KW 49: Kultur der Dunkelheit, Kommentar zum Zentrum für politische Schönheit, Kulturgroschen 2019 für Gerhard R. Baum, …

Ideenwettbewerb: Kultur + Nachhaltigkeit = Heimat, Einladung: Heimat gestalten, Neu: Politik & Kultur, Kulturpolitischer Text der Woche

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

sich am Berliner Sternenhimmel zurechtzufinden, ist nicht schwer. Selbst mit meinem kleinen Teleskop auf meinem Balkon kann ich nur die großen Planeten unseres Sonnensystems und wenige Nebel wie den berühmten Orionnebel beobachten. Früher, als ich noch als Kind in dem kleinen Taunusdorf lebte, konnte ich nachts die Milchstraße sehen und der Orionnebel war sogar mit dem bloßen Auge auffindbar. Es war eine unübersehbare Fülle.

 

Aber seien wir ehrlich, die Dunkelheit, die mir dieses wunderbare Sternenpanorama bot, war auch einer der Gründe, warum ich das Dorf verließ, um in die helle Stadt zu gehen. Trotzdem liebe ich die Dunkelheit – ihre Stimmung. In der Dunkelheit schärfen sich die Sinne. Wir hören auf jedes Geräusch, wir hören jedes Knacken. Es gibt eine eigene Kultur der Finsternis. Doch diese Kultur lebt nur, weil es neben der Dunkelheit das Licht gibt.

 

Kein Bericht beschreibt es eindrücklicher als die Genesis: „Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war.“

 

Seine Korrespondenz findet der alttestamentarische Schöpfungsmythos in der Ostergeschichte. Die Auferstehung als eine Geschichte des Lichts, die von den christlichen Konfessionen in der Osternacht unter anderem mit dem Anzünden der Osterkerze begangen wird.

 

Die Dualität von Licht und Finsternis durchzieht unsere westliche Kulturgeschichte und die verschiedenen Künste. Zauberer und Hexen waren Verbündete der finsteren Mächte der Dunkelheit, des Unheimlichen. Und bis in die heutige Literatur hinein trägt diese Unterscheidung, wenn etwa an Harry Potter und seine Abenteuer sowie die seiner Freunde gedacht wird. Harry Potter, immer wieder hin- und hergerissen zwischen den finsteren Mächten des Bösen, personifiziert durch Lord Voldemort, seinem Widersacher, und der Kraft des Hellen und Guten. Harry Potter, ein populärer Wiedergänger des Dr. Faustus, jener bereits im Mittelalter bekannten literarischen Figur des Bohrenden, sich den finsteren Mächten hingezogen Fühlenden, des Weisheit und Wahrheit Suchenden. Einer Figur, die sich schließlich dem Bösen, dem Teufel, hingibt, um das Helle, die Erkenntnis, zu erringen.

 

Sowohl die Literatur als auch die Malerei der Romantik leben vom Gegensatz von Finsternis und Licht, von dunklen Mächten und heller Erkenntnis, von der scheinbar unwiderstehlichen Anziehungskraft des Unheimlichen. Geradezu exemplarisch ist dies in den Werken von E.T.A. Hoffmann zu lesen, der sich in seinen literarischen Texten mit den Abgründen der menschlichen Seele auseinandersetzte und dabei meisterhaft die Metaphern von Licht und Dunkelheit sowie all ihren Schattierungen nutzte.

 

Das Unheimliche, zugleich das, was wir ersehnen, ist sehr oft mit der Dunkelheit verbunden. In der Dunkelheit, im Verborgenen geschieht das Verbotene, das Lüsterne, das Ausschweifende, das Geheimnisvolle, jenes, das nicht ans Licht kommen soll. Das Heimliche findet sein jähes Ende mit dem Aufkommen des Lichts.

 

Der Dunkelheit steht die Sehnsucht nach Licht und Helligkeit gegenüber. In früheren Jahrhunderten begeisterten sich Künstler über das andere, das hellere Licht südlich der Alpen. Dieses Licht stand nicht nur für die physikalische Helligkeit, sondern zugleich für Leichtigkeit und ein anderes Lebensgefühl.

 

Oder aber jener berühmte Anfang von Friedrich Hölderlins Elegie „Der Gang aufs Land“ – „Komm! ins Offene, Freund!“, der beispielhaft steht für die Bedeutung von Licht, Freiheit und offenem Blick, der Befreiung von den Engen des pietistischen Lebens. Das Licht, das Helle, ist das Pendant zur Dunkelheit. Es steht für freien Geist, für weite Sicht, für die Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen.

 

Über Jahrhunderte hinweg war das Leben vom Wechsel von Dunkelheit und Licht geprägt. In der Dunkelheit ruhten die Arbeit und die Geschäftigkeit. Der Wechsel zwischen den eher ruhigen, kurzen Tagen des Winterhalbjahrs auf der nördlichen Halbkugel und den langen geschäftigen Tagen des Sommerhalbjahrs prägte Leben und Wirtschaft. Das Aufkommen der künstlichen Beleuchtung setzte dieser Unterscheidung ein jähes Ende. Die künstliche Beleuchtung erlaubt, dass auch in der Dunkelheit, ja sogar in der Nacht, Maschinen weiterlaufen können. Dieses setzte eine ungeheure Produktivität und wirtschaftliche Entwicklung frei. Die industrielle Revolution ist auch eine Geschichte des Lichts. Ohne künstliches Licht, erst Gasbeleuchtung und später das elektrische Licht, hätte in Fabriken nicht rund um die Uhr gearbeitet werden können.

 

Heute sprechen wir von der Lichtverschmutzung. Städte sind hell erleuchtet – taghell ist der Begriff dafür. Die Nacht wird zum Tag gemacht. Der Mangel an Dunkelheit hat Auswirkungen auf Fauna und Flora. Viele Tiere leiden unter dem Mangel an Dunkelheit und dem fehlenden Unterschied zwischen Tag und Nacht, hell und dunkel. Beim Menschen werden Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem beobachtet, die mit Schlafstörungen einhergehen.

 

Um den negativen Folgen der Lichtverschmutzung zu begegnen, bemühen sich einige Kommunen um andere Beleuchtungssysteme. Die Stadt Fulda hat es mit diversen Maßnahmen geschafft, als »Sternenstadt« anerkannt zu werden, und begreift ihr Engagement für angemessene Helligkeit in der Stadt als einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.

 

Um die Dualität von Finsternis und Licht, um die Kultur der Dunkelheit –  zwangsläufig auch der Helligkeit – geht es in einer Veranstaltung vom ZEISS-Großplanetarium, dem Deutschen Kulturrat und Inforadio.

 

 

Die Veranstaltung wird vom rrb aufgezeichnet und am Sonntag, 12.01.2020, um 11:05 Uhr im „Forum“ ausgestrahlt.

 

„Kultur der Dunkelheit“ ist auch Schwerpunktthema der neuen Politik & Kultur.

 

Viel Spaß bei so viel Kultur der Dunkelheit wünscht

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

Kommentar: Sie gehen mir wirklich auf die Nerven, die Aktivisten des Zentrums für politische Schönheit – Kulturzeit (3sat) 05.12.2019 19:20 Uhr

 

Sie gehen mir wirklich auf die Nerven, die Aktivisten des Zentrums für politische Schönheit. Hier mal ein Holocaust Mahnmal nachgebaut, dort ein Spiel mit der Angst der allgegenwärtigen Überwachung und Verdächtigung bei der Soko Chemnitz. Und jetzt das Ausstellen von Asche von im KZ getöteten Menschen, ob wahr oder gelogen, spielt keine maßgebliche Rolle.

 

Immer sollen die Kunstaktionen für einen Skandal sorgen. Und das Gespür der Macher ist gut, dieses Ziel wird erreicht. Die Medien überschlagen sich, Politiker toben.

 

In der Kunst geht es oft um Grenzüberschreitungen. Grenzüberschreitungen als Mittel zum Zweck, um Inhalte zu vermitteln und Diskussionen auszulösen.

 

Doch bei dem Zentrum für politische Schönheit ist das kein Mittel zum Zweck, es ist der Zweck.

 

Das aktuelle Beispiel zeigt das Dilemma der Gruppe. Eigentlich wollten sie auf die Gefahr hinweisen, die von rechts ausgeht und in diesem Zusammenhang an den deutschen Konservatismus appellieren, seine Fehler von 1933 nicht zu wiederholen. Eigentlich ein überaus vernünftiges Anliegen.

 

Aber die eingesetzten Mittel haben diesen Vorsatz mal wieder zunichte gemacht. Populismus pur im Kunstgewand.

 

Das Zentrum für politische Schönheit erreicht seine selbst gesteckten Ziele nicht. Sie setzen auf tiefschwarzen Klamauk, nicht auf Aufklärung. Sie selbst sind es, die, wie die Rechten, den Boden bereiten, das bislang nicht Sagbare sagbar zu machen. Selbst mit der Totenruhe von Opfern der Shoa wird leichtfertig gespielt.

 

Damit kein Missverständnis entsteht, die Kunstaktionen des Zentrums für politische Schönheit, auch wenn sie provozierend und abstoßend sind, sind durch Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes geschützt und unterliegen damit der Kunstfreiheit.

 

Doch wenn Künstler ihre selbst gesetzten Ziele nicht erreichen, dann ist es zwar auch weiterhin Kunst, aber eben schlechte.

 

Hier kann der Kommentar nachgeschaut werden.

 


 

Kulturgroschen 2019 geht an Gerhard R. Baum

 

Am 10. Dezember vergibt der Deutsche Kulturrat den Kulturgroschen für besondere kulturpolitische Verdienste an Bundesinnenminister a.D. Gerhart R. Baum. Seit 1992 wird dieser Preis für kulturpolitische Lebensleistungen bzw. für eine Leistung langfristiger kulturpolitischer Tragweite vergeben.

 

Mehr über Gerhart Baum erfahren Sie hier im Porträt.

 

Anläßlich der Verleihung des Kulturgroschens an Gerhard R. Baum diskutieren am 08. Dezember 2019, von 18.04 – 19.00 Uhr in WDR 3 Gerhart Baum, Kulturrat NRW; Susanne Keuchel, Deutscher Kulturrat und Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, über die gewachsene Bedeutung von Kulturpolitik.

 

Informationen über die Sendung finden Sie hier!

 


 

Ideenwettbewerb des Rates für Nachhaltige Entwicklung: Kultur + Nachhaltigkeit = Heimat
Bewerbungen bis zum 5. Februar 2020 möglich

 

Kultur und Natur sind zwei Seiten derselben Nachhaltigkeits-Medaille. Nachhaltigkeit in der Kultur und in der Natur zu erreichen, ist unsere gemeinsame Zukunftsaufgabe. Der Ideenwettbewerb „Kultur + Nachhaltigkeit = Heimat“ des Rates für Nachhaltige Entwicklung ist ein großer Schritt in die Richtung zu mehr Kooperation zwischen dem Kultur- und Umweltbereich. Gemeinsam denken, gemeinsam handeln, gemeinsam unsere Heimat gestalten.

 

Weitere Informationen zum Ideenwettbewerb Rates für Nachhaltige Entwicklung: Kultur + Nachhaltigkeit = Heimat

 

  • Wer kann am Ideenwettbewerb teilnehmen?
    Gemeinnützige Akteure, z. B. Verbände, Vereine, Stiftungen, Netzwerke von Institutionen und Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Universitäten, Schulen und Gemeinden können sich bewerben. Die eingereichten Ideen dürfen noch nicht umgesetzt worden sein. Bestehende Projekte können mit einer Weiterentwicklungsidee teilnehmen. Unbedingte Voraussetzung für eine Teilnahme ist, dass mindestens eine Institution aus dem Bereich Natur- und Umweltschutz und eine aus dem kulturellen Sektor zur Umsetzung der Projektidee als Partner zusammenarbeiten.

 

  • Wie kann man sich bewerben?
    Eine Bewerbung in Form eines Förderantrages ist über das webbasierte System auf dem Portal www.tatenfuermorgen.de bis zum 5. Februar 2020 einzureichen (unter LogIn-Bereich > „Mein Konto“ > „Mein Fonds Antrag“ > „neues Projekt anlegen“). Alle nötigen Schritte dazu sind dort detailliert erklärt. Die endgültige Entscheidung über eine Förderung trifft der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) nach abschließender Prüfung.

 


 

Einladung: 08.01.2020: Heimat gestalten

 

Wann: Mittwoch, 08.01.2020 ab 19 Uhr
Wo: Bürgerhaus, Stadtteilverein Bahnstadt e.V., Gadamerplatz 1, 69115 Heidelberg

 

Im Spannungsfeld von Vergangenheit und Zukunft, von gewachsenen Lebensformen und neuem digitalem Zeitalter, von Nostalgie und Utopie, wollen wir erkunden, was eine Stadt lebenswert macht. Denn Städte sind Orte der Utopien, der Kunst, der Imagination, der Heimat.

 

Die gesellschaftliche Verantwortung der Architektinnen und Architekten und aller anderen am Planungs- und Bauprozess Beteiligten rück immer mehr in den Vordergrund. Denn Architektur ist gebaute Gesellschaft.

 

Wie gelingt es Planungskultur zur Mitwirkung im eigenen Lebensumfeld anzuregen? Wie schaffen wir es, kooperative Strukturen zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung zu entwickeln? Welchen Beitrag können Stadtplaner und Architekten für die Beheimatung von Menschen leisten und was hindert sie daran?

 

Mit dabei sind:

 

  • Theresia Bauer (Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg)
  • Prof. Michael Braum (Direktor Internationale Bauausstellung Heidelberg)
  • Dr. Brigitte Dahlbender (Landesvorsitzende BUND Baden Württemberg)
  • Philipp Herold (Slam Poet)
  • Prof. Dr. Susanne Keuchel (Präsidentin Deutscher Kulturrat)
  • Prof. Dr. Thomas Potthast (Ethikzentrum der Universität Tübingen)
  • Klaus Staeck (Künstler und ehemaliger Präsident der Akademie der Künste)
  • Prof. Dr. Hubert Weiger (Ehrenvorsitzender BUND)

 

  • Moderation: Sven Scherz-Schade (Journalist)

 

Diese Veranstaltung ist Teil einer Reihe, die der Deutschen Kulturrat gemeinsam mit dem BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschenland unter dem Titel „Heimat: Was ist das?“ durchführt.

 

Der Eintritt ist frei.
Bitte melden Sie sich an unter: ed.ta1713493828rrutl1713493828uk@re1713493828boK.J1713493828

 


 

Neu: Politik & Kultur Dez 2019 – Jan 2020

 

Themen der Ausgabe:

 

  • Kultur der Dunkelheit Am Rande der Nacht: Verschiedene Perspektiven auf die Dunkelheit – von Lichtverschmutzung über Nachtliteratur und -malerei bis hin zu Weltraumexkursionen
  • Engagement
    Widerstand angekündigt: Kulturbereich widersetzt sich Plänen von CDU/CSU und SPD für Staatsstiftung für das Ehrenamt
  • Exilkultur
    Heimat in der Fremde: Zur aktuellen Situation von Künstlerinnen und Künstlern im Exil in Deutschland
  • Komponistinnen
    Gesichter hinter der Musik: Wer sind die Frauen, die heute komponieren und so die Musikszene verändern?
  • Kulturhauptstadt 2025
    Wer macht das Rennen? Acht deutsche Städte wollen Kulturhauptstadt Europas 2025 werden, doch wer liegt vorn?
  • Weitere Themen: Dokumentarfilme: Wahrheit gestalten, Bernhard Vogel Bildungspreis: Digitale Medienkompetenz bei Jung und Alt, Provenienzforschung zum NS-Kunstraub, Erinnerungskultur, Villa Massimo Rom, Wissenschaftskooperation auf dem afrikanischen Kontinent, Hochschulen in Russland, Gerhart R. Baum im Porträt, medienpolitischer Jahresrückblick, Ost-West-Perspektiven

 

  • Politik & Kultur ist die Zeitung des Deutschen Kulturrates. Sie wird herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler.

 

 

  • Die Ausgabe 12/2019-1/2020 von Politik & Kultur, mit dem Schwerpunkt Kultur der Dunkelheit, steht hier auch als kostenfreies E-Paper (pdf-Datei) zum Herunterladen bereit.

 


 

Der kulturpolitische Text der Woche: „Verstärkte Provenienzforschung zum NS-Kunstraub“

 

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste schafft mit neuer Schriftenreihe „Provenire“ Transparenz. Der Amtschef bei Der Beauftragten für Kultur und Medien, Günter Winands, beschreibt die neue Schriftenreihe, als „eine wertvolle Bereicherung der wissenschaftlichen Arbeit zur Aufarbeitung des nationalsozialistischen Kunstraubes“.

 

Lesen Sie den ganzen Text hier.

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