Fortsetzung II: Wie unterstützen die Bundesländer jetzt die Kultur?

Anmerkung: Diese Beiträge wurden zuerst in Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, veröffentlicht. Für den Schwerpunkt „Corona versus Kultur“ in der Ausgabe 4/2020 von Politik & Kultur wurden alle Kulturministerinnen und Kulturminister der 16 Bundesländer für Beiträge angefragt. Für die Ausgabe 4/20 antworteten Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz mit Beiträgen. Lesen Sie diese Beiträge hier. Für die Ausgabe 5/20 antworteten Berlin, NRW, Saarland, Sachsen und Thüringen. Lesen Sie die Beiträge hier. Die Bundesländer Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein antworteten erst in der Ausgabe 6/2020. Lesen Sie diese Beiträge untenstehend.

 

Hessen

 

Gerade das, was den großen Wert von Kunst und Kultur definiert, macht sie auch besonders anfällig: Sie bringen Menschen zusammen, sie leben vom direkten Austausch. Auch und gerade in der Krise sind sie unverzichtbar für eine vielfältige, offene und kreative Gesellschaft, für die Reflexion über unsere Welt und als Ausdrucksform von Menschen. Durch die harte Arbeit vieler Menschen ist in Deutschland eine einzigartige kulturelle Landschaft entstanden, die wir in dieser schwierigen Zeit erhalten wollen.

 

Wir haben in Hessen frühzeitig mit Liquiditätshilfen für Selbständige und Unternehmen sehr viel unternommen, um Härten abzufedern. Wir haben mit Landesmitteln die Hilfen des Bundes aufgestockt und den Bereich der kleinen Unternehmen – 10 bis 50 Beschäftigte – einbezogen, die es gerade im Kulturbereich oft gibt. Wir haben sichergestellt, dass Vereine mit wirtschaftlichem Betrieb – darunter Museen, Theater oder Musikschulen – berücksichtigt werden. Und wir haben mit einem speziellen Vereinsprogramm auch Hilfen für den ideellen Bereich von Vereinen auf den Weg gebracht.

 

Von Anfang an haben wir bei Fördermitteln die Spielräume der Landeshaushaltsordnung weit ausgelegt. Ausfallhonorare für Gastkünstlerinnen und -künstler sind an unseren Staatstheatern in aller Regel ohnehin Vertragsbestandteil. Und die Filmförderung HessenFilm hat für kleine und mittlere Kino-Unternehmen ein Nothilfeprogramm aufgelegt.

 

Im nächsten Schritt geht es uns nun darum, die Phasen der schrittweisen Neueröffnung in den Blick zu nehmen und die vielen kreativen Ansätze für die Zukunft nutzbar zu machen, die im Umgang mit Corona entstehen. Dafür haben wir gemeinsam mit der Hessischen Kulturstiftung ein umfassendes Unterstützungspaket mit aufeinander abgestimmten Bestandteilen aufgelegt.

 

Zunächst ergänzen wir die Soforthilfen um einen Rettungsschirm für Kulturfestivals, die abgesagt oder in den digitalen Raum verlagert werden müssen. In der zweiten Phase, die wir “Übergang meistern” genannt haben, ermöglichen wir freien Künstlerinnen und Künstlern mit Arbeitsstipendien von je 2.000 Euro, neue Projekte für den Übergang aus der Pandemie-Zeit zu erarbeiten. Antragsberechtigt sind alle in Hessen lebenden und in der Künstlersozialkasse versicherten Kulturschaffenden. Falls sie Grundsicherung erhalten, werden die Zahlungen nicht darauf angerechnet.

 

Die dritte Phase haben wir mit “innovativ neu eröffnen” überschrieben: Hygieneauflagen und dadurch geringere Zuschauerzahlen erfordern besondere Veranstaltungsformen, bauliche Veränderungen und neue Formen der Publikumsansprache. 500 Kinos, Musik-Locations, Soziokulturelle Zentren, Bühnen und andere Spielstätten können dafür einen Pauschalbetrag von je 18.000 Euro erhalten. Zusätzlich legen wir Projektstipendien für freie Gruppen und Einzelkünstlerinnen und -künstler auf, die neuartige Ansätze realisieren wollen. Es stehen Mittel für 250 Gruppen in Höhe von je 18.000 Euro sowie für 1.000 Künstlerinnen und Künstler in Höhe von je 5.000 Euro bereit. Wer in der zweiten Phase ein Arbeitsstipendium erhalten hat, kann mit den dort erarbeiteten Konzepten nun Mittel für die Realisierung beantragen; damit eröffnen wir die Möglichkeit für eine nachhaltige Förderung einmal entwickelter künstlerischer Ansätze. Und wenn hessische Kulturinstitutionen über eigene Mäzene zusätzliches Geld einwerben, können sie Künstlerinnen und Künstler direkt für Stipendien empfehlen; das Land verdoppelt dann die eingeworbenen Mittel.

 

Trotz vieler positiver Reaktionen: Es wird nie möglich sein, allen gleich gut zu helfen. Unser Ziel ist es, diese Herausforderung gemeinsam zu bewältigen, Härten abzumildern und möglichst zu verhindern, dass Menschen in Existenznot geraten. Damit unsere Kultur so vielfältig und lebendig bleibt, wie sie ist.

 

Angela Dorn ist Ministerin für Wissenschaft und Kunst in Hessen

 

 

Mecklenburg-Vorpommern

 

Während mehr als zwei Monate nach dem Lockdown viele Bereiche der Gesellschaft nun schrittweise zu einer neuen Normalität zurückkehren können, ist die Perspektive für die meisten Kulturschaffenden nach wie vor ungewiss. Für sie ist die Situation existenzbedrohend. Ein wichtiges Signal war es, dass nun Museen, Galerien, Gedenkstätten und Ausstellungen unter Auflagen wieder öffnen konnten. Es folgten die Kinos – alles natürlich unter Auflagen zum Hygieneschutz. Aber dort, wo die direkten Begegnungen von Menschen, die Beziehungen zwischen Künstlerinnen, Künstlern und Publikum unerlässlich sind, wird es auch in den kommenden Monaten keine Normalität geben – also im Theater, in Konzert- und Opernhäusern, aber auch in den vielen Clubs und Live-Spielstätten. Wir haben in den vergangenen Wochen erfahren, dass Kultur kein Nice-to-Have ist, sondern überlebenswichtig für unsere offene und demokratische Gesellschaft. Wir müssen jetzt also auch gemeinsam dafür sorgen, dass keine kulturellen Leerstellen entstehen und dass die vielfältige Kulturlandschaft, auf die wir in Mecklenburg-Vorpommern stolz sein können, diese Krise übersteht.

 

Die Landesregierung hat deshalb schnell reagiert und einen Schutzfonds für Kunst und Kultur in Höhe von zusätzlich 20 Millionen Euro aufgelegt. Er setzt dort an, wo die anfänglich gewährten Bundeshilfen nicht oder nur teilweise greifen. So werden Kulturträger für ihre Corona-bedingten Ausfälle unterstützt. Wir helfen Einzelkünstlerinnen und -künstlern mit Stipendien, die nicht von den Wirtschaftssoforthilfen profitieren sowie Einrichtungen politischer Bildung und Gedenkstätten. Damit schließen wir eine Lücke, die sich aus den Bundesregelungen ergibt.

 

Das ist für ein so kleines Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern ein großer Schritt. Ziel war es von Anfang an, die Träger von Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft zu stabilisieren. Doch die Dimension dieser Krise macht auch deutlich, dass kein Bundesland die notwendigen finanziellen Hilfen allein stemmen kann. Deshalb haben sich die Kulturministerinnen und -minister der Länder mit einem Schreiben der Kultusministerkonferenz an die Bundesregierung gewandt und eine weitergehende Unterstützung für die Kultur und Kreativwirtschaft im Rahmen des Konjunkturpakets des Bundes gefordert. Die Voraussetzungen der Kulturschaffenden sind sehr divers – wir brauchen somit Ansätze, die auf diese unterschiedlichen Herausforderungen Antworten geben. Und wir brauchen Lösungen, die langfristig wirken, denn es wird leider noch lange dauern, bis wir zum Normalbetrieb zurückkehren können.

 

Planungssicherheit und Transparenz sind in dieser Zeit sehr wichtig. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat sich mit vielen Schreiben an die Kulturschaffenden im Land gewandt. Wir haben Fragen zur Sicherung bereits angelaufener Projekte, zur Kurzarbeit und Grundsicherung, zum Schutz des Ehrenamtes und zu digitalen Angebotsformaten beantwortet. Diesen Informationsfluss wollen wir beibehalten und nutzen dafür unser Landeskulturportal unter Kultur-MV.de.

 

Es ist großartig, wenn Kulturschaffende auf alternative Wege zurückgreifen und ihre Angebote online ausspielen. Wir fördern dieses Engagement und stellen für digitale Angebote 100.000 Euro bereit. Und: Wir bieten das Kulturportal als digitale Bühne an. Alle Künstlerinnen und Künstler können dort jederzeit ihre Beiträge vorstellen. Mit der schrittweisen Öffnung der Gesellschaft wird es in den kommenden Wochen aber auch darum gehen, alternative Möglichkeiten des “Live-Erlebens” zu entwickeln. Auch wenn es nicht dasselbe ist – mit viel Kreativität finden Künstlerinnen und Künstler Wege, wie sie mit ihrem Publikum in Kontakt bleiben – auch in Zeiten des verordneten Abstands.

 

Bettina Martin ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Mecklenburg-Vorpommern

 

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