KW 46: Lobbyarbeit, So retten wir unsere Innenstädte!, Hilfsmaßnahmen in der Corona-Krise, …

... Geschlechtergerechtigkeit in der Kultur Europas, Politik & Kultur, Text der Woche, Programmhinweis, Fotowettbewerb: Jüdischer Alltag in Deutschland

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Corona hat den Kulturbereich fest im Griff und wird ihn wohl auch nicht Ende des Monats wieder loslassen. Wir müssen davon ausgehen, dass der zweite Lockdown im Winter weiter gehen wird. Deshalb ist es so wichtig, die ökonomischen Bedingungen für ein Überleben in der Krise zu verbessern.

 

Aber offensichtlich scheint das nicht besonders schwer zu sein. Helge Schneider hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz, MdB auf Facebook eine Nachricht übermittelt und prompt reagiert der Bundesfinanzminister: So machen wir es.

 

Gestern Abend sprach ich lange mit einem Journalisten und fragte ihn, ob die Kulturschaffenden und Kulturjournalisten wirklich glauben, dass so in Berlin Politik gemacht wird. Die Antwort war deutlich: Viele JA. Aber der Journalist hat aber auch deutlich gesagt, dass wir selbst daran schuld seien, dass gerade im Kulturbereich so wenig Wissen über die politischen Abläufe vorhanden sind. Wir erklären zu wenig.

 

Was macht eine Organisation wie der Deutsche Kulturrat eigentlich, was heißt Lobbyismus in der Krise, wie entstehen Vorschläge zur Verbesserung der Lage der Künstlerinnen und Künstler, der Kultureinrichtungen und der Kulturwirtschaft? Wie wird versucht diese Vorschläge in den politischen Raum einzubringen?

 

Vielleicht ist zur ersten Beantwortung dieser Frage ein Blick in die heute zu Ende gehende Arbeitswoche hilfreich. Die Woche begann mit zwei politischen Forderungen des Deutschen Kulturrates:

 

1. Novemberhilfen jetzt! Kulturrat fordert Bund und Länder auf, Streit beizulegen
Die angekündigten Novemberhilfen sind ein Hoffnungsschimmer im Kulturbereich. Viele öffentliche und private Kulturbetriebe, Vereine, Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft und nicht zuletzt die soloselbständigen Künstlerinnen und Künstler brauchen dringend eine Unterstützung, um den Lockdown wirtschaftlich überleben zu können. Der November ist normalerweise ein umsatzstarker Monat im Kulturbereich. Viele mittelbar Betroffene machen normalerweise gerade in diesem Monat Umsätze mit jetzt geschlossenen Kultureinrichtungen. Die Novemberhilfen müssen fair und gerecht sein und vor allem den Besonderheiten der Kulturbranche Rechnung tragen. Zu viele Hoffnungen wurden in den letzten Monaten enttäuscht. Jetzt müssen Bund und Länder gemeinsam handeln und noch mehr Schaden vom Kulturbereich abhalten. Die Novemberhilfen müssen schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden. Dafür haben wir konkrete Vorschläge gemacht und Bund und Länder aufgefordert, ihren Streit über die Ausgestaltung der Hilfen schnell beizulegen, damit noch im November mit der Auszahlung der Hilfen begonnen werden kann.

Das zweite beherrschende Thema war die Debatte um das schon am 18. November im Bundestag abschließend zu behandelnde Bevölkerungsschutzgesetz.

 

2. Bevölkerungsschutzgesetz: Theater, Museen, Bibliotheken, Konzerthäuser sind viel mehr als reine Vergnügungsorte
Der Kulturbereich unterstützt die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, aber wir sind nicht bereit zu akzeptieren, dass in dem neuen Bevölkerungsschutzgesetz, der Kulturbereich noch nicht einmal als eigenständiger Bereich kenntlich gemacht wird, sondern unter den Freizeitbereich subsumiert wird. Theater, Museen, Bibliotheken, Konzerthäuser sind viel mehr als reine Vergnügungsorte, es sind die Orte, an denen Kunst, die nach unserer Verfassung (GG Art. 5, Abs. 3) unter besonderem Schutz steht, präsentiert wird. Wir erwarten, dass im Gesetzestext diesen Umstand spezifisch gewürdigt wird, wie richtigerweise auch die besondere Aufgabe von Orten der Religionsausübung spezifisch berücksichtigt wird.

 

Zu diesen beiden Themen wurde im Laufe der Woche dutzende Gespräche mit Bundestagsabgeordneten und mit Ministeriumsvertretern geführt.

 

Herausragend in dieser Woche waren die Gespräche mit Bündnis 90/Die Grünen. Am Dienstagmorgen mit dem Parteivorsitzenden Robert Habeck und dem Kulturpolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Erhard Grundl, MdB am Mittwoch dann vor der Bundespressekonferenz die Vorstellung des gemeinsamen an die Bundesregierung gerichteten Forderungskatalog zur Rettung der deutschen Innenstädte mit Katrin Göring-Eckardt, MdB Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Stephan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gastättenverbandes (DEHOGA) und mir. Gerade jetzt in der Krise ist es wichtig, nicht nur auf sich zu schauen, sondern Allianzen mit anderen Bereichen zu schmieden.

 

Der Deutsche Kulturrat hat diese Woche auch seine Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts vorgelegt. Gerade jetzt in der Corona-Krise zeigt sich, wie wichtig es ist, dass Künstlerinnen und Künstler und andere Rechteinhaber eine angemessene Vergütung für ihre Auftritte im Netz erhalten können. Dafür ist aber eine Reform des Urheberrechtes unumgänglich. Deshalb sind unsere Vorschläge zum Gesetzesentwurf so wichtig.

 

Doch bevor der Deutsche Kulturrat eine solche Stellungnahme abgeben kann, müssen sich die acht Sektionen mit ihren 261 Bundeskulturverbänden erst einmal einigen. Dafür haben wir im Deutschen Kulturrat Fachausschüsse, die kontinuierlich die Positionen vorbereiten, die dann im Sprecherrat des Deutschen Kulturrates abgestimmt werden. In dieser Woche tagte der Fachausschuss Arbeit und Soziales und diskutierte über die Erweiterung der Arbeitslosenversicherung für Selbständige.

 

In dieser Woche ist auch noch eine zweite Stellungnahme, zum Entwurf Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts, veröffentlicht worden.

 

Beide neuen Stellungnahmen werden nicht nur mit dem federführenden Bundesjustizministerium besprochen, sondern auch mit den für die Themenfelder zuständigen Angeordneten des Deutschen Bundestages.

 

Ja, wir müssen mehr erklären, wie kulturpolitische Entscheidungen vorbereitet und umgesetzt werden. Gerade in der Corona-Krise ist es wichtig, dass der Kulturbereich gemeinsam um die Verbesserungen der Situation kämpft. Dafür sind Initiativen, wie die von Helge Schneider sehr wichtig, aber eine kontinuierliche Interessenvertretung ersetzen sie nicht.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

Forderungskatalog an die Bundesregierung: So retten wir unsere Innenstädte!

 

Kultur gehört untrennbar zur Stadt: Kultur-Einzelhandel wie Buchhandlungen, Galerien oder Musikgeschäfte, Dritte Orte wie Museen und Bibliotheken, Kultur- und Kunstvereine, Musikschulen, Geschichtswerkstätten und besonders Künstlerinnen und Künstler sind essenziell für unsere Innenstädte. Nicht erst die Corona-Pandemie zeigt den Verlust der kulturellen Vielfalt in unseren Zentren, aber jetzt im Lockdown wird der schmerzliche Verlust selbst körperlich spürbar. Bei der Rettung der Innenstädte geht es nicht nur um wirtschaftliche Existenzen, sondern auch um die Diversität unserer Kultur und damit um den Erhalt unserer lebenswerten Heimat. Dafür braucht es in der Coronakrise endlich funktionierende Nothilfen.

 

Die Innenstädte sind Orte der Begegnung, versorgen Menschen mit einer Vielzahl von Waren und Dienstleistungen, bieten kulturellen Austausch und geben dem Leben einer Stadt eine Bühne – und müssen als diese Schmelztiegel unserer Gesellschaft erhalten werden. Angesichts der Schließung dutzender Kaufhof- und Karstadt-Warenhäuser, zunehmend leerer Schaufenster und 50.000 bedrohter Einzelhändlerinnen und -händler auch aus dem Kulturbereich bzw. 140.000 bedrohter Hotel- und Gaststättenbetriebe besteht dringender Handlungsbedarf.

 

Das sechsseitige Papier umfasst zehn an die Bundesregierung gerichtete Forderungen:

  1. Hilfsprogramme sofort entbürokratisieren
  2. Rechtssicherheit und mehr Flexibilität bei Gewerbemieten
  3. Lokalen Handel und Kultur vor Ort zielgenau unterstützen
  4. Einen Städtebaunotfallfonds mit 500 Millionen Euro auflegen und Leerstand bekämpfen
  5. Kultur retten für Kreativität und Vielfalt
  6. Bessere Verkehrskonzepte und Grünflächen für mehr Aufenthaltsqualität in Innenstädten und Ortskernen
  7. Digitalisierungsoffensive für den lokalen Handel
  8. Mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und sichern
  9. Kommunen entschulden und kommunale Handlungsspielräume erweitern
  10. Eine verlässliche Perspektive für das Wiederhochfahren von Wirtschaft und Gesellschaft

Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass bei der Durchsetzung der Hilfen in der Corona-Pandemie der Handelsverband Deutschland, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband und der Deutsche Kulturrat stärker zusammenarbeiten wollen.

 

Weitere Informationen erhalten Sie hier.

 


 

Hilfsmaßnahmen in der Corona-Krise

 

Hier finden Sie aktuelle Informationen zu den Maßnahmen des Bundes für Solo-Selbständige und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft.

 

Hier finden Sie aktuelle Informationen zu den Maßnahmen der einzelnen Bundesländer im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

 

Die Corona-Pandemie hat den Kulturbereich tief getroffen. Immer mehr Kultureinrichtungen, Kulturunternehmen und Kulturinitiativen kommen in existenzielle Not. Mit der Roten Liste wollen wir auf ihre Situation aufmerksam machen und an die Verantwortlichen in der Politik und an das Kulturpublikum appellieren, zu helfen.

 


 

Save the date: 08. Dezember. Geschlechtergerechtigkeit in der Kultur Europas – Digitale Konferenz des Deutschen Kulturrates im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft

 

Die Tagung nimmt die EU-Ratsschlussfolgerungen zu „Geschlechtergerechtigkeit in der Kultur“, die am 1. Dezember verabschiedet werden sollen, zum Anlass, die Diskussion um dieses Thema in der internationalen Fachöffentlichkeit weiterzuführen. Dabei werden insbesondere Akteure einbezogen, die in europäischen kulturellen und zivilgesellschaftlichen Institutionen mit der Umsetzung von Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit befasst sind. Zugleich zielt die Tagung darauf ab, ein möglichst breites Spektrum an Initiativen und Projekten aus den EU-Mitgliedstaaten und aus verschiedenen künstlerischen Sparten abzubilden.

 

Auf den Podien sind u.a.:

 

  • Staatsministerin Monika Grütters MdB
  • Graca Fonseca, Kulturministerin Portugal
  • P Mariya Gabriel, EU Commissioner for IRCE&Y
  • Prof. Dr. Susanne Keuchel, Präsidentin des Deutschen Kulturrates
  • Renate Punka, Janis Roze Publishers Lettland
  • Anna Serner, Schwedisches Filminstitut
  • Prof. Helmut Anheier

 

Die digitale Tagung findet am 8. Dezember statt, gefördert wird sie von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

 

Weitere Informationen erhalten Sie gerne von Dr. Cornelie Kunkat (Tel.: 030 – 226 05 28 12, Email: ed.ta1713875071rrutl1713875071uk@ta1713875071knuk.1713875071c1713875071).

 


 

Politik & Kultur November 2020

 

Themen der Ausgabe:

 

  • Der freundliche Nachbar
    Bürgerschaftliches Engagement vor Ort – und überall
  • Kulturfinanzierung
    Die Erosion der kommunalen Kultur beginnt: Bund und Länder müssen sie jetzt gemeinsam aufhalten
  • Neustart Kultur
    Corona vs. Kultur: Wie unterstützen die Kulturförderfonds Kulturschaffende im Rahmen des BKM-Zukunftsprogramms?
  • Kulturgut & Naturerbe
    Politischer Weckruf jetzt: Gesetze zum Denkmal- und Kulturgutschutz bedrohen das paläontologische Naturerbe
  • Sudan
    Kunst als Förderin des Wandels im Sudan: Wie ist es aktuell um die Kulturszene des Landes im Umbruch bestellt?

 

 


 

Text der Woche: Boris Kochan „Last Exit Zukunft – Neue Ordnung im Riesenpuzzle Kultur- und Kreativwirtschaft“

 

Stopp! Halt! Hier endet die Kultur. Ein und für alle Mal. Denn ab hier beginnt Wirtschaft – oder wie Monika Grütters anlässlich einer Tagung des Deutschen Kulturrates schon vor fünf Jahren formulierte: „Kunst und Kommerz – da rümpft der feingeistige Kulturfreund erst einmal indigniert die Nase. Ist es nicht gerade die Unabhängigkeit von den Kriterien kommerziellen Erfolgs, die Weigerung, sich den Regeln des Marktes zu unterwerfen, die den Künstler von einem – sagen wir – Handwerker unterscheidet?“ Schon der Titel der Staatsministerin als Beauftragte für Kultur und Medien (BKM) simplifiziert zumindest sprachlich ihren Auftrag. Sind denn die Galeristin und der Buchhändler, die Bühnentechnikerin, die Architektin, der Textil- wie die Game-Designerin wirklich auch mit gemeint? In Bezug auf die Musik- und Theaterwirtschaft hat die Staatsministerin gerade erst bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Kulturrates darauf verwiesen, dass zur Kunst selbstverständlich auch all diejenigen gehören, die dafür sorgen, dass die öffentlichen Frontfrauen und -männer wie Schauspielerinnen und Schauspieler, Autorinnen und Autoren usw. ihre Kunst zeigen können.

 

Boris Kochan ist Präsident des Deutschen Designtages und Vizepräsident des Deutschen Kulturrates.

 

Lesen Sie den Text hier!

 


 

Programmhinweis: 15.11, WDR3 „Risikogebiet Kultur – Halbe Kraft voraus oder Neustart?“

 

Kultur hat es als freiwillige Aufgabe der Kommunen schwer, besonders in Zeiten finanzieller Schwierigkeiten.

 

Sendehinweis: Forum | 15. November 2020, 18.04 – 19.00 Uhr | WDR 3

 

Die Folgen der Corona-Pandemie verändern Vieles dauerhaft in der Kultur. Gelegenheit über eine Kehrtwende in der Kulturpolitik nachzudenken. In einem Spitzengespräch diskutieren zwei Gäste über Ökonomisierung und Gemeinwohlorientierung von Kultur, über kulturelle Bildung und ästhetische Erfahrung. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung kommt auch die besondere Rolle der Kultur in Ostdeutschland zur Sprache. Ist es Zeit für einen fälligen Kulturpolitikdiskurs?

 

Darüber diskutiert Michael Köhler mit seinen Gästen:

 

  • Susanne Keuchel, Deutscher Kulturrat
  • Tobias Knoblich, Kulturpolitische Gesellschaft

 


 

Fotowettbewerb #jüdischer Alltag

 

Alle in Deutschland lebenden Menschen sind eingeladen, noch bis zum 20. Dezember 2020 Fotos einzureichen. Die Vielzahl der bereits eingereichten Bilder zeugen vom Reichtum und der Vielfalt jüdischen Alltags in Deutschland.

 

Von allen eingereichten Fotos werden zehn von einer unabhängigen Jury ausgewählt.

 

Der Jury gehören an: Iris Berben, Stephan Erfurt, Dalia Grinfeld, Monika Grütters, Felix Klein, Shelly Kupferberg, Patricia Schlesinger, Josef Schuster und Olaf Zimmermann. Insgesamt stehen Preisgelder in Höhe von 12.500 Euro zur Verfügung, der erste Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Die Bilder werden über die Prämierung hinaus als Wanderausstellung an vielen öffentlichen Orten in Deutschland zu sehen sein.

 

Weitere Informationen finden Sie hier.

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