Finanzieller Schutzschirm für die Städte und Gemeinden

Zur Situation von Kultureinrichtungen in deutschen Kommunen

Viele kleine Kultureinrichtungen stehen gerade am finanziellen Abgrund. Für Künstlerinnen und Künstler geht es um die Existenz. Viele Soloselbständige aus dem Kulturbereich verfügen oft nur über ein durchschnittliches Monatseinkommen von rund 1.500 Euro und haben in der Regel auch keine Rücklagen. Aber auch kleinere Theater haben feste Kosten. Sie brauchen deshalb dringend Hilfe, um die großen Belastungen auszugleichen. In dem 12. Kulturpolitischen Spitzengespräch am 13. März 2020 haben die Beauftragte für Kultur und Medien des Bundes, die Kultusministerkonferenz und die kommunalen Spitzenverbände verabredet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um den wirtschaftlichen Schaden für die Kultur durch die Covid-19-Pandemie abzufedern. Es handelt sich um eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung. Bund und Länder beabsichtigen, in Abstimmung mit den Kommunen im erforderlichen Umfang Finanzhilfen und Mittel für Härtefälle, insbesondere für freie Kulturschaffende sowie private Kultureinrichtungen bzw. kulturelle Veranstaltungsbetriebe, zur Verfügung zu stellen. Die vom Bundeskabinett beschlossenen und vom Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden auch den Kulturschaffenden zugute kommen.

 

So kann jeder für die nächsten sechs Monate Grundsicherung (ALG II) beantragen, ohne zuerst seine Rücklagen aufbrauchen oder seine Raumverhältnisse rechtfertigen zu müssen. Es gibt einen Topf mit bislang 50 Milliarden Euro für Betriebsmittelzuschüsse, auf die auch Einzelkünstler und Kleinunternehmen zugreifen können, um Engpässe zu überbrücken. Wer keine oder bis zu fünf Mitarbeiter hat, kann bis zu 9.000 Euro für die nächsten drei Monate beantragen. Für bis zu zehn Mitarbeiter kann es bis zu 15.000 Euro geben. Hinzu kommen weitere Schutzvorschriften, von denen auch die Kultur profitiert: keine Kündigungen wegen Mietverzug und eine gelockerte Insolvenzpflicht. Selbständige und Freiberufler, die aufgrund des Coronavirus einem beruflichen Tätigkeitsverbot unterliegen und dadurch einen Verdienstausfall erleiden, können nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine Entschädigung erhalten. Bei unmittelbar vom Coronavirus betroffenen Unternehmen gewähren die Finanzbehörden bis Ende 2020 Stundungen von Steuerschulden. Auch können Steuervorauszahlungen angepasst werden. Auf Vollstreckungsmaßnahmen und Säumniszuschläge wird verzichtet.

 

Die Kulturstaatsministerin hat weitere Maßnahmen angekündigt, nämlich der weitgehende Verzicht auf Rückforderungen bei einem vorzeitigen Abbruch von geförderten Kulturprojekten und Veranstaltungen oder die Umwidmung von Mitteln und Flexibilisierung von Förderprogrammen. Zahlreiche Bundesländer haben ebenfalls spezifische Hilfsprogramme und
-maßnahmen für die Kultur- und Kreativwirtschaft beschlossen. Diese Programme sollten neben den Bundeshilfen in Anspruch genommen werden können, solange keine Überkompensation erfolgt.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) setzt sich dafür ein, dass auch die Kommunen kulturelle Einrichtungen und Kulturschaffende unterstützen, wo die Mittel des Bundes und der Länder nicht ausreichen oder Lücken bestehen. Rund 50 Prozent der öffentlichen Ausgaben für die Kultur werden von den Kommunen aufgewendet. Dies auch deshalb, weil die Kommunen die Bedeutung der Kultur vor Ort erkannt haben. Gerade für die Attraktivität der ländlichen Räume und ihrer Gemeinden sind ein attraktives Kulturleben sowie vielfältige Möglichkeiten zur Teilnahme an Kunst- und Kulturangeboten von besonderer Bedeutung. Ein aktives Kulturleben bedeutet Lebensqualität, trägt zum Selbstwertgefühl der Menschen in den ländlichen Räumen bei, kann große verbindende Kraft entwickeln und prägt den Charakter einer Gemeinde maßgeblich mit. Dabei profitieren nicht nur diejenigen, die aktiv oder passiv am Kulturgeschehen teilnehmen, sondern die Gemeinden und die ländlichen Räume in ihrer Gesamtheit. Der DStGB hat vor Kurzem beispielsweise mit dem Bundesverband Freie Darstellende Künste und dem Dachverband Tanz darüber gesprochen, wie die Angebote gerade in den ländlichen Räumen noch gestärkt werden können. Unter der Überschrift „Wir sind längst da …“ hat der DStGB auf dem Kongress Utopia des Bundesverbandes Freie Darstellende Künste darüber diskutiert, wie die freien darstellenden Künste bei ihrer Arbeit, jenseits urbaner Strukturen einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Grundversorgung zu leisten, unterstützt werden können. Diese Unterstützung muss auch trotz oder gerade erst recht wegen der Auswirkungen der Corona-Krise fortgesetzt werden. Denn was im Kulturbereich an gewachsenen Strukturen einmal wegbricht, lässt sich so schnell nicht wieder aufbauen. Dies hätte kaum vorstellbare Auswirkungen auf die wichtige Vielfalt der Kulturlandschaft.

 

Ein Problem besteht aber darin, dass die Städte und Gemeinden selber einen Rettungsschirm brauchen. Die meisten öffentlichen Einrichtungen wie Theater, Museen, Schwimmbäder sind geschlossen, Einnahmen werden nicht erzielt, aber die Kosten laufen weiter. Insbesondere die Gehälter müssen gezahlt werden. Die Gewerbesteuer wird abstürzen, der Anteil der Kommunen an der Einkommensteuer wird rapide sinken. Wir brauchen deshalb auch einen finanziellen Schutzschirm für die Städte und Gemeinden. Nur so kann sichergestellt werden, dass nach Beendigung der Krise das kulturelle Leben, aber auch der Sport und andere Freizeitaktivitäten in den Städten und Gemeinden wieder funktionieren.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/2020.

Uwe Lübking
Uwe Lübking ist Beigeordneter für Soziales, Bildung, Kultur und Sport beim Deutschen Städte- und Gemeindebund.
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