Amateurmusik bündelt Kompetenz in neuem Netzwerk

Neues Beratungsangebot unter Führung des Bundesmusikverbands Chor & Orchester richtet sich an 14 Millionen Musizierende

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind weiterhin in allen gesellschaftlichen Bereichen zu spüren. Sie fordern uns, machen uns betroffen, lassen uns bisweilen verzagen. Gerade im Amateurmusikbereich fehlt den Menschen die sonst so kraftspendende Musik und das musikalische Gemeinschaftserlebnis. Nach einem Corona-Jahr des musikalischen Verzichts ist der Bedarf an Ermutigung, Beratung und Unterstützung im Bereich der Amateurmusik besonders groß.

 

Mit dem Förderprogramm NEUSTART AMATEURMUSIK greift der Bund den stillgestellten Chören und Orchestern bei der Bewältigung der Corona-Folgen unter die Arme. Schwerpunkt des Förderprogramms ist ein neu geschaffenes Kompetenznetzwerk aus 20 neuen Mitarbeitenden. Das Team arbeitet seit dem 1. Februar 2021 daran, die ehrenamtlichen Strukturen im Amateurmusikbereich bei der Beratung zu Corona-spezifischen Fragen zu unterstützen. Dazu berät das Kompetenznetzwerk Orchester- und Chorleitungen, ehrenamtliche Vorstände und Musizierende bei der Entwicklung und Umsetzung von Hygienekonzepten. Es bereitet die wissenschaftliche Studienlage etwa zur viel diskutierten Aerosolforschung auf, erstellt hilfreiches Material und gibt Inspiration zu kreativen Lösungen in Pandemiezeiten – beispielsweise durch die Erarbeitung von Konzepten zur sicheren Wiederaufnahme von Proben. Der Politik steht das Netzwerk mit konkreten Empfehlungen zu Öffnungsperspektiven als verlässlicher und kompetenter Partner zur Verfügung, um den musikalischen Neustart voranzutreiben.

 

Genau diese Hoffnung wollen wir stiften. Aus den vielen Zuschriften der letzten Monate, den rührenden Hilfegesuchen, ist deutlich geworden: Die Pandemie kann das ehrenamtliche Engagement und Herzblut für das gemeinsame Musizieren unterbrechen, aber nicht in die Knie zwingen. Seit mehreren Monaten beschäftigt uns die Frage: Wie kann ein Neustart der Amateurmusik gelingen? Neben der Bereitstellung von Informationen wurde die Notwendigkeit deutlich, Kräfte und Wissen zu bündeln, sich stärker zu vernetzen.

 

Für die Wiederbelebung des musikalischen Schaffens und des sozialen Zusammenhalts in der Amateurmusik ist auch eine Ausschreibung für eine direkte Projektförderung an den Start gegangen. Musikensembles konnten sich bis zum 31. März 2021 mit einem beispielgebenden Projektvorhaben um eine Förderung von bis zu 10.000 Euro beim BMCO-Projektbüro oder auf die Durchführung einer Zukunftswerkstatt mit kompetenten Workshopleitenden bewerben, welche mit bis zu 2.000 Euro gefördert werden kann.

 

Für die Kommunikation konkreter Tipps, praktischer Empfehlungen und Handreichungen, etwa zum sicheren Proben in Pandemiezeiten, steht neben dem erwähnten Netzwerk auch die digitale Wissensplattform frag-amu.de bereit. Dieses kostenlose „Wikipedia der Amateurmusik“ bietet sich gerade in der Krise an, um die vielen Ehrenamtlichen zu entlasten, indem es organisatorische, juristische und andere corona-relevante Fragen des aktuell erschwerten musikalischen Alltags beantwortet. Im Kompetenznetzwerk sowie auf frag-amu.de werden Erfahrungen und Kompetenzen gebündelt. So soll vorhandenes Fachwissen allen Musizierenden zur Verfügung gestellt werden.

 

In Anbetracht der aktuellen Lage ist das übergeordnete Ziel des gemeinsamen Engagements: das Chor- und Ensemblemusizieren trotz Corona schnellstmöglich und zugleich sicher wieder zu ermöglichen. Daneben setzen wir uns dafür ein, dass die Amateurmusik in der Diskussion um Öffnungsperspektiven endlich auch Gehör findet. Wir waren die ersten, die schließen mussten, jetzt steht zu befürchten, dass wir die letzten sein werden, die wieder öffnen dürfen. Dem Breitensport gelingt es aktuell besser als uns, sich Gehör zu verschaffen. Unser Ziel als Bundesmusikverband Chor und Orchester ist es, stärker in die Pläne der Öffnungsszenarien involviert zu werden.

 

Zum Abschluss aber noch ein positiver Effekt von Corona: Die Arbeit unseres Kompetenznetzwerks zeigt eine völlig neue Dimension der Zusammenarbeit in unserem Verband, die wir mit weiterer Hilfe des Bundes gern weiterentwickeln wollen. Menschen aus den unterschiedlichen Bereichen der Chor- und Orchestermusik arbeiten plötzlich ganz konkret an gemeinsamen Themen. Diese Dynamik – etwa in Form der gemeinsamen Redaktionsarbeit an einer digitalen Plattform für alle Amateurmusizierende – sollte unbedingt genutzt und langfristiger gesichert werden.  Für das Förderprogramm NEUSTART AMATEURMUSIK wurden insgesamt 2 Millionen Euro aus dem Zukunftsprogramm NEUSTART KULTUR I bereitgestellt. In Anbetracht einer zweiten Kulturmilliarde ist es unser Anspruch klar zu machen, dass wir seit fast einem Jahr gar nicht mehr musizieren. Gemeinsames Musizieren zu fördern, bedeutet allerdings in den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft von morgen zu investieren. Nach der Krise werden wir mehr Musik brauchen. Daher sollte es in unser aller Interesse liegen, die Amateurmusik als kulturell bedeutsames Fundament unserer Zivilgesellschaft deutlicher wertzuschätzen – auch finanziell.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2021.

Benjamin Strasser
Benjamin Strasser MdB ist Präsident des Bundesmusikverbands Chor & Orchester e.V. (BMCO).
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