den 548 eingegangenen Anträgen bewilligt werden können, in der ursprünglich beabsichtigten Form und im geplanten Zeitrahmen auch durchgeführt werden können. Hier wird maximale Flexibilität bei der Änderung von Anträgen und Vorhaben nötig sein, um die im Antragsvolumen voll ausgeschöpfte Fördersumme von 15 Millionen Euro ihrem Förderzweck zuzuführen – eine zusätzliche Erhöhung des Arbeitsaufwands und des Schwierigkeitslevels in dieser ohnehin schon hochkomplexen Aufgabe.

 

Auf die Zeit nach dem Lockdown bereiten sich momentan die Kulturzentren, Literaturhäuser und soziokulturellen Zentren vor, die im Bereich „Zentren“ Förderung für pandemiebedingte Investitionen erhalten. 649 Anträge wurden dort gestellt. Die zur Verfügung stehenden 25 Millionen Euro Fördermittel der BKM sind in den Einrichtungen schwerpunktmäßig für den Einbau, die Aufrüstung oder die Anschaffung von Klima- und Belüftungssystemen, für Maßnahmen zur Ertüchtigung und Erweiterung der vorhandenen Nutzflächen, für Ausstattung für Open-Air-Veranstaltungen, für die Modernisierung von Sanitäranlagen und den Ausbau der eigenen IT-Infrastruktur vorgesehen. Diese Maßnahmen sollen die Wiedereröffnung der Einrichtungen ermöglichen und ihre Attraktivität beim Weiterbetrieb unter Pandemiebedingungen stärken, damit wir alle auch weiterhin an ihrer wichtigen Arbeit teilhaben können.

 

Jennifer Tharr leitet das Projekt NEUSTART beim Bundesverband Soziokultur. Thomas Gaens leitet das Projekt NEUSTART KULTUR mit den Förderbereichen Programm und Zentren beim Bundesverband Soziokultur.

 

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