Berlin, den 04.12.2024. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D. und von 2018 bis 2024 Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, berichtet in ihrem Leitartikel für die Dezember/Januar-Ausgabe von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, über die Ergebnisse der Studie „Antisemitismus in der Gesamtgesellschaft von Nordrhein-Westfalen im Jahr 2024“.
Die in Bezug auf die Gesamtbevölkerung von NRW repräsentative Studie beschäftigt sich sowohl mit offen formulierten Ausdrucksformen des Antisemitismus als auch mit codierten und tolerierten. Die Ergebnisse der Befragung sind teilweise alarmierend. Fast jeder Zweite wolle z. B. einen „Schlussstrich“ unter den Mord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden ziehen. Insgesamt 38 Prozent der Befragten setzten die israelische Politik tendenziell mit der nationalsozialistischen gleich und stimmten der Aussage „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben“ voll oder eher zu.
Besonders besorgt müsse es machen, so Leutheusser-Schnarrenberger, dass nach der Studie die 16- bis 18-Jährigen besonders israelfeindlich eingestellt seien. „Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die Sozialen Medien, und hier namentlich TikTok, einen großen negativen Einfluss haben.“ Weiter zeige die Studie, dass der Migrationshintergrund – von diesem wird in der Studie gesprochen, wenn mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde – keine signifikanten Auswirkungen auf antisemitische Haltungen habe.
Die Studie zeige deutlich, dass „der Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Problem“ keine leere Phrase sei, sondern ein Weckruf sein müsse: „Ein Weckruf an die gesamte Gesellschaft: klar Haltung zu zeigen, wenn die Werte unserer Demokratie angegriffen werden.“
Der Herausgeber von Politik & Kultur und Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Die Ergebnisse der NRW-Studie zum Antisemitismus sind erschreckend. Sie zeigen, dass Geschichtsvergessenheit zunimmt und dass rechtsextreme Forderungen nach dem ‚Schlussstrich‘ gerade bei jungen Menschen Wirkung zeigen. Umso wichtiger ist es, dass der Kulturbereich in seinem Engagement für eine nachhaltige Erinnerungskultur nicht nachlässt. Es bleibt eine fortwährende Aufgabe, sich aktiv mit der Vergangenheit zu befassen. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur einschließlich der Shoah nimmt in der Erinnerungskultur in Deutschland einen besonderen Platz ein. Die Erinnerung daran wachzuhalten und weiterzugeben, ist eine dauernde Verpflichtung. Dies schließt ein, sich gegen jede Form von Antisemitismus zu wenden.“
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- Politik & Kultur ist die Zeitung des Deutschen Kulturrates. Sie wird herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler.
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