Lotterie mit öffentlichen Geldern

Das Programm „Digital Jetzt“ des Bundeswirtschaftsministeriums

Die Corona-Pandemie hat bekanntermaßen in fast allen Branchen einen digitalen Schub ausgelöst. Defizite in diesem Bereich, gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen, wurden noch deutlicher sichtbar als zuvor. Die Gefahr, hier komplett abgehängt zu werden, weil digitale Innovationen viel Geld kosten, das – verstärkt durch coronabedingte Mindereinnahmen – bei vielen Unternehmen nicht vorhanden ist, war und ist groß. Dieses Manko hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) offenbar erkannt und das Projekt „Digital Jetzt“ aufgesetzt – genau zum richtigen Zeitpunkt, nämlich in der zweiten Jahreshälfte 2020.

 

Für kleine und mittlere Unternehmen war diese Ausschreibung ein Licht am Horizont, zeigte sie doch die Möglichkeit auf, lange notwendige, aber nicht finanzierbare Digitalprojekte und Innovationen umzusetzen. Die digitale Schere zwischen finanzstarken „Großen“ und den „Kleinen“ schien überwindbar zu sein oder zumindest kleiner werden zu können.

 

Ausschreibungstext und -bedingungen schienen auf die Bedürfnisse dieser Unternehmen genau abgestimmt zu sein. Da hatte sich offenbar jemand die richtigen Gedanken gemacht. Gerade für kleine Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft tat sich hier eine Chance auf.

 

Was wird gefördert? Das BMWi möchte „insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) für die Chancen der Digitalisierung sensibilisieren und bei Investitionen in Digitalisierungsvorhaben unterstützen. Das neue Förderprogramm ‚Digital jetzt – Investitionsförderung für KMU‘ unterstützt KMU finanziell durch Zuschüsse bei Investitionen in digitale Technologien sowie Investitionen in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter zu Digitalthemen“, heißt es im Zuwendungszweck der Programmrichtlinien. Als Förderziele werden unter anderem genannt:

 

• Anregung der KMU und des Handwerks zu mehr Investitionen in den Bereichen digitale Technologien und Know-how
• branchenübergreifende Förderung von Digitalisierungsvorhaben bei KMU und Handwerk
• Verbesserung der Digitalisierung der Geschäftsprozesse der geförderten Unternehmen
• Stärkung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der geförderten Unternehmen durch die Digitalisierung der Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle

 

Der Teufel liegt einmal mehr in der praktischen Umsetzung des Programms. „Anträge können voraussichtlich ab dem 7. September gestellt werden“, hieß es in der Ankündigung des BMWi. Angesichts einer Laufzeit bis Ende 2023 konnte sich ein potenzieller Antragsteller „früh dran“ glauben, wenn er sich gut eine Woche nach dem „voraussichtlichen“ Start registrieren wollte. Wer so dachte, sah sich allerdings getäuscht. Eine Registrierung am 15. September 2020 war nicht mehr möglich. Auf der Webseite fand sich die Ankündigung, die nächste Registrierung sei erst am 15. des Folgemonats, in diesem Fall also des Oktobers, ab 9 Uhr möglich. Der nach wie vor zuversichtliche Antragsteller, der am 15. Oktober ab 9 Uhr an seinem PC saß, um nur ja seine Registrierung durchzubringen, sah sich erneut vor den Kopf gestoßen. Eine Stunde lang erschien die Nachricht, die Registrierung sei aus technischen Gründen nicht möglich. Ab 10 Uhr ging dann schon wieder gar nichts mehr. Offenbar sahen dann auch die Programmverantwortlichen ein, dass ein Förderprogramm für digitale Innovationen, das digital so schlecht für einen absehbaren Ansturm gerüstet ist, verbesserungswürdig sei. Die Verbesserung sah so aus: Ab dem 1. Dezember konnte sich jeder – ohne technische Probleme – registrieren. Wer registriert ist, darf sich nun monatlich neu für eine Auslosung jeweils am 15. des Monats anmelden. Wer ausgelost wird, darf einen Antrag stellen. Wer nicht ausgelost wird, tut gut daran, mit seinen digitalen Projekten noch zu warten, wenn er vom Kuchen etwas abhaben möchte. Denn: Förderfähig sind nur Vorhaben, mit denen zum Zeitpunkt der Bewilligung noch nicht begonnen worden ist. Auf die Frage an das BMWi, ob durch dieses Verfahren Digitalprojekte der innovationswilligen Unternehmen möglicherweise verzögert werden, lautet die Antwort, das „im Zuge der Förderung mit öffentlichen Mitteln (…) nur Zuwendungsempfänger gefördert werden sollen, die ohne eine Förderung aus öffentlichen Mitteln das Vorhaben nicht umsetzen würden“. Gleichzeitig werde aber beständig geprüft, ob „im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten evtl. Anpassungen notwendig und Optimierungen möglich sind, z. B. auch mit Blick auf einen möglichen vorzeitigen Maßnahmebeginn“. Das Programm werde weiterhin fortlaufend evaluiert und optimiert. Kleine und mittlere Unternehmen, die derzeit von Monat zu Monat auf eine Förderzusage hoffen, dürfte diese Auskunft nicht trösten.

 

Warum nun ein Losverfahren? Das „zuvor praktizierte Windhundverfahren“ sei zum Jahr 2021 auf ein Zufalls- bzw. Losverfahren umgestellt worden, heißt es in der schriftlichen Auskunft des Ministeriums. In der Tat hieß es in der Ausschreibung, die Anträge würden nach der Reihenfolge der Antragstellung bearbeitet und beschieden. Nur dass die Möglichkeit, Anträge zu stellen, vielen Nutzern ganz einfach verwehrt war. Wie es zu einer Reihenfolge kam, ist also unklar. Das Losverfahren wird im Übrigen damit begründet, dass eine offene Antragstellung für jeden Förderinteressenten und eine anschließende Auswahl nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu einem stark erhöhten Aufwand führen und die administrativen Kosten in die Höhe treiben würden. Dies, so das Ministerium, würde deutlich zulasten des ausgelosten Förderbudgets führen.

 

Immerhin konnten laut BMWi für das Jahr 2020 insgesamt mehr als 1.000 Anträge eingereicht werden, das Fördervolumen in diesem ersten Jahr betrug 40 Millionen Euro. Insgesamt steht ein Fördervolumen von derzeit ca. 203 Millionen Euro zur Verfügung, davon sind 57 Millionen Euro für 2021 eingeplant. „Darüber hinaus sollen im weiteren Verlauf auf Basis des Konjunkturpaketes zusätzliche Haushaltsmittel bereitgestellt werden.“
Fazit: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Ob das erklärte Ziel, „maximale Transparenz und Chancengleichheit für alle KMU“ sicherzustellen, erreicht wird, sei dahingestellt. Dass viele Unternehmen nun von Monat zu Monat warten, ob das Losglück ihnen hold ist, ist jedenfalls für die vielen, die nicht drankommen, äußerst frustrierend. Den aktuellen Stand der Anmeldungen zum nächsten Losverfahren kann man jederzeit auf der Webseite des BMWi einsehen. Für die Ziehung am 15. März standen (Stand: 12. März 2021) 8.418 potenzielle Antragsteller Schlange. 7 Millionen Euro stehen für die monatliche Ziehung zur Verfügung. Der Mindestförderbetrag liegt bei 17.000 Euro. Wie hoch die Chancen für den Losgewinn sind, mag sich jeder selbst ausrechnen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2021.

Barbara Haack
Barbara Haack ist Verlagsleiterin des ConBrio Verlages und Mitherausgeberin der neuen musikzeitung.
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