Was kommt auf uns zu?

Eine Kurzdurchsicht der Programme zur Bundestagswahl 2021

Marktordnungsrecht: Urheberrecht

 

In den vergangenen Jahrzehnten stand das Urheberrecht sehr oft im Mittelpunkt kulturpolitischer Debatten. Dies ist wenig verwunderlich, handelt es sich doch in erster Linie um ein Marktordnungsrecht für Unternehmen und Unternehmer des Kulturbereiches, also Künstlerinnen und Künstler und die Verwerter von Kunst, also Verlage, Galerien, Tonträgerhersteller und andere. Ziel ist es, dass sie einen ökonomischen Ertrag aus ihrer Arbeit ziehen können. Bemerkenswert bei den Aussagen der Parteien ist, dass sie, wenn von Kultur- und Kreativwirtschaft und Urheberrecht gesprochen wird, bis auf Ausnahmen, die Verwerter künstlerischer Leistungen nicht in den Blick nehmen.

 

In den Hochschulen wollen Bündnis 90/Die Grünen Open Access zum Standard erklären und als wissenschaftliche Leitidee etablieren. Damit erteilen sie dem Verlagswesen, dass sich auf wissenschaftliche Publikationen spezialisiert hat und für das Hochschulen zentral ist, eine klare Absage. Die angemessene Vergütung von Urhebern aus der Nutzung ihrer Werke soll sichergestellt werden. Zur Sicherung der Rechte von Verwertern werden keine Aussagen gemacht, dass steht zusammen mit den Aussagen zu Open Access in einem Gegensatz zur beabsichtigten Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Für Bündnis 90/Die Grünen scheint die Kultur- und Kreativwirtschaft weniger aus Unternehmen, die sich am Markt bewähren müssen als vielmehr aus Künstlerinnen und Künstler, die unterstützt werden müssen, zu bestehen. CDU/CSU wollen die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Angebote der Kunst- und Kreativwirtschaft in der digitalen Ära nachhaltig refinanziert werden können. Hier scheint also ein breiterer Kultur- und Kreativwirtschaftsbegriff zu bestehen. Die Linke will die Verhandlungsmacht der Kreativen im Urhebervertragsrecht stärken. Darüber hinaus soll das Urheberrecht an die Anforderungen im digitalen Zeitalten, hier speziell bei Forschung, Bildung und Wissenschaft, angepasst. Es wird sich für ein Urheberrecht eingesetzt, dass einen Ausgleich zwischen den Interessen der Wissenschaft und der Urheber sucht. Auch hier wieder kein Wort über die Verwerter, also jene, die urheberrechtlich geschützte Werke dem Markt zugänglich machen und die ihrerseits von der Verwertung dieser Werke leben müssen. Die FDP will ein modernes Urheberrecht und das bestehende Recht nach dem Vorbild des US-amerikanischen „Fair Use“-Prinzips weiterentwickeln. Die bisherigen Schranken sollen durch eine Bagatellklausel für private Nutzungen ersetzt werden. Das Verhältnis zwischen Kunstfreiheit und dem Schutz geistigen Eigentums soll neu gedacht werden. Allerdings gesteht auch die FDP den Urhebern einen wirtschaftlichen Ertrag aus der Nutzung ihrer Werke zu. Erstaunlicherweise für die FDP, die sich ansonsten für Unternehmen stark macht, wird die Kultur- und Kreativwirtschaft auf Urheber reduziert. Dass Unternehmen, wie Verlage, Filmproduzenten, Tonträgerherstellen und andere, aus der Verwertung von Werken einen wirtschaftlichen Ertrag ziehen müssen, kommt bei der FDP nicht vor. Wenn über die Kultur- und Kreativwirtschaft gesprochen wird, ist nur von der Öffnung von Förderprogrammen die Rede. Die SPD will die Rahmenbedingungen auf den Märkten der Kultur- und Kreativwirtschaft so weiterentwickeln, dass Geschäfts- und Erlösmodelle gestärkt werden. Auch bei digitalen Kulturveranstaltungen sollen Erlösmodelle Einzug halten. Die AfD konzentriert sich im Urheberrecht auf die Abschaffung von Upload-Filtern.

 

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll von Bündnis 90/Die Grünen gestärkt werden, dazu zählt eine ausreichende Finanzierung und ein Programmauftrag, der alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst. Zu einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird sich von CDU/CSU bekannt. Allerdings soll der Auftrag dem technischen Fortschritt und Nutzungsverhalten entsprechend weiterentwickelt werden. Die Deutsche Welle will CDU/CSU zum stärksten Auslandssender Europas ausbauen. Die Linke sieht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als unverzichtbar an. Sie spricht sich neben hoher journalistischer Qualität auch für gute Unterhaltung aus. Die FDP hingegen plant, sich für eine Reduzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung und Dokumentationen einzusetzen. Die Zahl der Fernseh- und Hörfunkkanäle soll reduziert und der Rundfunkbeitrag gesenkt werden. Im Internet sollen nur noch Beiträge angeboten werden, die mit klassischem Rundfunk vergleichbar sind. Dies ist eine starke Beschneidung des bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems. Die SPD hingegen setzt sich für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein, dessen Auftrag in der digitalen Medienwelt weiterentwickelt werden soll. Die AfD will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf einen „Grundfunk“ reduzieren. Er soll ein Zehntel des bisherigen Umfangs haben und sich auf neutrale Inhalte aus Information, Kultur und Bildung konzentrieren. Weiter soll es einen schlanken „Heimatfunk“ als Schaufenster der Regionen geben. Der Grundfunk soll aus Abgaben von Technologiekonzernen, die audiovisuelle Inhalte verbreiten, finanziert werden.

 

Fazit

 

In den drei beschriebenen Bereichen, Soziale Sicherheit, Urheberrecht und öffentlich-rechtlicher Rundfunk, zeigen sich sehr deutliche Unterschiede in den Wahlprogrammen der Parteien ab. Es ist nicht egal, wer nach der Bundestagswahl Ende September die kommende Bundesregierung stellt. Der Kulturbereich wird von dieser Entscheidung intensiv betroffen sein. Deshalb prüfen Sie intensiv, bevor Sie sich entscheiden.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2021.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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