KW 43: Der Fluch der Digitalisierung, Neue Politik & Kultur, BBK-Symposion ProKunsT mit Livestream, …

... Sind wir in Afghanistan auch kulturell gescheitert?, RRB-Kultur "Wie divers sind unsere Kultureinrichtungen?", Zur Person, Text der Woche, Letzte Meldung

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in den 1980er Jahren habe ich, wie viele Programmierneulinge bis heute, als erste Aufgabe ein kleines Programm geschrieben, das den Satz »Hello World!« auf dem Computerbildschirm anzeigt. Das war mehr als eine Fingerübung, das war der Traum, eine weltweite Vernetzung über digitale Netzwerke zu organisieren. Jeder kann mit jedem schrankenlos in Kontakt treten.

 

Google geht erst zehn Jahre später, 1997, an den Start, auf YouTube muss man noch einmal knapp ein Jahrzehnt warten. Microsoft ist damals der Platzhirsch. Das neue Betriebssystem Windows setzt den Standard und macht Microsoft in kurzer Zeit zum ersten fast unumschränkten Herrscher über die digitale Welt. Schon damals hatten viele ein mulmiges Gefühl. Wird der Traum einer weltweiten freien Vernetzung von kommerziellen Unternehmen in Gefahr gebracht?

 

Ende der 1980er Jahre waren Compuserve und AOL die kommerziellen Türöffner zum World Wide Web. Ich hatte mich einem kleinen Mailboxanbieter „Kolbenfresser“ angeschlossen, um erste Gehversuche im Internet ohne die Benutzung der Dienste von amerikanischen Großunternehmen machen zu können. Spätestens Anfang der 2000er Jahre war mit der Gründung von LinkedIn und Facebook der Traum von einer nichtkommerziellen weltweiten Kommunikation endgültig ausgeträumt. Eine Nutzung des Internets ohne die Nutzung von Plattformen multinationaler Konzerne ist nicht mehr sinnvoll möglich.

 

Wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte beherrschen heute eine Handvoll Unternehmen die weltweite Kommunikation. Die Digitalisierung, die zumindest für einige die Chance auf freie Kommunikation beinhaltete, hat sich zu einem kommerziellen Fluch entwickelt.

 

Und im Kulturbereich, der vor drei Jahrzehnten ein Antreiber der digitalen Emanzipation war, wird heute fast infantil nach immer mehr Digitalisierung gerufen, ohne die Frage zu stellen, wem das World Wide Web gehört. Die Werke der Künstler, Musiker, Schriftsteller und anderen werden weltweit in den Netzen kommerziell von den Netzbetreibern genutzt, aber nur selten vergütet.

 

Karl Marx hat das Eigentum an Werkzeugen, Werkstoffen und Maschinen als 2Produktionsmittel“ in den Händen weniger heftig kritisiert. Heute sind die Netzanbieter die Besitzer der wichtigsten „Produktionsmittel“ unserer Zeit. Aber anders als in der Zeit von Marx scheint dieser Umstand klaglos akzeptiert zu werden.

 

Denn wenn selbst der Kulturbereich nach immer mehr Digitalisierung ruft, ohne die Frage der Autonomie zu stellen, wird »Hello World!« ein Traum bleiben.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

Politik & Kultur November 2021 ist erschienen!

 

  • Radio Ga Ga
    100 Jahre auf Sendung
  • Diversität
    Wie divers sind deutsche Kultureinrichtungen? Ergebnisse aus dem Bericht „Diversität in Kulturinstitutionen 2018-2020“
  • Kulturpolitikpreis
    Außerordentliches Engagement und Dialogbereitschaft: Josef Schuster erhielt den ersten Deutschen Kulturpolitikpreis
  • Europa
    Vielfalt sichern in Zeiten der Internetgiganten: Das Gesetz über digitale Dienste der EU-Kommission
  • Internationales
    Auf der Seidenstraße durch Afrika: China finanziert die Modernisierung subsaharischer Küstenstädte

 

Weitere Themen: E-Lending in den öffentlichen Bibliotheken, Möller meint: Tagebuch von Günther Rühle, Rekolorisierung von Werken von Gustav Klimt, Medien als Randthema in der neuen Bundesregierung?, 31 Jahre Wiedervereinigung: Ausstellung Umbruch Ost u.v.m.

 

  • Politik & Kultur ist die Zeitung des Deutschen Kulturrates. Sie wird herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler.

 

  • Sie erscheint zehnmal jährlich und ist erhältlich in Bahnhofsbuchhandlungen, an großen Kiosken, auf Flughäfen und im Abonnement: Einzelpreis: 4,00 Euro, im Abonnement: 30,00 Euro (inkl. Porto), im Abonnement für Studierende: 25 Euro (inkl. Porto).

 

  • Die Ausgabe 11/21 von Politik & Kultur mit dem Schwerpunkt „Radio Ga Ga – 100 Jahre auf Sendung“ steht als kostenfreies E-Paper (pdf-Datei) zum Herunterladen bereit

 


 

HEUTE 29. Oktober: BBK-Symposion ProKunsT mit Livestream

 

Hat die Kunst die Pandemie überlebt? Was hat sie zum Thema „nachhaltige Förderinstrumente für Kunst und Kultur“ gelehrt? Was braucht ein lebendiges und vielfältiges Kunstgeschehen in Zukunft? Nach einem Impulsvortrag des Kunst- und Architekturpublizisten Dr. Martin Seidel unter dem Titel „ÜberLeben Kunst“ diskutieren Künstlerinnen und Künstler, Kunstvermittlerinnen und -vermittler sowie Kulturakteure in zwei Panels.

 

U.a. mit dem Panel: Nachhaltige Förderinstrumente – Einkommen und soziale Sicherung (Welche Corona-Hilfen haben gewirkt, welche nicht? Welcher Reformen bedarf es zur nachhaltigen Stärkung von Künstler:innen, Kunst und Kultur in der Gesellschaft?)

 

  • Lisa Basten, ver.di Bereich Kunst und Kultur
  • Monika Brandmeier, Künstlerin, Vorstand Stiftung Kunstfonds
  • Doris Granz, Künstlerin, Sprecherin Initiative Ausstellungsvergütung
  • Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat, Geschäftsführer

 

Zum Livestream geht es hier.
Das gesamte Programm finden Sie hier.

 


 

31. Oktober im Deutschlandfunk Kultur: Sind wir in Afghanistan auch kulturell gescheitert? Kultur.Forum St. Matthäus

 

Nach zwanzig Jahren steht die Entwicklungsarbeit in Afghanistan vor einem Scherbenhaufen. Es ist nicht gelungen, belastbare nachhaltige Strukturen zu
schaffen. Die Taliban sind zurück und stellen die alte Ordnung wieder her. War der Versuch, Demokratie und Zivilgesellschaft zu fördern, nur eine andere Art von Kulturimperialismus? Was wiegt schwerer, die Menschenrechte oder der Respekt vor der kulturellen Selbstbestimmung?

 

Das „Kultur.Forum St. Matthäus“ ist das kulturpolitische Forum von Stiftung St. Matthäus, Deutschem Kulturrat, Kulturbüro der EKD, Initiative kulturelle Integration und Deutschlandfunk Kultur.

 

Im Gespräch:

 

  • Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts
  • Dr. Andreas Görgen, Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtiges Amt
  • Dr. Almut Wieland-Karimi (Geschäftsführerin des ZIF – Zentrum für Internationale Friedenseinsätze)
  • Theresa Breuer, Reporterin und Filmemacherin

 

Moderation: Hans Dieter Heimendahl, Deutschlandfunk Kultur
(Aufzeichnung vom 26.10.2021, St. Matthäus-Kirche Berlin)

 

Das Gespräch wird am Sonntag, den 31.10.2021, von 01:05 bis 02:00 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur in der Sendung „Diskurs“ ausgestrahlt. Nach der Austrahlung kann das Gespräch auch jederzeit hier nachgehört werden.

 


 

31. Oktober, 17:00 Uhr RRB-Kultur „Wie divers sind unsere Kultureinrichtungen?“

 

So 31.10.2021, 17:00 Uhr auf RBB-Kultur

 

  • Couragiert unterwegs
    Feministisch, divers, weltoffen Vielfalt und neue Perspektiven
  • Wie divers sind unsere Kultureinrichtungen?

 

Die neueste Studie der „Initiative kulturelle Integration“ belegt: neun von 10 Kultureinrichtungen, die dauerhaft aus Bundesmitteln gefördert werden, halten Diversität für richtig und wichtig.

 

Aber spiegelt sich die Vielfalt in unserer Gesellschaft in Museen, in Bibliotheken oder Stiftungen? Sind die unterschiedlichen Menschen proportional entsprechend vertreten? Sind Programme, Ausstellungen usw. so gestaltet, dass sie für alle ansprechend und zugänglich sind? Einige der deutschlandweit gut 100 befragten Kulturinstitutionen sind dabei, aus guten Vorsätzen Wirklichkeit werden zu lassen.

 

Doch in vielen ist noch reichlich zu tun, damit eine repräsentative Diversität erkennbar wird. Und eigens dafür eingesetzte „360°- Agent*innen“ entwickeln gerade Konzepte dafür.

 

  • Shelly Kupferberg spricht mit
  • Idil Efe, 360°- Agentin im Stadtmuseum Berlin
  • Gabriele Schulz vom Deutschen Kulturrat und Mitautorin der Studie „Diversität in Kulturinstitutionen“
  • Danilo Vetter, Fachbereichsleiter der Stadtbibliothek Pankow.

 

Die Studie:

 

Eckhard Priller, Malte Schrader, Gabriele Schulz & Olaf Zimmermann
Diversität in Kulturinstitutionen 2018-2020
Hg v. Olaf Zimmermann für die Initiative kulturelle Integration
ISBN 978-3-947308-34-7
104 Seiten, 12.80 Euro

 

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zur Person …

 

  • Neue Leiterin des Ethnologischen Museums
    Die derzeitige Leiterin der Ethnologischen Sammlung des Museums Natur und Mensch in Freiburg, Tina Brüderlin, wird künftig das Ethnologische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin mit seinen zwei Standorten im Humboldt Forum und in Dahlem leiten. Die neue Besetzung geht auf eine Entscheidung des SPK-Stiftungsrats Ende Juni zurück. Brüderlin tritt ihr neues Amt am 15. Januar 2022 an.

 

  • Vorstand des Goethe-Instituts für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt
    Der Generalsekretär des Goethe-Instituts Johannes Ebert und der Kaufmännische Direktor Rainer Pollack wurden vom Präsidium des Goethe-Instituts einstimmig als Vorstände wiederbestellt. Johannes Ebert hat die Position seit 2012 inne, Rainer Pollack seit 2017. Die neuen Amtszeiten beginnen 2022 und betragen jeweils fünf Jahre. Der Vorstand des Goethe-Instituts setzt sich zusammen aus dem Generalsekretär als Vorsitzender des Vorstandes und dem Kaufmännischen Direktor. Er führt die Geschäfte in inhaltlicher und administrativer Hinsicht.

 

  • Deutscher Buchpreis geht an Antje Rávik Strubel
    Die Potsdamerin Antje Rávik Strubel erhält den Deutschen Buchpreis 2021. Das hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Frankfurt am Main bekannt gegeben. Ihr Buch »Blaue Frau« wird damit als bester deutschsprachiger Roman des Jahres ausgezeichnet. Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert.

 

  • Shyamalan wird Jurypräsident der Berlinale
    Der Drehbuchautor, Regisseur und Produzent M. Night Shyamalan wird Präsident der Internationalen Jury der 72. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Der US-amerikanische Erfolgsregisseur fesselt mit seinen Genrefilmen weltweit das Publikum, unter anderem mit dem Psychothriller »The Sixth Sense«.

 

  • Kulturresidenz Villa Massimo mit neuer Jury
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat 14 Sachverständige der Sparten Bildende Kunst, Architektur, Musik und Literatur für drei Jahre zu Mitgliedern der Villa Massimo-Jury berufen. Dazu gehören unter anderem Unsuk Chin, Ijoma Mangold, Eike Roswag-Klinge und Karin Sander. Aufgabe der Jury ist es,außergewöhnlich qualifizierte Künstlerinnen und Künstler für die deutschen Kulturresidenzen im Ausland auszuwählen. Hierzu zählen die Villa Massimo in Rom, die Casa Baldi in Olevano Romano, der Palazzo Barbarigo des Deutschen Studienzentrums in Venedig und die Cité Internationale des Arts in Paris.

 

  • Präsidium des Deutschen Musikrates neu gewählt
    Die Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrates hat bei ihrer Versammlung am 23. Oktober in Berlin Martin Maria Krüger als Präsidenten des Deutschen Musikrates wiedergewählt. Damit wird Krüger nach fünf Amtszeiten vier weitere Jahre als Präsident den weltweit größten nationalen Dachverband deutscher Musikverbände prägen. Zudem wurden Jens Cording, Udo Dahmen und Ulrike Liedtke als Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten gewählt.

 


 

Text der Woche: Sabine Verheyen: Vielfaltssicherung in Zeiten der Internetgiganten

 

Als die EU-Kommission im Dezember 2020 ihren Vorschlag für ein Gesetz über digitale Dienste veröffentlichte, war ihre Vision klar: mehr Transparenz und Inter­operabilität von Software und Internetdiensten, mehr Kontrolle durch die Verbraucher und faire Wettbewerbsbedingungen. In der Zwischenzeit wurde der Gesetzesvorschlag im Parlament beraten. Federführend im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, aber auch andere Ausschüsse, unter anderem der Kulturausschuss, haben ihre Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf abgegeben.

 

Sabine Verheyen ist Vorsitzende des Kulturausschusses des Europäischen Parlamentes.

 

Lesen Sie den Text hier!

 


 

Letzte Meldung

 

Interview mit mir zu 20 Monate Pandemie, Künstler-Aktion #allesdichtmachen, Impfpflicht, Soziale Sicherung, Bundeskulturministerium.

 

Hier zum nachlesen…

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