Kultur der Qualität

Wie positioniert sich ein familiengeführter Design-Fachverlag heutzutage am Buchmarkt?

Der Verlag Hermann Schmidt ist ein Fachverlag für Typografie, Grafikdesign und kreative Werbung. Karin Schmidt-Friderichs leitet diesen seit Jahrzehnten gemeinsam mit ihrem Mann erfolgreich. Theresa Brüheim fragt nach, worin das Erfolgsrezept besteht und wie ein Fachverlag gegen die „Big Player“ am Buchmarkt besteht.

 

Theresa Brüheim: Frau Schmidt-Friderichs, Sie leiten den Verlag Hermann Schmidt, ein Design-Fachverlag. Wie ist dessen Selbstverständnis?
Karin Schmidt-Friderichs: Wir fühlen uns als Bestandteil der Szene, für die wir Bücher machen. Mein Mann Bertram, mit dem ich den Verlag gemeinsam leite, und ich hatten schon immer Interesse an Grafikdesign. Wir möchten die Bücher nicht einfach nur der Kreativbranche zur Verfügung stellen. Ein Zugehörigkeitsgefühl erleichtert die Arbeit, da wir sehr intensiv an den Tendenzen der Branche dran sind und auf diese frühzeitig in Buchform reagieren können.

 

Eine Herausforderung ist z. B. die Digitalisierung. Und zwar doppelt, denn einerseits müssen Kreative heute viel mehr können. Wenn sie Markenkontaktpunkte gestalten, war das früher Print, dann Web und heute sind es vielleicht zusätzlich Augmented Reality, Wearables und Sound etc. Dafür müssen sich Kreative weiterentwickeln. Entsprechend gibt es bei uns mehrere Bücher dazu. Andererseits gehen damit neue Formen der Arbeit im Kreativbereich einher. In der Kreativbranche sind Freelance und andere Mischformen des Arbeitens viel früher Alltag als in anderen Branchen. Da versuchen wir, Rat, Hilfe und Unterstützung anzubieten, d. h. wir suchen einen Autor, der ein Buch über die verschiedenen Arbeitsformen und ihre Vor- und Nachteile macht.

 

Was sind die Alleinstellungsmerkmale Ihres Verlages?
Wir setzen uns zum Ziel, zu einem Thema immer das inhaltlich beste und schönste Buch zu machen. Sprich, wir sind nie die Schnellsten oder Günstigsten. Sondern wir sind – wie es auf Englisch heißt – »lasting«. D. h., wir versuchen, Bücher zu machen, die eine Entstehungsgeschichte, aber auch eine lange Laufzeit und Gültigkeit haben und damit nachhaltig sind. Das ist unser Versuch der Alleinstellung.

 

Kann es dennoch manchmal problematisch sein, dass Sie nicht die Schnellsten und Günstigsten sind? Oder macht diese Nachhaltigkeit es immer wett?
In den ersten zehn Jahren haben wir häufig Fragen zu den Preispunkten unserer Bücher gestellt bekommen. Das hat sich mittlerweile gegeben. Und zwar nicht, weil die Bücher günstiger geworden wären, sondern weil unsere Handelspartner und Kunden wissen, dass sie echt wertige Bücher bekommen. Ich werde wirklich auf Vorträgen von Endkunden angesprochen, dass die Bücher auch teurer sein dürften. Dann bin ich als Kauffrau erstmal irritiert. Aber dieses Empfinden, eine Weile für ein Buch gespart zu haben, das dann auch das Qualitätsversprechen hält, scheint sich in den Köpfen festgesetzt zu haben. Das ist toll. Noch besser fände ich es, wenn wir in einer Welt leben würden, die nicht nur das Billigste und Ramschigste ästimiert, sondern sich wieder eine Kultur der Qualität leistet.

 

Ein paar Eindrücke klingen schon an: Wie nehmen Sie den Buchmarkt heute wahr?
Auf der Seite des Handels und der Verlage hat ein ex­tremer Konzentrationsprozess stattgefunden. Im Moment beobachte ich das vor allem im Handel mit einer gewissen Sorge, die vor allem die angebotene Vielfalt betrifft. Denn das Erfolgsmodell großer Ketten ist eine gewisse Vereinheitlichung und nicht große Diversität.

 

In der letzten Woche hat Thalia Wittwer aufgekauft – den größten bis dahin unabhängigen Einzelkämpfer, der seit Generationen in Familienbesitz war. Da habe ich einen Moment nach Luft geschnappt. Die Vielfalt im Handel, die die Kultur im Buchbereich bedeutet, wird zwar vom Gesetzgeber durch die Buchpreisbindung geschützt, aber dennoch laufen disruptive Prozesse ab.

 

Die Neugründungen im Verlagsbereich hindern mich daran, zu verzweifeln. Denn es gibt interessante, neu denkende Verleger. Auch im Handel gibt es am Rand der Städte, also in B-Lage, neue Konzeptläden – manchmal Zielgruppenläden, die sich nicht nur auf ein Produkt festlegen: Der Kunde sucht vielleicht nicht nur ein Buch, sondern ein bestimmtes Lebensgefühl zum Verschenken und Teilhaben. Das auf dem Radar zu haben ist unser Job. Eine bewegende Neugründung ist eine kleine Buchhandlung bei uns um die Ecke auf dem Land in Rheinhessen, die Treffpunkt und Kulturzentrum für diesen Ort geworden ist. Es gibt also Gegenbewegung, aber die Haupttendenz ist ein brutaler Konzentrationsprozess.

 

Sie leiten den Verlag gemeinsam mit Ihrem Mann. Inwieweit positionieren Sie sich am Markt auch als Familienbetrieb? Wie kommt das heutzutage an?
Die Positionierung als Familienbetrieb durchzieht die gesamte Verlagskommunikation, denn Menschen interessieren sich für Menschen. Aber wichtiger ist, dass wir wissen, was unsere Kunden interessiert und beschäftigt. Wir suchen die Nähe zu der Zielgruppe, den Hochschulen, den engagierten Handelspartnern. D. h. es gibt kaum Zeiten, in denen mein kleiner Reisekoffer wieder in den Keller kommt. Im Jahr »bespiele« ich 30 bis 35 Veranstaltungen im Handel, an Hochschulen, in Agenturen und erzähle Hermann Schmidt-Geschichten. Das mache ich nicht aus Langeweile oder Reiselust, sondern weil ich das Gefühl habe, diese Veranstaltungen bringen die Marke Schmidt am besten rüber. Den Machtkampf mit den Großen werde ich nicht gewinnen. Also schaue ich, dass ich mit den Kleinen aktiv und unterstützend kooperiere. Das macht viel Spaß und führt bisher zum ordentlichen Überleben.

Karin Schmidt-Friderichs und Theresa Brüheim
Karin Schmidt-Friderichs leitet mit Bertram Schmidt-Friderichs den gemeinsam gegründeten Verlag Hermann Schmidt in Mainz. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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