Dann wären wir bei der Frage, an wen richtet sich das Angebot?
Die Einladung geht wirklich an jeden und jede heraus, Kultur zu genießen, dabei zu sein. Teil unserer Mission ist es aber insbesondere, Menschen anzusprechen, denen die Hürden jetzt noch bewusster werden. Ihnen soll ein möglichst einfaches und gutes Angebot gemacht werden. Und die gemischten Gruppen machen es aus. Wir sind froh über jeden Teilnehmer, jede Teilnehmerin. Mit wachsender Nachfrage wächst unser Angebot – derzeit genauso rasant. Eine Herausforderung, für die wir noch keine Lösung gefunden haben, ist die Gebärdensprache, die ja visuell vermittelt wird.
Deutlich wird, bei „Bei Anruf Kultur“ profitieren alle Kulturinteressierten durch die langjährigen Erfahrungen und etablierten Konzepte aus der Kulturvermittlung für sehbehinderte Menschen.
Wir versuchen durch Workshops, weiter voneinander zu lernen und aufeinander aufzubauen. Dabei bieten wir den teilnehmenden Vermittlerinnen und Vermittlern Gelegenheiten zum Austausch und Feedback, das wir nach Führungen geben, da wir ein qualitativ hochwertiges Angebot bieten wollen. Zu Projektbeginn hatte ich erwartet, dass mehr Edukatives und Klärendes von unserer Seite nötig oder gefragt wäre. Aber es reicht, dass wir Mut machen und ein grundsätzliches Gefühl dafür geben, was die Gruppe erwartet. Wir sind uns sicher, dass die Guides durch diese Erfahrung in Zukunft eine andere Art der Führung anbieten können, wenn es wieder zurück in die Häuser geht. Und dass die Themen dadurch weiter geöffnet werden, das erleben wir auch am Feedback der Museen und Guides.
In Zukunft wird es hoffentlich weniger Ängste geben, explizit Führungen anzubieten, die sich an Blinde und Sehbehinderte richten. Oder wenn man spontan merkt, jemand in der Runde sieht nicht gut, bietet man mehr Beschreibungen an.
Und als langfristigen Benefit wird es durch diese aktuelle Nähe zum Publikum Veränderungen in den Häusern geben. Es sind manchmal kleine Sachen, die unterstützen und ergänzen, damit Museen sich bewegen. So kommen wir aus dem Henne-Ei-Problem raus: Museen entwickeln sich aufgrund mangelnder Nachfrage und fehlender Nähe zum Publikum nicht weiter in Richtung mehr Zugänglichkeit. Und gleichzeitig ist natürlich das entsprechende Publikum nur schwer zu begeistern, solange es keine Angebote gibt.
„Bei Anruf Kultur“ sind aktuell ausschließlich Hamburger Museen dabei. Wie ist das Feedback aus anderen Städten?
Es gab bereits ähnliche Aktivitäten: punktuell und deutschlandweit. In Berlin war das besonders ausgeprägt – auch organisiert vom Blinden- und Sehbehindertenverein. Aber wir haben es aufgrund der günstigen Umstände, insbesondere auch aufgrund der Niedrigschwelligkeit des Angebots, geschafft, den Anfangsschwung aufzunehmen und es dauerhaft zu etablieren. Das ist an der Stelle einmaliges Glück für Hamburg. Und jetzt gucken wir mal, wie es weiterwachsen kann. Wir haben inzwischen auch schon weitere Städte im Angebot: Gemeinsam unternehmen wir so am Telefon einen Ausflug in andere Städte. Das lässt sich wunderbar weiterspinnen und mit Häusern außerhalb von Hamburg weiterdenken.
Vielen Dank.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2021.